Verschwindende Frauen (und Männer)

Nachdem ich ein paar Mal über Frauen berichtet habe, die noch vor ein paar Monaten oder ein paar Jahren in unserem Berliner Leben mitgemacht haben und durch den Tod verschwanden, haben wir uns letztens via Zoom getroffen und darüber diskutiert, wie wir, die, die noch leben, gegen diesen unvermeidlichen Gang des Seins und Verschwindens wirken können. Wir hatten ein paar kluge, weiterführende Ideen, die ich hier nach und nach präsentieren werde. Heute erste Kommentare.

Christine Ziegler schrieb mir per Email:

Liebe Ewa,

jetzt weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.

Was tun, um Menschen vor dem Vergessen werden zu bewahren?

Eigentlich kommen wir in unserer Daseinsform plötzlich „auf die Welt“ in der wir vorher schon „irgendwie“ waren. Und wenn wir wieder gehen und sie davon nicht schlechter geworden ist, ist das schon viel. Das Problem sind ja nicht die Bescheidenen, sondern die geltungsbedürftigen Dickärsche. Wie kann es uns gelingen, denen die Luft rauszulassen? Dann käme automatisch mehr Balance in die Sache.

Ich mag das in den Vordergrund schieben eigentlich nicht und denke dann wiederum, dass „sie“ einen dann schon haben, wo sie einen haben wollen. Damit sie ungestört ihr Zerstörungswerk tun können. Zerstörung von Welt, von Potentialen, die andere entwickeln könnten. Bin also gezwungen, mich zu wehren. Meinen Standpunkt zu wahren, mich nicht wegschieben zu lassen.

Dann wieder: die Welt ist voll von Botschaften, niemand kann sie auch nur annähernd verfolgen. Will ich da noch etwas dazutun? Oder ist es schon eine gute Sache, Raum zu schaffen, damit Entwicklungen jenseits des Mainstreams möglich sind? (Fettschrift überall stammt von mir, ebenso wie das Minzegrünschrift – EMS)

Ein Nukleus könnte sein, diesen Abend fortzusetzen. Und zum Einstieg jedes Mal eine so tolle Präsentation wie Karina sie über Maria (Maryla) Gast-Ciechomska gemacht hat. Einerseits ein Gedenken für uns und dann ein entspanntes Brainstorming. Dann eine behutsame Erweiterung um weitere Zuhörerinnen und Beitragende.

Ich habe wieder bemerkt, wie ich selbst das nicht wahrnehmen kann, was ich unbedingt wahrnehmen möchte. Erst heute Nacht habe ich deinen wunderbaren Artikel über Anette gefunden.

Nun gut, ich tröste mich in meiner Blindheit damit, dass ich mit unserem Start in den Alltag der Bloggerinnen mehr als erfüllt war. Auch andere Anforderungen, Aufgaben, Möglichkeiten habe ich einfach zur Seite geschoben, die Nacht zum Tage gemacht und das trotz aller Erschöpfung auch ganz und gar genossen. Doch es zeigt mir auch, dass meine Aufnahmekapazität nur begrenzt ist. Wie hab ich dich gestern bewundert, dass du noch für Magda und mich gesorgt hast (Anm. der Administratorin – EMS – gemeint ist, dass ich während des Zoomgesprächs für Magda kurze Zusammenfassung des auf Deutsch Gesagten im Polnischen schrieb; für Christine – umgekehrt). Und das, wo du doch eine Agenda hattest, die du verfolgen wolltest.

Wie schaffst du das?

Ich bewundere Anias (Anna Krenz) Kreativität! Und wie sie z.B. die Performance am 8. März gerettet hat, obwohl die Technik sie im Stich gelassen hat.

Dein Blog ist schon eine Gedenkhalle, ein Lesesaal. Es ist die Frage, ob es irgendwo noch einen in der „echten“ Welt geben muss. Ein guter Gedanke war die Vernetzung in den Strukturen, die es von feministischer Seite bereits gibt. Andererseits sind wir weiterhin nur wirklich lebendig in der Begegnung „in real life“, jede Video-Konferenz ist nur ein „besser als nichts“.

Liebe Grüße

***

Monika Wrzosek-Müller schrieb ebenfalls per E-Mail:

Ich wachte heute mit einer Idee, vielleich für Anna Krenz, die sich mit dem Schicksal von Irena Bobowska auseinandersetzt, villeicht aber für uns alle, dass die KZ Ravensbrück über riesiege Archive verfügt betreffend Polinnen, die dort inhaftiert wurden, insbesondere deren, die nach dem Warschauer Aufstand dorthin deportiert wurden. Sicher gibt es da mehrere Persönlichkeiten, Frauen die schrieben, die kämpften und über die sie eine Performance machen könnte. Und ich dachte daran, dass man vielleicht doch diese Kriegs-Vergangenheit mit der unseren verbinden soll, weil je tiefer die Wurzel reichen, desto authentischer ist das, was wir über die Gegenwart zu sagen versuchen.

Tibor Jagielski schrieb (auch per E-Mail), dass eine Büchereihe, so wie ich / wir sie gerade gestartet haben, vielleicht am meisten den Sinn hat. Also ein regelmässiges Zoomtreffen, ein Eintrag mit Unterseiten auf der Wikipedia, eine Veranstaltungsreihe in der Regenbogenfabrik (ggf. mit Performances), eine Zusammenarbeit mit dem Frauenarchiv (Frauenarchiven), digitaler Leseraum, Bürcherreihe, realer Lesesaal. Huh! Viel!

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