Drei Freudinnen und die Mauer

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Leben in zwei Systemen – Die Generation der Transformation in Polen

STAND 18.11.2022 RENATA NASSERI

Leben in zwei Systemen – Die Generation der Transformation in Polen

Malgorzata, Agnieszka und Renata wurden 1973 in Poznan geboren. In der Schule waren sie unzertrennlich und lernten, dass es kein besseres und gerechteres System als den Kommunismus gibt.

Beim Mauerfall 1989 waren sie 16 Jahre alt. 1991 erlebten sie, wie die Sowjetunion endgültig zerfiel. Die Welt stand für sie von nun an Kopf, alte Gewissheiten lösten sich auf. Die Freundinnen mussten sich mit der neuen ökonomischen und politischen Realität auseinandersetzen.

Die frühen 1990er Jahre haben ihr Leben geprägt – bis heute.

Manuskript zur Sendung / Sendung

Sendung vom Mo., 21.11.2022 15:05 Uhr, SWR2 Leben, SWR2

Metropolinnen zwischen Polen und Kudamm

Reńka & Aśka

Unser Kuckuck

REŃKA: Weil das war so:

AŚKA: Reńka, abgerackert wie der Dorfhund und erhitzt wie der Wasserkessel vor Wut, nach diesem ihren Job – der nur zum Geldverdienen da ist, und sonst zu gar nichts –

REŃKA: wo der mir schon durch die Ohren rauskommt

AŚKA: schleppt sich ins Haus, und die Pfoten schleifen ihr auf dem Boden.

REŃKA: Und Aśka, in diese ihre rosa Decke gewickelt, sitzt vor diesem ebay und das in dieser Spielzeugabteilung, als wäre sie, normal, eineinhalb.

AŚKA: Reńka, komm her, aber schnell, und guck, ich bestell uns grad eine fliegende Kuh, dass sie uns durch unsere psychodelische Küche saust. Aber Reńka platzt schwer auf das Bett, nicht mal die Schuhe zieht sie aus.

REŃKA: Aśka, du bist wohl noch in der Kita, und denkst, das Geld kommt raus aus der Wand. Wann hat dein Konto das letzte Mal Kasse gesehen, wenigstens einen mageren Cent? Du denkst wohl, du gibst nichts aus, wenn das Geld ist aus Plastik oder digital.

AŚKA: Weil Reńka sagt, ich bin eine Solipsistin, was ich nicht sehe, das gibt es nicht.

REŃKA: Und überhaupt, Aśka, worauf sitzt du da? Was versteckst du da vor mir? Ich rieche den Schweiß von Beamten, die strafende Hand der Staatsgewalt. Zeig mal, das ist doch wieder eine Rechnung, eine Mahnung, ich sehe die Schrift von dem Amt. Und Aśka,

AŚKA: mit der Miene wie ein geschlagener Hund,

REŃKA: zieht von unter ihrem Arsch,

AŚKA: einen besudelten Umschlag.

REŃKA: Das sind doch garantiert deine post-edukativen Schulden, einer von diesen deinen drei Krediten, los, mach das auf!

AŚKA: Du Reńka, du mach mir keine Angst, weil wenn ich Angst haben will, guck ich einen Horrorfilm.

REŃKA: Und Aśka glotzt auf den Umschlag, als wäre es eine Briefbombe oder radioaktiver Müll aus Tschernobyl.

AŚKA: Du Reńka, nimm das weit weg von mir und leg es auf das silberne Tablett unter den Barock-Spiegel, damit es sich nicht verliert, wenn ich mich dran gewöhnt hab, öffne ich das.

REŃKA: Aśka, guck endlich der Realität in ihr aufgedunsenes Gesicht! Das ist doch ein hyper-offizieller Brief. Und wenn du nicht zahlst, schicken die uns den Kuckuck ins Haus!

AŚKA: Du Reńka, gleich explodiere ich von innen. Selber nur „und“ und „aber“ verstehst du doch von diesem ihrem Steuerbrief.

REŃKA: Und Aśka fliegt durchs Internet als hätte sie eine dritte Hand, und bestellt

AŚKA: eine Trockenhaube und eine Kabeltrommel gleich dazu,

REŃKA: weil Aśkas Fön hat sich verloren,

AŚKA: und seit fünf Jahren schon niemand ihn gesichtet hat.

REŃKA: Aber irgendwie juckt sie Aśka doch, diese amtliche Schrift, und man sieht, wie sie denkt, normal, wie die Synapsen ihr im Gehirn glühen, und eine neue Idee in ihrem Kopf sich gebiert.

AŚKA: Komm wir schreiben, wie damals an die Polizei, wo ich über das rote Licht gefahren bin, dass ich so Durchfall hatte, dass ich mich beeilt hab zu diesem Klo in unserem Haus. Und damit hängen wir sie ab.

REŃKA: Du Aśka, mit dieser Nummer kommst du nicht mehr durch. Solche Nudeln um die Ohren kannst du wickeln der Polizei, aber nicht diesem ihren Amt.

AŚKA: Dann nehme ich einen Spaten, wir graben ein Loch im Hof, richten aus ein Begräbnis und begraben diesen Brief. Ich mach das auch mit grosser Facon, mit allen Schikanen, auf top-katholisch, extra für dich.

Aber Reńkas Augenlid zittert,

REŃKA: weil wenn ich mich nerve habe ich so ein Tick.

AŚKA: Und Reńka schmiert zum Kühlschrank, weil sie ist doch so dünn, dass auf Stress sie essen muss, macht die Tür auf, und dort:

REŃKA: Leere, nur Licht. Ein Stück verreckter Käse und Butter, aber nicht zum Brot – sondern Aśkas Body-Creme, damit sie länger bleibt wie ein Babyarsch glatt.
Soll ich uns jetzt Suppe kochen aus deiner fliegenden Kuh aus dem Plastik-Land? Oder sollen wir in der Badewanne alte Brötchen aufweichen und essen den ganzen Monat lang?

AŚKA: Und Reńka nervt sich, aber wie, auf maximal.

REŃKA: Hör zu, die Schutzzeit für Esel ist vorbei: es gibt doch Arbeitskraftmangel in diesem deutschen Land, in einem Büro gleich stellst du dich ein, da gibt es viele bunte Klebezettel, in rosa, gelb, und sogar leuchtend grün, die die du so magst, und wenn wer anruft kannst du erotisch ins Telefon säuseln

AŚKA: „Hallo“.

REŃKA: Dann kommt kein Kuckuck mehr ins Haus, und du kannst alles kaufen, das ganze Ebayland!

REŃKA: Aber Aśka weiß Bescheid:

AŚKA: Ich kenne dieses ihr Spiel, da spiele ich nicht mit, du schuftest 40h die Woche, und leisten kannst du dir ein Brötchen mit Senf, und damit du dir zu dem Brötchen ein Würstchen kaufen kannst, muss dir dazuzahlen dieses ihre soziale Amt. Und Reńka zerhackts,

REŃKA: weil, da ist doch was dran.

AŚKA: Und Reńka will sich einrollen und schlafen wie ein Bär unter dem nächsten Baum. Und Aśka liest in Reńkas Gesicht, was in ihm steht mit Druckbuchstaben: KRISE. Auf einmal klopft es an die Tür, aber wie, als würde jemand in die Trommel schlagen. Und auf Reńka fällt die blasse Angst.

REŃKA: Aśka, das ist garantiert der nächste Brief von dieser ihrer Gerechtigkeit. Und Aśka rennt in ihr Schmuddelbett und brüllt:

AŚKA: Reńka, mach nicht auf, das ist der Kuckuck, er kommt uns ins Haus. Aber Reńka will nicht leben

REŃKA: an so einem Gesellschaftsrand,

AŚKA: und macht, mit geschlossenen Augen, die Tür auf.

REŃKA: Und dort – ein unschädlicher Postmann, bringt die fliegende Kuh aus diesem Aśkas liebsten-ebay-Land. Und Aśka rauscht aus ihrem Zimmer

AŚKA: und schon fliegt eine Kuh durch unsere psychodelische Küche,

REŃKA: normal, ein Schwergewicht auf Flügeln, als wäre es eine Taube oder ein Storch.

AŚKA: Und Reńka glotzt und auf einmal sperrt sie den Mund auf,

REŃKA: weil ich hab eine Idee, aber was für eine!

AŚKA: als wäre Reńka persönlich dieser Einstein.

REŃKA: Aśka, ab sofort werden wir schreiben: wie dieser Reich-Reinicki-Papst, über dieses mein Leben hier mit dir, ein Lied, ein Gedicht, ein Roman und ein Hörspiel obendrauf. In allen Formaten, jpg, doc, tiff, und sogar rtv, auf Papier und digital. Weil, Aśka, wenn eine Kuh fliegen kann, dann aus so einer laufenden Katastrophe wie dir kann ich doch schlagen dieses Kapital!

AŚKA: Weil Reńka die hat ein Schäden, einfach extraorbital, und ohne Reńka wäre ich verloren wie ein Kind im Nebel.

REŃKA: Und ich, Aśka, ohne dich, wie eine Polin in diesem deutschen Land.

ENDE
Das ist z. Z. die letzte Geschichte von, mit und über Metropolinnen. Schade.

Metropolinnen zwischen Rassismus und Küche

Aśka & Reńka

UNSER AUSLANDSMANN

REŃKA: Weil das war so:

AŚKA: Reńka fällt ins Haus verzwitschert wie der Kanarienvogel im Frühling.

REŃKA: Du Aśka, hock dich hin, sonst der Kiefer fällt dir gleich bis zum Knie, weil ich hab getroffen, normal, meine zweite Hälfte, einen echten Typen, auf maximal, aus 1001 Nacht, und dazu noch fliegt er mit Flugzeugen, und wenn mir die Füsse wehtun, auf den Händen trägt er mich.

REŃKA: Aber Aśka sitzt in diesem unserem Schrank in der Wand,

AŚKA: die Decke über dem Kopf,

REŃKA: und an meinem Glück partizipiert sie nicht.

AŚKA: Du Reńka, weil mich hat so eine Lust überfallen, in diesem Fernseher was anzugucken und wir haben doch keinen, also sofort ging ich in diese U-bahn, weil die haben da welche, und in jedem Waggon sogar zwei. Und da: dieser Sarrazzin, von dieser ihrer Bank, und der, normal, hat ein Buch geschrieben: DASS DER EINWANDERER DEUTSCHLAND DUMM MACHT. Also greif ich zu einem alten Spiegel,

REŃKA: – diesem ihren Nachrichten-Magazin –

AŚKA: den ein Deutscher liegen liess, um mein Bildungsniveau zu heben, gegen diesen Sarrazin. Und Reńka, weißt du, was da geschreiben steht? Die haben diesen Schädel gefunden, den von diesem Hitler.

REŃKA: Den, wo die ganzen KGBs, CIAs und STASIs suchen schon seit dem Krieg? AŚKA: Du wirst schon sehen, jetzt nehmen die diese DNA, klonen diesen Hitler, und wieder wird es diesen Nazismus geben, und dann weißt du, was wir machen können, normal, emigrieren auf die Antarktis zu den Pinguins.

REŃKA: Aśka, dich hats zerkloppt, aber wie: auf die Antarktis fahre ich nicht, weil ich in diesem deutschen Land bezahle die GASAG, und billig ist das nicht. Und dazu hab ich jetzt wichtigeres, weil ich bin doch verknallt wie der Specht.

AŚKA: Reńka, begreif doch – hast du vergessen, wer ich bin? Ich bin doch diese Jüdin und mit meinem Look, wenn es nicht verboten wäre, hätte ich garantiert die Hauptrolle in Jud Süss. Und dazu noch mein unehelicher Mann, den ich hab lieb von hier bis zum Kosmos, der ist doch so schwarz wie meine Haare und wie die sternlose Nacht. Und damit er nicht ins Maul kriegt, schläft er doch jetzt schon mit einem Stock, der immer mich in den Rücken drückt. Wenn er hört, dass die diesen Hitler restaurieren, gehen wir gar nicht mehr raus aus dem Haus.

REŃKA: Aśka, wieder machst du aus dem Löffel einen Elefanten, du überschätzt die plastische Chirurgie: als sie das Schaf Dolly geklont haben, ist die ihnen gleich krepiert. Aber Aśka heult wie das Maultier:

AŚKA: Reńka, du kapierst gar nichts, auf den ersten Augenwurf sieht man schon, dass mein Freund kein Spross ist von den Wickingern. Und sogar, wenn ihm die deutsche Eisenbahn einen Gratis-Fahrschein spendiert, nach Dresden fährt er im Leben nicht. Da muß er ja durch die Kanäle gehen, weil die da jetzt doch laufen diesen ihren nazistischen Trauermarsch, und das wo?

REŃKA: auf dem jüdischen Umschlag-Platz, wo sie die Juden versammelten, um sie zu verschicken, direkt ins KZ.

AŚKA: Und sogar auf Facebook kannst du schon diesen Hitler zu deinen Freunden hinzufügen. Der hat da schon 2802 Fans und ein Profil. Und Reńka wird weiss wie das unbenutzte Kleenex vor Angst:

REŃKA: Du Aśka, guck was du sagst, weil doch dieser mein geliebter Prinz, statt zu Mekka zu beten, rasiert er sich drei Mal am Tag das Kinn, sonst denken alle sofort „Taliban.“ Der ist doch ein 100%-er Perser, direkt aus Teheran und mit der germanischen Rasse hat er soviel zu schaffen, wie der Putzlappen mit deiner Hand.

AŚKA: Und jetzt kommt dieser ihr Hitler wieder und dazu noch dieser Sarrazzin, und der hat doch auch schon geschrieben, dass ich irgend so ein Gen habe, weil ich doch Jüdin bin.

REŃKA: Oh Aśka, für uns gibt es kein Leben mehr in diesem deutschen Land.

AŚKA: Und Reńka ins Geheul, aber wie, unmittelbar.

REŃKA: Und Aśka verstopft es und durch den gepressten Hals sagt sie, und eine Stimme hat sie, als sässe sie schon in diesem Güterzug von der Deutschen Bahn.

AŚKA: Komm Reńka, wir gehen aus, heute abend nach Neukölln, da sind immer viele Ausländer, in der Gruppe ist man munter.

REŃKA: Und da: Fete volle Pulle,

AŚKA: bäuchige Roma-Männer blasen in die Trompeten,

REŃKA: wie damals in Jericho, der Wodka fliesst aus Springbrunnen

AŚKA: und alle tanzen wie auf der türkischen Hochzeit.

REŃKA: Und natürlich was?

AŚKA: Die einzige Deutsche von der Fete,

REŃKA: so ein eingenähtes Modell,

AŚKA: driftet zu uns,

REŃKA: in diesen ihren High-Heels,

AŚKA: dass Reńka nicht einen Schritt damit macht,

REŃKA: und Aśka tut selbst vom Gucken schon weh der Rücken.

AŚKA: Und die heult uns die Brüste voll,

REŃKA: weil doch diese Schwarze Sarah gewonnen hat in diesem ihrem Next-Model-Programm, und weil sowas wird jetzt tip-top-trend, und nur solche Sarahs haben jetzt Aussichten auf die Karriere, und das ist doch eine Schande für die BundesRepublik.

AŚKA: Und wir schleichen raus, eine Miene haben wir,

REŃKA: als hätte uns eine Taube auf den Kopf geschissen.

AŚKA: Komm Reńka, wir fahren via Ostbahnhof, direkt zurück nach Polen.

REŃKA: Dich hats wohl zerschossen, sind wir wie dieser ihr Heidegger, der seine Hannah im tiefsten Nazismus zurück lässt und selber nach Amerika fährt?

AŚKA: Reńka, wir sind doch keine Kanaillen. Unsere Typen nehmen wir doch mit.

REŃKA: Aha. Nach Polen willst du, wo dort doch regiert dieses katholische Radio,

AŚKA: das Mutter Maria heisst, mit seinen alten Weibern,

REŃKA: diesen Renterinnen, wo ihr Erkennungszeichen sind die Baskenmützen aus Mohär, und 15mal am Tag beten sie, nicht vor einem Altar, nein zu diesem Radio, das schimpft, dass sogar Donald Duck ist ein Jude und Satanist. Und wenn die uns da aufspüren, mit unseren geliebten Exoten, spucken die über die linke Schulter, du avancierst gleich zur Afro-Dirne und als 7. Frau vom Maharadscha beschimpfen die mich. Und du wirst dich noch freuen, wenn die auf uns schmeissen mit einem verwesten Ei und nicht mit einem Pflasterstein.

AŚKA: Und wir schleppen uns in diese U-Bahn,

REŃKA: die Diskriminierung schielt auf uns aus jeder Ecke,

AŚKA: die Leber verfault uns davon.

REŃKA: Und in der U-Bahn, Sodom und Gomorrah,

AŚKA: dicht, dass du nicht eine Nadel reinsteckst,

REŃKA: normal, Paradies für Frottierer, und Onanierer,

AŚKA: wie zur Rush-hour in Tokyo,

REŃKA: Mensch an Mensch:

AŚKA: aus dem Orient,

REŃKA: Ex-Jugoslavien,

AŚKA: Afrika, Istanbul

REŃKA: und sogar aus Fidel-Castros Kuba-Land. Und ist hier ein Deutscher, versteckt er sich gut.

AŚKA: Und Reńka weiss sofort Bescheid, weil die kennt sich doch aus.

REŃKA: Siehst du, Aśka, diese Politiker in dem deutschen Lande, die sind so pc, und locken uns alle her, küssen Füsschen und Händchen am Anfang, um zu schlagen dieses ihr politisches Kapital und vor allem vor diesen Wahlen, und dann selbst dieser Sarrazzin von dieser sozialen Partei, der sagt dass alle Anhänger von Mohammed in diesem Deutschen Lande kleine Kopftuchmädchen produzieren und schmarotzen nur auf diesem Staat.

REŃKA: Und auf einmal auf Aśka fällt die Offenbarung.

AŚKA: Reńka, heiliges Recht hat er, wir machen’s einfach, wie er sagt. Ab sofort bepflanze ich ganz Deutschland mit kleinen beschnittenen Schokobabys, und du nimm dich an die Arbeit und zacki-zacki, produziere wie am Laufband, kleine islamische Prinzessinen, normal, zwei volle Fussballmannschaften.

REŃKA: In ganz Deutschland soll es werden wie bei diesem UnoTreff.

REŃKA UND AŚKA:

UND SO HABEN REŃKA UND AŚKA DEM SARAZZIN SEIN
POLITISCHES KONZEPT GEKLAUT.

Metropolinnen zwischen Klamottenladen und Küche

Aśka & Reńka

UNSER WEIB

REŃKA: Weil das war so.

AŚKA: Reńka kommt nach Hause

REŃKA: und mit sofortiger Wirkung flieg ich zu Aśka,

AŚKA: die Miene lacht ihr und Reńka holt raus aus einer Schachtel

REŃKA: ein Paar wunderschöne Schühchen,

AŚKA: das Modell Sandaletten, auch Schraubstöcke für die Zehen genannt.

REŃKA: Aber Aśka sitzt in ihrem Sudelbett, in diesem ihren T-Shirt, mit Fleck und Loch direkt auf dem Bauch, und klopft wie bekloppt an sich rum: die Wange, das Kinn, die Stirn und die Nase noch dazu.

AŚKA: Reńka, ich lebe jetzt nach dieser neuen Klopfakupressur – nach der Technik der Emotionalen Freiheit. Weil ich bin doch Polin

REŃKA: und für unsere Freiheit und Unabhängigkeit sind wir doch bekannt.

AŚKA: Und die in diesem deutschen Land bombardieren uns jeden Tag mit diesen Frauen, wo die fressen zwei Äpfel am Tag,

REŃKA: und aussehen, wie Skelette extra dafür gezüchtet um auf diesen Laufstegen zu spazieren.

AŚKA: Und dazu noch haben die Kinder und diese Karriere,

REŃKA: wie diese ihre Heidi, dieses Deutschland-Superweib.

AŚKA: Und jetzt denke ich, wenn ich nicht so bin, bin ich weiblicher Abfall. Aber Reńka zwängt sich in ihre neuen Schuhe, und in dieses ihre Blümchenkleid, wie ausgeschnitten aus dem polnischen Folklore-Verein.

REŃKA: Aśka, geh nach dem polnischen Frauenideal, sogar im Kommunismus, wenn es in den Läden nichts gab – haben wir uns Blümchenkleider genäht – und zwar aus der Gardine die am Küchenfenster hang. Alles was du brauchst, ist ein geblümtes Kleid, und Schühchen, wie ich sie hab, und gleich wirst du dich lieben und akzeptieren, wie wir in der Heimat, als die hochwertigste Frau.

AŚKA: Und schon fahren wir mit diesen Fahrrädern, aber leicht, so langsam, um uns nicht müde zu fahren,

REŃKA: zu diesem Klamottenladen, diesem Markt der Eitelkeit.

AŚKA: Kaum drinnen, Reńka grast zwischen diesen Regalen und Kleiderständern,

REŃKA: und Aśka steht in der Ecke wie zur Strafe, und beobachtet ein Weib:

AŚKA: eine Deutschland-Mutter, komplett ausgestattet mit Babykram, schwanger und noch mit einem Kind auf dem Arm.

REŃKA: Und Aśka klopft sich mit Anteilnahme unter der Brust, und flüstert:

AŚKA: Ich muß mich gut durch klopfen, daß ich mich akzeptiere, daß ich in meinem Alter noch nicht schwanger war.
Aber Reńka wirft sich zu mir, der Arm von dem Kleiderhaufen fällt ihr fast ab:

REŃKA: Marsch, in die Kabine, guck die nicht an. Die packt die Mamilla raus und säugt mitten in der Öffentlichkeit. Würde das eine polnische Mutter machen? Nimmer und nie! Wo ist der Sinn für Anständigkeit? Und außerdem, Aśka, die Typen in diesem deutschen Lande zwingen diese Deutschlandfrauen zu dieser Schwangerheit, damit sie sich sicher fühlen weil so schnell kannst du nicht weglaufen, wenn du ein Kind im Bauch hast und das zweite am Arm.

AŚKA: Auf einmal aus der Kabine kommt die Kudamm-Hyäne, ein Kleiderbügel, dünn, ausgetrocknet, die Titten wie Ballons, garantiert dazu gemacht.

REŃKA: Aśka fängt an sich die Fingerspitzen abzuklopfen.

AŚKA: Reńka, ich hab Angst, wenn ich mich nicht klopfe, dann will ich auch so sein, wie die Deutschlandfrauen, die haben die Brille von einem Projektanten von diesen ihren Accessoires

REŃKA: und ein Paar Socken, das dazu paßt.

AŚKA: Aber Reńka flüstert, damit die Hyäne sie nicht hören kann:

REŃKA: Das ist nicht so ein Himmel, wie man denken kann – die hat n Typ, ist in einer Ehe, und das ist ein Druck, weil die liebt den nicht, und muß den immer begütigen, damit er ihr gibt, für die ganzen Accessoires. Und du willst doch unabhängig sein, wie das polnische Frauenideal?

AŚKA: Und Reńka fischt raus, aus dem Textilienberg, ein Kleid,

REŃKA: Wunder-Honig: mit Mohnblumen auf grünem Material,

AŚKA: wie eine Wiese in der masowischen Landschaft.

REŃKA: Los, zieh das an. Aber Aśka hört nicht zu, starrt durch das Schaufenster, weil da, auf der Strasse, schmiert ein Weib,

AŚKA: normal eine Businesswoman, auf Maximal, direkt aus dem Potsdamerplatz, gut erhalten, gepflegt, mit Aktentasche und Kostümchen in Mäuse-grau, in Stöckelschuhen, und stolpert nicht ein halbes Mal,

REŃKA: und Aśka fängt an sich zu klopfen. Aśka, hör auf, du weißt es noch nicht, aber du willst nicht so sein! Schau die doch an – die ist uniformiert, wie eine Soldateneinheit, die hat kein Eigenstil und keinen Sinn für wahre Weiblichkeit. Weil nämlich, Aśka, diese Deutschland-Manager in diesem post-industriellen Deutschland-Staat, zwingen diese Frauen in diese Uniform, und das, weil sie Angst haben, daß die Deutschlandfrau ist im Vormarsch, und sagen ihr ständig diese Komplimente, daß sie hat in diesen hohen Stöckelschuhen Waden wie ein Stossgebet, aber in Wirklichkeit wollen die doch, daß ihr die Knochen kaputtgehen, damit sie nicht mehr konkurrieren kann.

AŚKA: Und Reńka pellt mich aus meinem T-Shirt raus,

REŃKA: Aśka läßt geschehen, weil sie glotzt wie verzaubert, und klopft sich nicht mehr einmal, weil in der Tür steht ein Weib,

AŚKA: aber was für eins: im Holzfäller-Stil, Haare auf Igel, ¾-Wattjacke, Null Maquillage,

REŃKA: und ausgeleiertes T-Shirt, Modell Unisex, um nicht eine Kurve zu zeigen aus Versehen.

AŚKA: Reńka, guck, das ist eine polnische Seele, das ist das Ideal der Unabhängigkeit – die schämt sich nicht, die ist doch ein Wunder der Selbstakzeptanz.

REŃKA: Aha, polnische Seele – so ziehe ich mich nicht mal an, wenn ich in den Keller geh.

AŚKA: Und Reńka zwängt mich in das Blumenkleid. .

REŃKA: Aśka, in diesem neuen Kleid siehst du aus wie der polnische Frühling – ich höre die Musik von Chopin, fühlst du dich jetzt wie diese hochwertige Frau?

AŚKA: Guck, die Wattjackenfrau, die schaut mich an, und zwar mit Mitleid.

REŃKA: Aśka, die hat unter ihrer Wattjacke einen Taillenmangel, die würde sich auch hübsch anziehen, nur daß sie keine Konditionen hat. Und noch arbeitet sie diese ihre Ideologie dazu, als wäre sie so befreit, aber in Wirklichkeit, Aśka: so aussehen wie du in diesem Kleid, romantisch, wie die polnische Wiese, das will doch jede Frau!
Aber Aśka, stolz, mit ihrem T-Shirt

AŚKA: mit dem Loch und dem Fleck am Bauch,

REŃKA: schießt aus dem Laden raus.

AŚKA: Und Reńka schmiert hinter mir her,

REŃKA: mit demolierter Miene,

AŚKA: hinkend wie ein angeschossener Hund,

REŃKA: weil mein Fuß in dem neuen Schühchen schwimmt, wie im roten Meer, im Blut.

AŚKA: Reńka, deine Hacke, abgewetzt, bis zum Knochen, bis zum Fleisch, bis zur Sehne. Du solltest dich auch klopfen, und zwar in die Mitte deines Kopfes. Du machst ein Krüppel aus dir und das im Namen des polnischen Frauenideals?

REŃKA: Und Aśka schmiert in den nächsten Haushaltswaren-Shop, kommt raus, und normal,

AŚKA: ziehe ich Reńka an:

REŃKA: Latschen a la deutsche Oma,

AŚKA: gesund, grob geschnitten und aus Flausch. Und auf einmal Reńka fühlt, daß ihre Füße, haben es geräumig und haben so viel Luft, normal, als ob sie fliegt.

REŃKA: Aśka, ich hab schon ganz vergessen, wie es ist, auf den eigenen Füssen zu gehen.

AŚKA: Und Reńka, erleichtert,

REŃKA: weil von den Schraubstöcken endlich befreit,

AŚKA: mit erhobenem Haupt, geht sie durch die Strasse der Eitelkeit.

REŃKA & AŚKA:
UND SO HAT AŚKA REŃKA BEIGEBRACHT, SICH SELBST ZU AKZEPTIEREN, ALS UNABHÄNGIGE FRAU.

Metropolinnen zwischen Streit und Küche

Aśka & Reńka

askarenka
UNSER HELMUT

AŚKA: Weil das war so:

REŃKA: Aśka, kommt zurück, aus der Heimat, beladen mit echter Wurst mit Knoblauch und sauren Gurken, aufgewühlt wie die Ostsee im Sturm, und schon ab der Schwelle schreit sie:

AŚKA: Es wird keine Freundschaft zwischen unseren Völkern geben, nimmer und nie in der Welt! In dem Eurocity-Warszawa-Berlin-Express, an der Grenze, als die deutschen Zollbeamten kamen, normal, der Frost ist mir über die Knochen gegangen, weil ein Gemurmel ging durch den Zug, und alle Polen, die nach Berlin schmieren, flüsterten: „Gestapo, Gestapo.“

REŃKA: Aśka, mach keine Mistgabel aus einer Nadel.

AŚKA: Und auf dem Hauptbahnhof – dieses Poster, gross wie ein 3-Stock-Werk-Haus, und was steht drauf?

REŃKA: „Entdecke Polen, Polen ist nicht so wie du denkst“.

AŚKA: Reńka, das impliziert doch, dass jeder schlecht von Polen denkt, als wäre Polen ein komplettes Arsch und normal die dritte Welt. Und noch schlimmer, eine Deutsche hat zu mir gesagt: „Oh, Sie sind Polin, hätte ich nicht gedacht“ – und die dachte noch das ist ein Kompliment.“

REŃKA: Du Aśka, brüll nicht wie der Hund, wo sie ihm auf den Schwanz getreten sind, sonst hört noch dieser Helmut, was du über ihn sagst.

AŚKA: Dieser patentierte Deutsche, Baujahr 1933?

REŃKA: Genau, dieser unser Quasi-Nachbar aus der vierten Etage, ist unter uns gezogen, weil er nicht mehr soviel Treppen laufen kann.

REŃKA: Und Aśka überkommt die unbenannte, unbestimmte Angst.

AŚKA: Reńka, der ist doch ein Periskop und Seismograph. Wenn der wohnt direkt unter uns, kommt er ständig in unsere Bude, macht seinen privaten Blitzkrieg und schreit, dass wir trampeln, und polnisch reden, und das ist laut und überhaupt emotional, der ist doch wie diese Erika Steinbach – im Kleinformat.

REŃKA: Und Aśka greift zu einer Aldi-Tüte.

AŚKA: Reńka, hier, pack deine Kippen und unsere Katze – wir ziehen aus.

REŃKA: Aldi-Tüten zum Packen? Bin ich ein Penner?

AŚKA: Nicht Penner, aber Polin und nicht gerade up-to-date: die nennen hier die Alditüten „Polenkoffer“ – das ist doch allgemein bekannt. Los, beweg dich, worauf wartest du, auf Applaus?

REŃKA: Und Aśka schaufelt in ihre Alditüte alles was sie schafft:

AŚKA: drei Lockenwickler,

REŃKA: ihre Trockenhaube

AŚKA: weil die noch neu ist,

REŃKA: den Elefanten,

AŚKA: mit dem Rüssel nach oben, zuständig für Glück

REŃKA: den Espresso-Café

AŚKA: für teures Geld,

REŃKA: den Computer von dem sie sich nie trennt,

AŚKA: und zwei rosane Decken für das Ambiente.

REŃKA: Dich hat wohl in Polen ein Braunbär überfallen, der einzige der da noch lebt – wo sollen wir wohnen? Unter der Oder-Neisse-Brücke?

REŃKA: Aber Aśka rennt wie eine Ameise durch unsere Küche und die dritte Alditüte hat sie schon vollgepackt.

AŚKA: Aber Reńka hat vor nichts Angst,

REŃKA: und garantiert nicht vor so einem Helmut,

AŚKA: und damit Helmut es hört, lacht und trampelt sie wie das Militär. Reńka, hör auf zu gehen, und überhaupt zu atmen, sonst sagt Helmut, dass du ihm die Ruhe klaust, weil wir klauen doch alles, so hat es ihnen beigebracht dieser ihr Harald in diesem ihren Programm um Mitternacht:

REŃKA: „Willst du nach Polen fahren, dein Auto ist schon da.“ – Ha, ha, ha. Aśka, im Geiste dieses unseres polnischen Katholizismus: wir vergeben ihnen. Weil wir haben einen spezifischen Sinn für Gerechtigkeit: wenn wer hat, warum hab nicht auch ich? Darum haben wir den Deutschland-Protzwagen mitgehen lassen – was sollten wir machen, wenn wir waren arm.

AŚKA: Und auf einmal ein Geräusch,

REŃKA: dass Aśka vor Schreck ihre Polenkoffer fallen lässt,

AŚKA: wir gucken durch das Fenster – und da:

REŃKA: Helmut bis zum Gürtel in der Mülltonne

AŚKA: trampelt rum, auf diesem Müll, dass die Funken springen,

REŃKA: normal, wie ein Rumpelstielzchen.

AŚKA: Reńka, guck diesen Helmut an, er stampft den Müll zusammen und hofft, wenn er fleissig stampft, passt mehr rein und die Betriebskosten sinken. Wenn ein Pole sieht diesen Helmut-Geiz, bekommt er Kieferndruck.

REŃKA: Aśka, lieber du fühl dich ein, in diese seine Situation, weil normal diese Alliierten, haben ihm alles weggenommen, damit er nicht wieder Waffen machen kann, und jede Mark vier Mal von allen Seiten hat er angeguckt, bevor er sie ausgegeben hat. So hat er eben diese Geizsucht bekommen. Aber Aśka stopft Reńka die polnische Knoblauchwurst in den Mund, damit sie sich verstopft und endlich schweigt.

AŚKA: Das war doch seine eigene Schuld, nicht wir haben die Helmuts, sondern die Helmuts haben uns überfallen. Aber Reńka ist heute ganz pc und pädagogisch.

REŃKA: Aśka, du leidest an der Verstopfung nach diesem Krieg, aber ich jetzt, normal, werde die erste Ehrenpatronin der deutsch-polnischen Freundschaft, und verkünde die neue zwischen-nationale Amnesie.

AŚKA: Terefere und blablabla, dein Bewusstsein spaltet sich dir, weil selber sagst du: „Rede nicht deutsch in der Küche und nicht wenn ich koche, weil mir die Suppe verdirbt.“

REŃKA: Du sagst es, Aśka, hier ist das Schwein begraben, weil wir den Hass auf die Deutschen in die Wiege gelegt bekommen haben, aber mit gutem Beispiel schreite ich voran und den Helmut gleich begütige ich: ich bringe ihm die polnischen Gurken und Wurst und Wodka noch dazu und auf gute Nachbarschaftsbeziehungen werde ich mit ihm trinken bis wir beide unter den Tisch fallen, ganz nach polnischer Art! Aber Aśka nimmt die Wurst und die Gurken und versteckt sie in ihrem Bett, unter ihrer Bettdecke, und setzt sich obendrauf.

AŚKA: Nichts gibst du dem. Du weißt doch, wie die polnischen Weiber an der Grenze sagen: die Helmuts sind gekommen, wieder fressen sie uns alles leer. Heile endlich diese Krankheit der polnischen Seele, diese deine Gastfreundschaft!

REŃKA: Aber Aśka, wenn du ihn genau anschaust, diesen Helmut, von einem Polen unterscheidet er sich nicht, sogar den Schnurrbart hat er wie Walesa.

AŚKA: Wieso nimmst du den in Schutz, hat es dich verdreht oder was? Da wird Reńka ganz blass, weil sie alles kann, nur lügen kann sie nicht. Sie krabbelt unter den Tisch, und mit einem schwachen Stimmchen, wie der Vogel, der aus seinem Nest gefallen ist, flüstert sie:

REŃKA: Weil Aśka, eine deutsche Leiche in meinem polnischen Keller habe ich. Weil ich stamme doch aus Posen, und das war eine deutsche Stadt, und mein eigener privater Opa, mein Dziadzia, der wie ein Pflaster für meine Seele war, der war doch ein patentierter Deutscher. Und Aśka sieht aus, als träfe sie ein Schlag.

AŚKA: Dein Opa ein Helmut? Du, meine Reńka, die Slavin in Persona, bist eine Deutsche? Hätte ich nie gedacht.

REŃKA: Ja, Aśka, die Deutschheit habe ich mit der Milch meiner Mutter gesaugt. Und Aśka bekommt eine emotionale Überflutung.

AŚKA: Aber Reńka, wenn du auch ein Helmut bist, dann hat sich doch alles schon vermischt, und dann an dieser deiner zwischennationalen Amnesie beteilige ich mich.

REŃKA: Und Aśka holt aus ihrem Bett die Wurst, packt sie sogar auf einen Teller, und sie fliegt, normal, Richtung Tür, wie ein Torpedo, zu Helmut.

REŃKA UND AŚKA:

UND SO HAT REŃKA AŚKA WEICHGEKLOPFT UND SIE MIT
DEN HELMUTS VERSÖHNT.

Metropolinnen zwischen Aldi und Küche

Aśka & Reńka

UNSER FLEISCH

REŃKA: Weil das war so:

AŚKA: Reńka steht den ganzen Vormittag und den halben Nachmittag in unserer psychodelischen Küche und klopft diese unsere polnischen Buletten aus Fleisch,

REŃKA: Die, die man in meinem Dorf nur für Sonntag macht, na die ganz weichen, die Aśka von der ganzen Welt am meisten mag. Und Aśka fällt ins Haus und schon von der Schwelle reisst sie, wie ne alte Unterhose, das Maul auf.

AŚKA: Reńka, weil ich will jetzt so leben wie die von diesem Kudamm, die mit den Kamelhaarmänteln und dem Teint wie Hochglanzpapier, na die, die jeden Nachmittag sitzen vor diesem Kempinski-Hotel und trinken diesen Bio-Saft, und jeden Tag essen die in diesem Butter-Lindner für diese Feinschmecker. Normal, drei Stunden lang hab ich die observiert, und davon habe ich jetzt Hunger!

REŃKA: Na, Aśka, das ist doch Honig auf mein Herz, weil grad hab ich hier doch gebraten, wie du es am liebsten magst!

AŚKA: Reńka, du hast Läuse auf den Lungen, oder von der Hitze beim Herd ist dein Gehirn geschrumpft, ab heute kannst du selber essen dieses Fleisch aus dem Aldi. Das ist doch vollgepumpt mit diesen ihren Antibiotika und Schlaftabletten, weil aus normalen Tieren ist das nicht. Würmer kriegt man davon!
Und Reńka beleidigt sich tödlich.

REŃKA: Wie du willst Aśka, friss doch nur Grünzeug, Gemüse, und Unkraut noch dazu, wie die Kaninchen auf der Wiese.

AŚKA: Aber Reńka. Ab jetzt gehen wir doch nur noch in diesen normalen Laden!
In diesen echten, mit diesem echten Fleisch, wo es keine Würmer hat und von alleine vor uns nicht wegläuft!

REŃKA: Aśka, dich hats schon total verbogen oder hast du im Lotto gewonnen und versteckst es vor mir. Dieses „echte“ Fleisch ist so kostbar – das ist doch aus Gold und mit Diamanten besetzt – und du denkst, wenn wir gehen in diesen Laden, geben die uns dieses Fleisch umsonst, oder was? Und daraufhin Aśka ins Geheul,

AŚKA: und Reńka schneidet sich das Herz in hundert Stücke.

REŃKA: Aśka komm, flenne nicht wie dieser unser undichter Wasserhahn.

AŚKA: Weil du kapierst doch nicht. Wenn wir diese ihre Lebensqualität nicht haben, dann sind wir doch zurückgeblieben, und in diesen 90% wo die arm sind und nicht in den 10%, dieser Gewinner, wo die diese obere Fettschicht sind. Und auch wenn wir getroffen haben wie das blinde Huhn das Korn und wohnen

REŃKA: einen Mützenwurf von diesem ihren Kudamm –

AŚKA: wenn wir nicht in diesen echten Läden kaufen, normal, gehören wir nicht dazu. Und du wirst sehen, vielleicht schon in drei Monaten, schmeissen sie uns aus der Bude raus, damit der Reichtum hier einziehen kann, weil so ein Gesetz hat sich diese ihre schwarz-gelbe Regierung ausgedacht. „Gentrifizierung“ nennen die das. Und Reńka zum Trost:

REŃKA: Aśka, komm, ich weiss was. Wenn wir schon haben keine Aussicht auf dieses ihr Fleischstück, geben wir uns wenigstens ein Theaterstück. Wir sind doch nicht zurückgeblieben sondern total kulturell. Wenn schon nicht materiell, geistig können wir mithalten.

AŚKA: Und wenn die sehen, dass wir in dieses Theater gehen, dann denken die, wir gehören dazu!

REŃKA: Genau, Aśka, wir wohnen doch gegenüber von diesem Theater auf diesem ihren Luxus-Kudamm, da haben wirs nicht weit, die Beine fallen uns nicht aus.

AŚKA: Reńka, Du hast einen Schädel für das Titelblatt! Wir haben doch diese gefälschten studentischen Dokumente, damit lassen die uns rein für wenig Geld!

REŃKA: Und weil wir jetzt gehen unter die Menschen, und da zieht man sich doch an, geht Aśka, mit Tip-Top, als hätte sie Angst, dass er sie beisst, zu diesem unseren Schrank in der Wand.

AŚKA: Schwanz, nichts mit Theater! Wir können nirgendwo hin, weil sag du mir Reńka, aber frag deine Seele ernsthaft davor, was soll ich anziehen für diese kulturelle Angelegenheit? Der lacht mich doch aus, der Schrank, dass es zu hören ist, bis nach Warschau.

REŃKA: Aber Aśka, wir wohnen doch in diesem deutschen Land, und hier die Hälfte wird kommen in diesen ausgesessenen Jeans und die andere Hälfte wie die Buchhalterin auf ihren ersten Ball. Los, zieh schon an deine gefakten Perlen aus dem Ein-Euro-shop, und du wirst sehen, sowieso werden die denken, dass du aussiehst, einfach „France-Elegance“, normal, wie aus dem Journal.

AŚKA: Und endlich sitzen wir in diesem Theater und natürlich in der ersten Reihe, weil wir müssen alles ganz genau sehen,

REŃKA: weil wir sind doch diese Generation von diesem Fernseher.

AŚKA: Und beide gucken wir wie die Kühe auf das Scheunentor.

REŃKA: Weil diese ihre Schauspieler die haben es ja doof, weil die ihnen befehlen, ein halbes Theaterstück lang, zu Onanieren auf der Bühne, ganz in der Öffentlichkeit,

AŚKA: und dazu noch labern sie diese ihre Theatersprache – immer auf fäkal oder koital.

REŃKA: Und brüllen

AŚKA: als hätten wir denen was Schlimmes getan.

REŃKA: Und Aśka flüstert:

AŚKA: Reńka, ich kapiere gar nichts, von diesem ihren Stück. Und vielleicht ist kein Platz für mich in diesem ihrem Land, und nie werd ich zu der Fettschicht gehören, nicht materiell, und schon gar nicht kulturell.

REŃKA: Nein, Aśka, das ist doch nicht wahr, du hast mehr im Kopf als diese ihre Fettschicht, weil die denken, wenn man schon ist in diesem Theater, muss man sich langweilen, auf maximal, und ein winziges Stück Unterhaltung wäre schon eine Schande und Verbrechen obendrauf.

AŚKA: Und endlich ist es zu Ende, und das ganze wohlernährte Publikum, klatscht los. Und nur wir zwei gucken wie der Hartz-IV-Empfänger vor Butter-Lindner.

REŃKA: Die klatschen nur, weil sie denken, dass es sich gehört, und es muss so sein. Weil die haben Schiss, dass jemand sieht, dass sie nichts kapieren, und noch dazu haben sie dafür bezahlt.

AŚKA: Und wir schleppen uns nach Hause, in diese unsere psychodelische Küche, und Reńka macht sich sofort an diese ihre polnischen Buletten ran, und mit vollem Mund verkündet sie:

REŃKA: Aśka, eins sag ich dir: wenn DAS diese deine Qualität ist, und eine hohe Kultur da steige ich aus – in dieses Theater, da zerrst du mich nicht mal mit einem Ochsen, auch wenn die uns unsere Bude wegnehmen wegen dieser Gentrifizierung, da geh ich nie wieder hin. Da bleibe ich lieber in diesen 90%, und mit dieser deiner Fettschicht bleib mir von dem Leib.
Und Aśka guckt und sieht,

AŚKA: das Fleisch zwinkert mich an, na, normal, diese Fettaugen auf diesen Bouletten, die zwinkern mir zu, wie beim Speed-Dating die alte Jungfrau.

REŃKA: Und Aśka hält es nicht aus, stopft sich eine Bulette rein, und auf einmal lächelt sie von Ohr zu Ohr.

AŚKA: Reńka, wenn du was sagst, lügst du nicht. DAS ist doch die grösste Qualität auf der ganzen Welt, diese unsere polnischen Buletten, so wie du die machst. Und wenn ich schon zu dieser Fettschicht nicht gehören kann, wenigstens ess ich die auf.

REŃKA: Und so hat Reńka Aśka beibgebracht:

REŃKA UND AŚKA:

WENN MAN NICHT HAT, WAS MAN MAG, MAG MAN HALT
DAS, WAS MAN HAT.

Metropolinnen zwischen Bett und Küche

Aśka & Reńka

UNSER DEUTSCHLANDMANN

AŚKA: Weil das ist so: Reńka hat es am blödsten und am schlechtesten aus der ganzen Welt.

REŃKA: Und Schuld daran ist: DER DEUTSCHLANDMANN.

AŚKA: Weil Reńka hat zuviel Patriotismus gefressen und denkt, sie muss so machen wie Wanda, diese polnische Prinzessin, die den Deutschen nicht wollte, und, normal, hat sie sich lieber von der Klippe runtergeworfen, als dass sie den geheiratet hat. Und Reńka trippelt, in diesem ihrem engen Rock, wo der ist die Rache der chinesischen Textilindustrie, damit die EU-Frauen gehen müssen wie die Gejschas.

REŃKA: Ich weiss schon was geht in diesem Deutschland-Mann, der hat eine Tendenz zu extremen Verhalten: Entweder will er wie ’ne wilde Pershing mich knallen, sofort im Club, noch auf den Kacheln, im Klo, und ich muss fliehen wie das Pferd in dem Western. Oder er geht an mich wie der Hund zum Igel, und aus allem macht er gleich ein Partisanenkrieg. Und wie er sich abplagt, wenn er mich einladen will zum Rendez-Vous, als würde er tragen ein Sack mit Zement.

AŚKA: Weil du ziehst dich an wie die Frau von Lukaszenko, wenn die in die Oper geht. Du siehst aus, dass normal „Näher dich ohne Messer nicht“. Und auch wenn schon ein Kamikaze-Selbstmörder würde einfach davonlaufen müssen. Weil wer will schon freiwillig, dass jemand ihm mit dem Messer in Rücken sticht?

REŃKA: Willst du, dass ich gehe, wie die Ratte zur Kanaleröffnung, wie du? Eher sollen mir die Zähne ausfallen. Oh nein, ich bin Polin – noblesse oblige. Aber Aśka hört nicht zu, sie liegt da, wie immer, den Computer auf dem Bauch, in diesen sexuellen Seiten, passion.com oder was:

AŚKA: Du, Reńka, weil hier normal, kann man sich treffen, sogar mit ei’m Paar. Und Reńka wird ganz traurig, am traurigsten auf der Welt, weil sie muss doch, um zu haben diesen Sex, bis nach Polen fahren. Weil sie ist Romantikerin und Traditionalistin, und nur in Polen ist es jedem klar, was er mit Reńka machen soll:

REŃKA: erobern, Blumen, einladen zum Rendez-vous, sich romantisch mit mir unterhalten –

AŚKA: dann kann sie haben Sex, sogar zwei Nächte und drei Tage, non-stop-kolor.

REŃKA: Weil dort alles passiert, wie es passieren soll. Weil in Polen, wenn du am Freitagabend über die Strasse gehst, musst du dich durchschlagen. Weil sie da strömen, ganze Kolonnen, mit Blumen, und manche sogar mit Plüschteddies, zum Date. Und hier – Romantismus haben die soviel, wie die Katze ausheult –

AŚKA: Und Reńka weiss, wieso das so ist.

REŃKA: Weil die gucken nie in die Sterne sondern immer nur unter die Füsse.

AŚKA: Und wenn sie schon nicht unter die Füsse gucken, glotzen sie ihr immer auf den Busen, als hätte sie auf dem Busen ein Fleck.

REŃKA: Und es ist doch seit Hunderten von Tausenden Jahren, dass der Typ einlädt, und der Deutschland-Mann, der ist ein Feigling und hat kein Mut. Und Aśka hat eine Offenbarung, weil sie hat doch immer ein Haufen Ratgeber, normal, wie andere die Bibel:

AŚKA: „DIE ANGST VOR NÄHE, BEZIEHUNGSANGST UND IHRE FOLGEN, DIE SEHNSUCHT NACH DEM STARKEN MANN“.

REŃKA: Und Aśka weiss Bescheid.

AŚKA: Weil du jetzt hier in deren Land wohnst, hast du dir das eingefangen – diese Beziehungsangst. Du, das kriegt man hier wie ’ne ansteckende Krankheit. Die hatte ich auch, und du hast das bestimmt.

REŃKA: Du glaub nicht, was die da schreiben, weil in Sibirien bei Stalin, in den Steinbrüchen, da geb ich den Kopf für hin, dass niemand das hat. Und auch in Polen – da wird einfach geheiratet – da kriegst du n Kind, nimmt man ne Wohnung auf Kredit und da liest man nicht sowas, sondern lebt. Und überhaupt in diesem deutschen Lande bin ich verloren für die Population und Demographie. Und Aśka jammert:

AŚKA: Jedem deutschen Mann müsste man eine Gebrauchsanleitung für Reńka reichen, damit`s was wird. Und Reńka schliesst sich an, an das Jammern:

REŃKA: Und überhaupt, das ist die Schuld von diesen Deutschlandfrauen, die haben so diese Männer gemacht, weil nur in Deutschland ist es so, dass die Frau zum Mann geht und sagt: Wenn du willst, will ich auch.

AŚKA: Aber weil Freitag abend ist,

REŃKA: haut sich Aśka auf den Boden vor den Spiegel, weil sie muss sofort in die Clubs, und schmiert sich, normal, dick auf zwei Finger, diese Lippen, und die Farbe wie der Po von dem Weibchen vom Pawian.

AŚKA: Und Reńka schreit zum Abgang:

REŃKA: Du Aśka, wenn Du ein Date hast, hab lieber Geld, weil du wirst noch bezahlen müssen, nicht nur für dich, sondern auch für ihn. Und die Blume kannste gleich überhaupt vergessen – die hatte schon Recht, die Wanda, die den Deutschen nicht wollte – du weißt wie die Kellner fragen in den italienischen Kneipen: Bezahlen sie normal oder auf deutsch? Und überhaupt: n Typ findet man nicht in der Diskothek – sondern in der Bibliothek!

AŚKA: Und ausgerechnet an diesem Abend

REŃKA: lernt Aśka ihren Freund kennen,

AŚKA: in einer Kneipe die „Muschi“ heisst.

REŃKA: Mutter Gottes, Jesus Christus, und Papst, du polnischer, natürlich. Die Liebe seines Lebens in der Muschi kennen zu lernen, die Aśka, die hatte immer schon Schwein.

AŚKA: Und daraus folgt:

REŃKA: Auch auf der Müllkipppe kannste deinen Zukünftigen kennenlernen. Und die blöde Wanda, die ist nicht ganz dicht unter der Kuppel! Soll die doch erblinden!

Metropolinnen zwischen Kudamm und Küche

AŚKA & REŃKA

UNSER DRECK

AŚKA: Wenn wir um was streiten, dann nur um eine Sache: um die Hygiene.

REŃKA: Weil das ist so, dass es einfach normal die menschliche Vorstellungskraft übersteigt, wie wir uns unterscheiden, wo es um Sauberkeit geht.

AŚKA: Weil Reńka ist auf dem polnischen Dorf groß geworden, und da hat sich ’n Huhn manchmal in das Zimmer verfangen, und natürlich hat es auf den Teppich geschissen.

REŃKA: Aber so n Dreck wie bei Aśka in Berlin hab ich, solange ich lebe, in der ganzen Welt nicht gesehen. Na und an diesem Tag gehen wir spazieren, und diese Aśka, was hat sie da wieder angezogen, diese alte Hose von dem Schlafanzug, wo sie die ganze Nacht mit geschlafen hat, rosa mit Herzen, mit den Löchern. Der Arsch sieht aus wie so `n Sieb.

AŚKA: Und wir laufen so diesen Ku’damm entlang.

REŃKA: Sie neben mir in diesem Hosenlump, einfach Scham wie die Pest, und die nichts, lächelt dümmlich, und hat auch noch gute Laune.

AŚKA: Und wir gucken. Und da auf den Plakaten, so großen, 2 auf 2 Meter oder was, Angela Merkel, so retouchiert, dass sie aussieht, normal, so sauber, als ob sie grad aus der Waschmaschine springt. Und dazu, mit einer ochsengrossen Schrift, steht da: DEN WOHLSTAND ERHALTEN UND MEHREN. Also sagt Reńka:

REŃKA: Aśka, guck du mal zu dieser Angela, guck wie sauber die ist, wenn du die ganze Zeit wie so ne Schlampe gehst, gibt die dir nie ’n Wahlrecht. Und wir kommen in unsere Bude, und dort, wie immer, Dreck, Süff, der Boden grau-schwarz. Es gibt den Verdacht, dass er mal Blau war, aber man kann irren. Spinnweben hängen wie Gardinen, Aśkas Klamotten überall, dazwischen verschimmelte Kaffeetassen – man muss sich mit der Axt den Weg freihacken.

AŚKA: Und Reńka mit Irre im Auge stellt fest, sie will nicht mehr eine beschädigte Mitbürgerin sein, sondern eine echte, mit Wahlrecht und allem, und fängt an zu putzen, eine Riesen-Säuberung, normal, wie ihre Mutter vor Ostern. Den Lappen in der Hand verkündet sie:

REŃKA: Aśka, ich mache hier eine historische Tat. Die Fenster und die Türen, die waren das letzte Mal gewaschen in den 30-er Jahren, als Hitler an die Macht kam. Und Aśka rennt in ihr Zimmer, holt das Feng-Shui-Buch, damit sie auch etwas zu diesem gemeinsamen Putzen beitragen kann.

AŚKA: Und Reńka schrubbt den Herd, bis sie Wunden an den Händen kriegt. Der Schweiss rinnt ihr zum Arsch. Die Reńka, die hat’s wohl gefickt, weil sie den Herd wegschiebt, der hier steht seit sieben, zehn Jahren. Und dann glotzt sie noch dabei, als hätte ich ihr die letzte billige Zigarette aus Polen weggeraucht.

REŃKA: Du, Aśka, ist nicht meine Mission, deine Putzfrau zu sein.

AŚKA: Du, Reńka, du bist wirklich irgendso ’n Wunder von Gott, weil das ist alles wahr, weil Feng Shui sagt auch: Dreck verklebt die Energie. Und REŃKA überflutet das Blut:

REŃKA: Du Feng-Shui, guck, her, unter den Herd, was wir hier züchten, diesen Amazonasdschungel, nix Feng-Shui. Ich wusste nicht, dass noch etwas ausser dir in der Bude so lebend blüht. Das bewegt sich, es stinkt, es sollte Miete zahlen.

AŚKA: Und jetzt gibt es aber keine Zeit zum Streiten, weil auf einmal sagt das Radio, dass diese Partei, normal, die von den Skins, die rechte, hat Briefe geschickt, an ausländische Politiker, dass sie sie abschieben wird. Die türkischen, polnischen, alle weg, ab nach Hause.

REŃKA: Siehst du Aśka, was hab ich gesagt, wenn sie die abschieben können, dann uns auch.

AŚKA: Und Reńka, angepisst wie eine Messerschmitt, rauscht aus der Küche, ab in das Wohnzimmer, haut sich auf die Knie, und schrubbt, als hätt sie eins draufgekriegt, den Boden. Sie sieht aus wie so ne Märtyrerin von Christus. Und plötzlich hält sie in den zwei Fingern irgendso ’n amtliches Dokument. Freizügigkeitsbescheinigung.

REŃKA: Von Aśka die, mit gelben Katzenpipi voll! Und Aśka steht zufrieden inmitten des Zimmers, hat sich ’n Brot geschmiert mit Tomate, und frisst und sagt:

AŚKA: „Oh, das hab ich schon lange gesucht.“

REŃKA: Aśka, wenn die hier aus dem Deutschland das sehen, dass du auf ihre Dokumente pisst, kriegst du nie im Leben Hartz IV. Und das Wahlrecht kannst du gleich vergessen. Aber Aśka legt sich wieder, wie immer, in ihr rosanes Puff-Zimmer, in ihr Bordell, auf den Berg ihrer dreckigen Klamotten, zwei Meter hoch, macht den Computer an, weil sie ist doch abhängig, und steckt dabei die Nase in ihre dreckigen Socken.

AŚKA: Und Reńka stopfts zu, wie sie die Regale sieht, weil da:

REŃKA: rosa Staub. Zwei Finger breit und fettig wie Butter. Auf einmal Aśka ins Geheul:

AŚKA: Du, Reńka, komm schnell. Reńka kommt, guckt, sieht:

REŃKA: auf dem Display n rotes Plakat, von dieser Partei von den Skins, und auf ihm eine riesige Aufschrift:

AŚKA: POLEN-INVASION STOPPEN.

REŃKA: Aśka, ich rate dir gut, steh auf und putz, sonst kannst du gleich, wenn sie uns abschieben, mit diesem rosa Staub die Reisebrote schmieren.

AŚKA: Und aus dem Ganzen Reńka muss pinkeln, damit sie nicht ein hysterischen Anfall kriegt, läuft ins Bad, und dort:

REŃKA: Meine Gläser! In dem Wischeimer, in welchen ich gerade den Dreck aus dem schmutzigen Boden gewrungen hab, Schüsseln und Teller, am Einweichen, saugen sich voll mit Bazillen. Und Aśka trottet hinter mir her und grinst stolz,

AŚKA: und Reńka brüllt:

REŃKA: Du Aśka, bete um gesunde Beine, weil für den Verstand ist es zu spät. Und Aśka sagt, mit einem Riesenlächeln auf dem Gesicht, dass sie sich doch schon vorbereitet, und nächsten Mittwoch spült sie es.

AŚKA: Und Reńka sinken die Pfoten:

REŃKA: Du, Aśka, du lieber sagst nichts mehr, nimm die Alditüten mit dem stinkenden Müll und hop runter damit. Aber Aśka haut sich in den Stuhl, erstrahlt wie die Sonne und sagt:

AŚKA: Aber warum denn? Das ist doch UNSER Dreck, das ist doch das einzige Wohl das wir haben. Und Angela Merkel hat doch auf dem Plakat stehen, dass wir den Wohlstand erhalten und mehren sollen.

REŃKA und AŚKA: Und so hat Angela Merkel Reńka beigebracht, mit Aśkas Dreck zu leben.

Metropolinnen zwischen Krieg und Küche

Heute lesen Aśka & Reńka in der Regenbogenfabrik. Und hier der zweite Text aus der Reihe Metropolinnen.

UNSER KRIEG

REŃKA: Na, weil das ist so:

AŚKA: Wir kommen immer überall zu spät, weil natürlich wir immer morgens in dieser unserer psychodelischen Küche rumsitzen.

REŃKA: Na und Kaffee kochen wir.

AŚKA: Reńka trinkt Saft,

REŃKA: und Aśka isst sogar Brote.

AŚKA: Und besonders wenn wir wohin rausgehen und nicht zuspät kommen sollen, kommt uns dieses Thema in den Kopf.

REŃKA: Und es ist sehr wichtig.

AŚKA: Weil es geht um Krieg.

REŃKA: Der wird doch bald ausbrechen, und man muss n Plan haben.

AŚKA: Also wir beide haben schon ausgearbeitet so n Plan. Und jetzt sind wir ruhig, weil wir wissen, dass wir diesen Krieg überleben.

REŃKA: Die Rollenverteilung wird so:

AŚKA: Also Reńka kann nähen, und überhaupt was kochen, und dazu noch kann sie irgend so n Garten bestellen.

REŃKA: Also unten im Hof bestellen wir so n Gärtchen, na, normal, alles. Kartoffel, Schnittlauch und so Zeug.

AŚKA: Oder noch besser – wir machen so n Kurs und Reńka lernt, wie Suppe zu machen ist aus Birkenblättern oder Gulasch aus Wurzeln und Gras.

REŃKA: Und so wird es immer was zum Mittag geben. Und man weiss, dass es keine Läden geben wird mit Kleidung.

AŚKA: Aber Reńka näht alles, sogar mit der Pfote.

REŃKA: Aber auch Aśka hat ne Aufgabe. Sie hat da so ihr Erkennungszeichen: und das sind rote Lippen, die in unserer ganzen Bude rumhängen, im Flur, als Bilder, und sogar auf den Kacheln in der Küche. Sie wird also die Flyer machen – für die Jungs aus unserer Widerstandsbewegung. Und auf jeden Flyer mit angemalten Lippen wird sie ’n Kuss raufdrücken.

AŚKA: Na, um so irgendwie moralisch zu unterstützen, unsere Krieger –

REŃKA: mit diesen Lippen, die so sexuell aufgeblasen sind. Und Aśka hat doch vor diesem Krieg so Angst, dass sie gar nicht das Haus verlassen wird.

AŚKA: Also wird Reńka, unterwegs zu der Fabrik, wo sie die Uniformen näht, so ganz nebenher, die Küsse verteilen. In der U-Bahn legt sie sie aus, gibt sie allen, so halt, weil sie wird keine Angst vor dem Besatzer haben.

REŃKA: Garantiert nicht. Und überhaupt dieser Krieg, der da kommen wird, 2016, der wird nicht so normal sein, sondern hegemonisch.

AŚKA: Und das heisst nicht, dass Polen mit den Deutschen kämpft, wie normalerweise, oder was?

REŃKA: Nein, zwei ganze Kontinente werden beteiligt sein. Weil genau das hat der hegemonische so an sich. Und Aśka, die hat Angst, dass es schon so nah ist,

AŚKA: schon in 7 Jahren, da ist es doch besser, gar nicht mehr aus dem Bett aufzustehen, gleich sich in das Laken einwickeln und zum nächsten Friedhof kriechen.

REŃKA: Aber ich, Reńka, sage ihr: dass es nicht meine Schuld ist, und ich keinen Einfluss drauf habe, weil das alles aus der Super-Zyklus-Theorie hervorgeht. Das heisst, dass dieser Krieg kommt, in abgezählten zeitlichen Abständen.

AŚKA: Und den nächsten Termin hat er 2016.

REŃKA: Und da ist nichts zu machen.

AŚKA: Na und wir trinken schon diesen dritten Café, den löslichen, aus Aldi, von dem vielleicht schon noch vor dem Krieg wir diesen Krebs kriegen und Reńka erklärt, dass das alles logisch ist und alles stimmt.

REŃKA: Weil Nostradamus hat es auch so gesagt, und genauso ist es in den Vorhersagen aus Fatima. Die, die der Papst im Vatikan unter Schloss verschlossen hält, so schrecklich sind sie. Und dort steht geschrieben, wie der Kuh aufs Maul, dass die kleine Rasse wird durch die Russen durchgehen, und alles unterwegs verbrennen, bis sie zu uns nach Berlin kommt. Und Aśka verschluckt sich fast an ihrem Käsebrot, und fragt,

AŚKA: was das denn so heissen soll, angeblich. Und Reńka sagt:

REŃKA: Wenn die kleine Rasse, dann ist es doch wohl klar, dass es um die Chinesen geht. Die haben in ihrem Haushalt den Kapitalismus UND politische Diktatur, einfach total gefährlich sind sie. Und Aśka sagt, sie mag die Chinesen nicht mehr, und Angst hat sie.

AŚKA: Und Reńka hat auch schon Angst, aber wegen etwas ganz anderem, wegen dieser Situation der Männer in der westlichen Welt.

REŃKA: Auf den ersten Augenwurf schon, sieht man doch, dass sie so irgendwie rachitisch sind.

AŚKA: Weil als einmal unsere rote Katze Rasputin ne Taube attackiert hat, und die Taube lag so, halb-tot, im Hof, dass man sie zu Ende totschlagen musste,

REŃKA: da haben, voll bekloppt, irgendwelche aus unserem Haus, alles Männer mit vollem Maul, sie in einer Schüssel ertränkt, und das Wesen musste leiden, statt dass sie ne Axt nehmen und ihm schnell – hop – den Kopf abhauen. Das wäre schmerzlos.

AŚKA: Und Reńka nervt sich, dass sie nicht sie holen gekommen sind, weil sie ist vom Dorf, und ihr Opa hat es so gemacht,

REŃKA: und das war ein starker Mann, und humanitär.

AŚKA: Also kann es sein, dass Reńka sich in diesem Krieg auch noch schlagen muss, mit dieser kleinen Rasse,

REŃKA: obwohl das in keiner Vorhersage so steht.

AŚKA: Und dann, wenn sie zurück kommt von dieser Schlacht, abends, voll fertig und dreckig, muss sie diese ganzen Typen noch trösten.

REŃKA: Na die aus unserem Haus, die nicht mal wissen, wie man ’ne Taube fertig kriegt. Und Aśka jammert die ganze Zeit, dass erstens sie gar nicht klarkommt in diesem Krieg, und zweitens, dass sie doch nicht überleben wird, weil sie ja nichts kann. Und plötzlich blitzt Intelligenz in Aśkas Gesicht, sie stellt sich vor diese unsere Spüle, nimmt so ein riesiges Glas, das 2 Liter fasst, in die Hand, giesst es mit Wasser voll, und in einem Schluck trinkt sie es aus, und gleich giesst sie es nochmal voll. Und Aśkas Plan ist so, daß wenn sie aus den ganzen Rohren ganz Berlins das ganze Wasser austrinkt,

AŚKA: werde ich so saubere Nieren haben, dass wenn Reńka verwundet wird, gebe ich ihr eine blitzklare Niere, und so rette ich sie. Na, und ich werd ’ne Beteiligung haben.

REŃKA: Aber vorerst sitzt sie die ganze Zeit in diesem Bad und pinkelt. Und immer ist besetzt,

AŚKA: und Reńka kann nicht rein.

REŃKA: Und deswegen kommen wir immer überall zuspät.

AŚKA: Aber das ist egal, weil wir habens so oder so am Besten in der Welt.

REŃKA: Weil wir sind vorbereitet.

AŚKA: Und alle werden uns beneiden.