9-Euro-Ticket (5)

Christine Ziegler

Liebe Ewa,

in Duisburg wird aus BVG die DVG und wieder reisen wir mit unserem heimischen Ticket. Heute hat uns die „D-Bahn“, die zwischen Düsseldorf und Duisburg verkehrt, in die Innenstadt gebracht. Wir besuchten das Museum Küppersmühle (https://museum-kueppersmuehle.de/).

Kunst aus Deutschland nach 1945 wird gezeigt. Ziemlich reiche Sammler haben es sich leisten können, eine alte Speicheranlage ganz und gar prächtig auszubauen zu erweitern.

Bernhard Heiliger (Foto Christine Ziegler)

Das Gebäude ist absolut faszinierend.

Die Anbauten von Herzog und de Meuron haben nicht nur die alten Gebäudeteile (Mühle und Speicher) wunderbar ergänzt. Vor allem die Treppenhäuser hatten es mir angetan.

In der Ausstellung waren auch Fotos von Bernd und Hilla Becher und da gab es ein Foto vom alten Elewator-Gebäude.

Der Weg zwischen Neu- und Altbau führt mitten durch den alten Speicher. Ich wünschte, sowas könnte ich fotografieren. Selber schauen kann ich nur empfehlen.

Liebe Grüße

Christine

9-Euro-Ticket (3)

Christine Ziegler

Ja, auch das ist 9-Euro-Ticket

Liebe Ewa,

die Langstrecke Berlin – Pfalz haben wir natürlich mit einem schön früh gebuchten Fahrschein absolviert. Doch als wir mal in der Pfalz angekommen waren, sind wir tagtäglich von Landau aus mit Bus oder Bahn zu den schönsten Wanderrouten gefahren.

Auf dem Weg nach Kaiserslautern war es dann besonders nett. Da wurden wir nämlich auch mal kontrolliert. Und trotz Maske war zu sehen, dass sich die Schaffnerin freute, dass sie Gäste aus Berlin im Zug hatte. Sie fragte uns aus, was wir so machen und schwärmte davon, auch bald mal nach Berlin zu fahren. Wirklich: bin schon lang nicht mehr so gerne kontrolliert worden!

Es ist eine feine Sache, allüberall im Land für jeden Bus, für jeden Zug ein gültiges Ticket zu haben. Einfach einsteigen, das war noch nicht mal in den Förderbedingungen für die BahnCard 100 enthalten.

Schiefgehen kann es mit der Bahn natürlich auch: Am Sonntagmorgen wurde uns verkündet, dass der Zug nach Bern verspätet eingesetzt wird, er war einfach noch nicht fertig geputzt. Alles steigerte sich ins Absurde, als am Gleis eine Zugdurchfahrt angekündigt wurde. Dieser Zug rollte auch gleich herein in den Bahnhof – und blieb stehen. Ok, also doch unser Zug? Alle schnappten Kind und Kegel und enterten den Zug, um dann verunsichert in der Tür stehen zu bleiben. Den ganzen Bahnsteig entlang, alle zwischen Tür und Angel. Da trabte J. zum Zuganfang, wenigstens der Fahrer musste doch wissen, was es mit dem Zug auf sich hatte. Nach gefühltes zehn Minuten Rätselraten war dann geklärt, dass dies ein Zug nach Frankfurt sei, der müsse aber mit der Abfahrt warten, bis der Zug nach Bern sich auf den Weg gemacht hat. Aber wohin kommt nun der Zug nach Bern? Keiner hatte Ahnung, auch nicht die Schaffnerinnen, die auf ihren Zug warteten. Na dann endlich die Auflösung am Gleis „direkt gegenüber“:
Ach, endlich dann ein Platz ergattert und das ruhige Leben an Bord konnte einsetzen.

Doch dann wurden die Informationen immer wilder. Wann würden wir in Heidelberg sein? Welche Anschlüsse können wir erreichen? Ab Hanau war keine Gewissheit mehr. Frankfurt selber wurde nicht angefahren, irgendwo wird gebaut. Die DB-App behauptete steif und fest die alten Zeiten, die längst nicht mehr erreichbar waren. Plötzlich fuhr nach Frankfurt Süd der Zug noch durch Mannheim, ohne zu halten. Aber wieso? Jetzt war selbst der Schaffner baff. Später hörten wir von Feuerwehreinsatz am Gleis. In der Nähe von Darmstadt war ein Weizenfeld in Flammen aufgegangen.

In Heidelberg war jegliche Gewissheit über hereinkommende Züge zu Zeit und Gleis ausgesetzt. Die Hitze war unerträglich, das Gepäck schwer, die Kinder müde, eine unglaubliche Melange. Und alle treppauf, treppab auf der Suche nach dem verlegten Zug.

Doch waren es dann doch nur zwei Stunden, in anderen Gegenden der Welt kann das noch ganz anders enden.

Ist das der Sommer, in dem wir lieber zuhause bleiben? Die, die noch fliegen, können sich im Moment auch nicht sicher sein, ihren Flug tatsächlich angeboten zu bekommen. Zu wenig Personal für Service und Sicherheit. Die Ferien beginnen und die Staumeldungen vervielfachen sich.

Und trotzdem, der Tapetenwechsel tut der Seele gut.


In der Pfalz leben liebe Freude, manche kenne ich schon seit den 80er Jahren. Im Wald sein war sowieso eine Erholung. Die gelegentlichen Aussichten immer eine Freude. Jedes Mal, wenn ich die erste Hügelkette erklommen hab und ins weite Waldland schaue, werde ich ganz froh und glücklich. Na und Essen und Trinken ist dort auch von bester Qualität. Lange Gespräche in lauen Sommernächten, wir hatten von Allem das Beste. Pünktlich um viertel nach zehn flog die Eule jeden Abend über das Haus.


Neun-Euro-Ticket ist super, wenn es genug Züge und genug Personal gibt. Wenn die Bahn auch in die Lage versetzt wird, unserer Reiselust zu begegnen. Die meisten, die wir trafen, hatten Spaß an ihrer Arbeit und behielten trotz Hitze und genervter Menschen ringsum die Contenance. Ok, nicht alle, einen Stinkstiefel haben wir in Neustadt schon auch getroffen. Aber die Aufgabe war durchaus schwer. Da stand der ersehnte Zug am richtigen Gleis und sollte plötzlich nicht mehr im Einsatz sein? Alle wieder raus, wieso das? Antworten gab es da sowieso nicht, nur schlechte Laune.

Doch sowas gleich doch die Schaffnerin bei Kaiserslautern locker aus, oder?

Liebe Grüße

Christine

Wir(r) und der Krieg

Wie immer, wenn etwas Wichtiges passiert, versuche ich auf dem Blog den Schritt mit der Zeit zu halten. Und wie immer, das wichtigste scheint mir, was Ihr, meine Leser, darüber denkt. Es waren schon Elżbieta Kargol, Joasia Rubinroth und Michał Talma-Sutt mit ihren Gedanken hier. Heute präsentiere ich zwei weitere Reaktionen von Euch – ein Foto von Krzysztof Pukański und einen Brief, den ich per Mail von Christine Ziegler bekommen habe. Ihr seid alle gebeten, Eure Gedanken mit uns zu teilen.

Eure Administratorin

Krzysztof Pukański

Die Franziskanerkloster-Ruine in Berlin Mitte. Das Foto hat Krzysztof Pukański 2014 gemacht. Als wir am Wochenende seine Bilder sortiert haben, schaute er es an und sagte nur ein Wort: Ukraine.

Christine Ziegler

Liebe Ewa,

das ist nun unser Balanceakt, den wir zur Zeit vollbringen müssen. Das eigene Leben nicht verlieren, uns darauf konzentrieren. Und gleichzeitig nicht aus den Augen verlieren, wie nun die Welt sich ganz neu formiert.

Es ist Krieg und ich begehr, nicht schuld daran zu sein. Das war schon ein Stoßseufzer im 30-jährigen Krieg und in der Beziehung hat sich nichts geändert bis hin zu uns. Denn natürlich sind wir Menschen miteinander verwoben und was wir dem Menschen gegenüber antun, tun wir uns selber an.

Meine Freundin Moni wohnt nicht weit von Ramstein, sie kann den Krieg hören. Sie erzählt von ihren Söhnen, Wehrdienstverweigerern, die jetzt überlegen, wo sie wohl schießen lernen können, um ihre Familien verteidigen zu können. Was natürlich bei einem nuklearen Angriff Quatsch ist, wie sie resümmiert. Es gehe wohl mehr darum, sich nicht hilflos zu fühlen. Ja, da gehe ich ganz mit ihr, es geht im Moment darum, sich nicht hilflos zu fühlen. Fatalerweise suggeriert schießen können einen Ausstieg aus der Hilflosigkeit. Wenn wir in all der Misere vielleicht ein Quentchen Glück haben, dann bringt uns dieser abartige Konflikt vielleicht doch bei den erneuerbaren Energien voran. Aber wer weiß, vielleicht auch nur dreckiges LNG (Liquefied Natural Gas, verflüssigtes Erdgas – Weiteres dazu HIER – Anm. der Administratorin).

Und jetzt werfen sie bei ihren Reden im Bundestag mit unglaublichen Summen um sich und wollen der Bundeswehr alles vorn und hinten reinschieben, geht’s noch? Das wird schwer hier rational gegenzuhalten.

Wenn nix mehr geht, noch was zum Schmunzeln:

Das ist die Serie, in der Wolodymyr Selenskyj den ukrainischen Präsidenten gespielt hat. Ach, die kennst du sicher sowieso. Ihm wurde ja oft sein Dasein als Commedian negativ angekreidet, aber verflixt, Reagan war auch vorher Schauspieler…

Ach, sagt ein Freund, der grad in Afrika ist, hätte er doch vorher angeschaut, was aus dem Schauspieler Reagan geworden ist.

Auf jeden Fall ist das Thema Inszenierung wieder vollkommen virulent. Da ist dann allerdings Putins Inszenierung hoffnungslos oldschool. Doch dann wird Krieg nicht allein mit Öffentlichkeitsarbeit gewonnen, Wirtschaftskraft und Rüstung und schlichte Mehrheiten sind dann doch ausschlaggebend.

Wie finden wir den Pfad, auf dem wir weiter unser Leben leben können, uns gegenseitig stärken können, ohne dem jeweils aktuellen Darth Vader anheimzufallen. Krieg ist unerbittlich und lässt ein sowohl als auch schlecht zu. Entweder bist du für mich oder gegen mich. Dabei ist die Weisheit von Karl Kraus weiterhin hochaktuell: “Krieg – das ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.”

Die Sonne scheint zum Glück auch heute und inzwischen werden nicht nur HartzIV-Empfänger:innen dazu aufgefordert, einen Pullover mehr anzuziehen und mit der Bahn zu fahren ;-))

Rede ich wirr?

Liebe Grüße

Christine

Ewa Maria Slaska

Nein, liebe Christine, Du redest nicht wirr.

***

Aus Polen:

Eduard Koller

The most beautiful photo I’ve seen today: Polish moms left strollers at the train station, for Ukrainian moms who may need them when they arrive in Poland with kids. 🇵🇱🇺🇦

Zróbmy to zatem sami

Christine Ziegler

Dann machen wir’s halt selbst – 40 Jahre selbstorganisierte Räume in Berlin

Herzliche Einladung zur Eröffnung am
Do., 28.08.2021 | 19 Uhr

Mit: Casa Kuà, HeileHaus, Kinderbauernhof am Mauerplatz, Regenbogenfabrik, Schokofabrik

Eröffnung Donnerstag, 26. August, 19 Uhr

Ausstellungsdauer: 27. August bis 12. Dezember 2021

Öffnungszeiten: Di-Do 12 – 18 Uhr / Fr – So 10 – 20 Uhr

www.dann-machen-wir-es-selbst.org

Bitte beachten Sie die aktuellen Covid-19 Regelungen.

FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Adalbertstr. 95a
10999 Berlin
fhxb-museum.de

In selbstverwalteten Initiativen drücken wir unsere Wünsche und Hoffnungen auf eine Stadt für alle aus. Fünf selbstorganisierte Projekte blicken zurück auf ihre bewegte, manchmal auch noch sehr junge, Geschichte, auf interne Konflikte und die gesellschaftlichen Kämpfe, in denen sie sich positionieren. Mit “Dann machen wir’s halt selbst” fragen wir in Form einer Ausstellung, wie in dieser ökonomisch unter Druck geratenen Stadt selbstorganisierte Räume politische Möglichkeiten offenhalten.

Projektgruppe “Dann machen wir’s halt selbst”: Heike Böziger, Barbara Bohl, Anke Peterssen, Hermann Schlegel, Andy Wolff, Christine Ziegler
Kuratiert von: Inga Zimprich
Websitegestaltung: Judith Fehlau
Ausmalbilder von: Burcu Türker
Ausstellungsdesign: Inga Zimprich

“Dann machen wir’s halt selbst” wird unterstützt von Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt, Senatsverwaltung für Kultur und Europa Berlin, Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

****

We’ll do it ourselves, then

– 40 years of self-organised spaces in Berlin

With: Casa Kuà, HeileHaus, Kinderbauernhof am Mauerplatz, Regenbogenfabrik, Schokofabrik

Opening: 26 August, 7pm
Exhibition duration: 27 August – 12 December 2021
Opening hours: Tue – Thu, 12 – 6pm / Fri – Sun, 10 – 8pm

www.dann-machen-wir-es-selbst.org

Please note the current Covid-19 regulations.

FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Adalbertstr. 95a
10999 Berlin
fhxb-museum.de

In taking part in self-organised projects, we express our wishes and our hopes for a city belonging to all. Here five self-managed projects look back on their eventful, sometimes still very young, histories, on internal conflicts, and on the social struggles in which they position themselves. With “We’ll do it ourselves, then” we ask, in the form of an exhibition, how self-organised spaces keep political possibilities alive in a city under huge economic pressure.

*****

Zróbmy to zatem sami

– 40 lat samorządnych przestrzeni w Berlinie

Pięć projektów: Casa Kuà, HeileHaus, Kinderbauernhof am Mauerplatz, Regenbogenfabrik, Schokofabrik

Otwarcie: 26 sierpnia o godzinie 19
Czas ekspozycji: 27 sierpnia – 12 grudnia 2021
Godziny zwiedzania: Wt – Czw, 12 – 18 / Pią – Nie, 10 – 20

www.dann-machen-wir-es-selbst.org

Prosimy o przestrzeganie aktualnie obowiązujących przepisów Covid-19.

FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Adalbertstr. 95a
10999 Berlin
fhxb-museum.de

Biorąc udział w samorządnych projektach, dawaliśmy wyraz naszym potrzebom i nadziejom, że nasze miasto należy do wszystkich. Pięć takich samozarządzających się projektów ocenia swoją pełną wydarzeń historię, niekiedy całkiem niedawną, w której pomiędzy konfliktem wewnątrz grupy, a walką o realizację celów społecznych, kształtuje się ich osobowość. Poprzez wystawę “Zróbmy to zatem sami” próbujemy zastanowić się nad pytaniem, jak samorządne zarządzanie przestrzenią może wspierać politykę komunalną w mieście w czasach silnych nacisków ekonomicznych.

Instagram   Facebook   Twitter   Unser Blog

Die längste Sekunde meines Lebens (Erkundung der Stadt)

Christine Ziegler

Die längste Sekunde meines Lebens, sagt man so.

Jetzt weiß ich, dass das stimmt. Dieses subjektive Gefühl, das so gar nichts mit dem zu tun hat, was rings um dich abläuft. In stiller Verwunderung stellst du fest, dass du jetzt bremsen musst und realisierst, dass das nicht stattfindet.

Und nun? Werde ich wieder aufs Rad steigen können?

Na ja, erst mal lernen, wieder ordentlich zu schreiben, eines nach dem anderen, nicht zu ungeduldig sein.

Berlin, Ende November, ein trüber Tag. Ich bin auf dem Heimweg von Steglitz, mit dem Rad. Woher kommt plötzlich dieses Auto vor mir? Falsche Frage. Warum hab ich nicht gebremst? Weiß ich nicht. Handschuhe zu dick? Sicht behindert? Einfach geträumt?

Der Blinker splittert. Irgendein Instinkt hat mich bewogen, das Rad noch am Auto vorbei zu lenken. Nicht dass da noch Platz gewesen wäre, da stand ja noch ein Auto auf dem Parkstreifen.

Woran hatte ich gedacht? Wie schön der Winterabend ist? Wo ich heute noch Briefmarken herbekomme? Was ich am Abend noch machen will? Ist auch alles weg aus meinem Kopf.

Die Hand erhoben, ein Versuch, den Aufprall noch abzufangen. Sieht erst mal erfolgreich aus. Ich komme zum Stehen.

Was ist das jetzt? Weshalb kann ich mit der Linken mein Rad nicht halten? Wie komme ich jetzt runter vom Rad?

Ab sofort geht nichts mehr ohne Hilfe. Der Rettungswagen wird gerufen, Polizei kommt hinzu, ich sitze verstört neben der Trage im roten Auto, die Rettungssanitäter als Hüter um mich herum. Nach einer Weile fahren sie mich ins Krankenhaus.

Das Rad bleibt zurück, angeschlossen an ein Straßenschild, die Nachbarin wird es später abholen.

Sie fädeln mich ein ins Hilfesystem, Daten werden aufgenommen, der Blutdruck gemessen, von irgendwo her kommt ein Kühlpad. Wie groß sind die Schmerzen auf einer Skala von null bis zehn? Was kann ich da sagen?

Nun denn. Erfahrene Rettungsleute sehen meinem Handgelenk schon an, was passiert ist, doch die Röntgenaufnahme bringt dann endgültig die genaue Auskunft: Bruch der Speiche direkt am Handgelenk.

Der Körper ist ein Wunder! Gleich nach dem Bruch fängt die Gesamtheit der Zellen schon an, aufzuräumen. Die Chirurgen helfen „nur“, dem Umbau ein bisschen Struktur zur Seite zu stellen. Wieso weiß so ein Knochen, wie er wieder zusammen kommen soll? Da kommen die Fresszellen und hauen weg, was an Durcheinander entstanden ist. Großes Räumkommando. Dann kommen die Aufbauer und wuchern erst mal wild vor sich hin, um die beiden Teile zu verbinden, ein Kallus entsteht. Erst später kommt Struktur in die Sache. Druck und Zug erzeugen die wunderbare Architektur des Knochens. Wo braucht es noch Material, wo kann es wieder weg.

Das geht nicht von heute auf morgen, jetzt die richtige Balance finden. Nicht überfordern, doch auch nicht nur stillhalten.

Wann sitze ich wohl wieder auf dem Fahrrad?

Eigentlich wollte ich doch eine Jubelgeschichte schreiben auf das Radfahren. Ein Emanzipationsgerät viele mutige Frauen haben davon profitiert. Jetzt muss ich einen Neuanfang wagen, den ich mir jetzt noch nicht vorstellen kann.

Das Radfahren kam nicht so leicht zu mir. Die ersten Übungen auf einer Terrasse, immer direkt auf die Treppe nach unten zu. Ich hatte schon auch Angst. Und irgendwann der Triumph, die Balance funktioniert, es braucht keine Halter und keine Stützräder. Ich fahre, ich fliege!

Ein Können, das erst mal nicht zum Zuge kam. Bis ich die Fähigkeit als Möglichkeit erkannte, mich vom unzulänglichen Busverkehr in der niedersächsischen Pampa unabhängig zu machen. Kampf gegen den Wind, der im Norden immer von vorne kommt. Nächtliche Touren, um die Freiheit auszubauen. Große Ermöglichung.

In der großen Stadt war damit erst mal Ende. So viel Verkehr, wie abschreckend. Und außerdem eine U-Bahn, die einen überall hinbringt, wie bequem.

Dann der gute Weg nach Wilmersdorf, der Verkehr konnte mir egal sein. Und ich hatte wenigstens ein bisschen Ausgleichssport.

Studium, der weite Weg nach Zehlendorf, kein Gedanke dran, das mit dem Rad zu bewältigen. Und sowieso musste ich immer noch Lektüre nachholen.

Sheffield, die großen Steigungen haben mich erst entmutigt, doch dann war es das beste Mittel, um durch die Stadt zu kommen. Bis das Rad unter die Räder gekommen ist, zum Glück ohne mich. Der Landlord hat es repariert, wie großartig!

Am Ende des Jahres die Tour durchs Land nach Harwich, um dort die Fähre nach Hamburg zu erreichen. Die Straßen gehörten mir, was für eine Freiheit.

Fahrrad im Urlaub, die Flüsse entlang. Der wunderbare Wechsel von Natur und Stadt, Staunen an Ökologie und Kultur.

Fahrrad für die kleinen Wege im Alltag. Kreuzberg liegt so manchmal doch noch in der Sackgasse, die Nachbarbezirke sind oft nur mit Umwegen erreichbar.

Die BVG hat mir wieder aufs Rad geholfen! Eine Woche Streik und ich musste doch nach Siemensstadt. Wieder eine Schneise durch Berlin gefunden, der großartige Weg über Charlottenburg und immer entlang der Spree. Freiheit!

Ja und wieder ein Rückschlag. Die Operation am Magen hat mich ängstlich gemacht, vom Rad wollte ich lange nichts wissen. Dann keine Zeit, dauernd anderes zu tun.

Ausgerechnet Corona hat mir wieder in den Sattel geholfen. Die Abstände waren einzuhalten, die U-Bahn war ein spooky place geworden. Freiheit und Genuss, die Gedanken machten Luftsprünge, das lüftete durch.

Ja, da schließt sich der Kreis. Jetzt ich bin sicher, ich werde wieder auf den Sattel steigen. Ich habe so oft wieder angefangen. Und jetzt weiß ich, was es mir Gutes getan hat.

O pewnej niedzieli w Berlinie / Über einen Sonntag in Berlin

Anna Kuzio

Niedziela 25 kwietnia 2021

Wstałam dziś przed siódmą rano. Czemu? Sama nie wiem. Podeszłam do okna w kuchni i zobaczyłam krążące nad drzewami ptaszyska. Sześć wron i dwie sroki, z wrzaskiem okrążały lewy narożnik hali. Widzę ją z okien.
O, kuna, pomyślałam. Tym razem to nie one, tylko ktoś inny wyjada wronom małe.
Za chwilę zobaczyłam coś szarego, co sobie spokojnie szło trasą, którą normalnie o tej porze przemierza wiewiórka w wielkim pędzie. Tylko, że ona pokonuje tę odległość z prawej na lewą. A to coś szło z lewej strony. Coś co wyglądało z daleka na wielkiego kota, okazało się jednak szopem-praczem.

Wszystkie zdjęcia autorka

Tydzień temu, jak sroki zrobiły przelot i inspekcję drzew, to cały ptasi świat umilkł. Zapanowała śmiertelna cisza. Wszystkie stworzenia się pochowały, a dwie sroki w ogromnym tempie przelatywały po drzewach z lewej na prawo, latając od góry do dołu i szukając gniazd, z których mogłyby powybierać jajka i pisklaki. Ptasi świat zamarł z przerażenia. Dziś te paskudy połączyły się z wronami i w obliczu grożącego im niebezpieczeństwa poszukały współpartnera w celu odstraszania wroga.

A szop-pracz, nic sobie z tych wrzeszczących nad jego głową ptaszydeł nie robiąc, powędrował dalej, na drugi koniec hali.

Po kilku minutach tam zrobiło się głośno. Ptaki przy innych drzewach wzbiły się w powietrze i krążyły nad głową napastnika, próbując go odgonić. Tymczasem wiewiórka, która zawsze o tej porze pokonuje dach z prawej na lewo, ostrzeżona tumultem, po cichutku przebiegła jezdnią.

Jak już się wszystko uspokoiło i natura wróciła do jako takiej równowagi, to zaniosłam wróblom ich śniadanie i dzień potoczył się jak co dzień.

Muszę przyznać, że mnie ten szop-pracz zaskoczył, wdrapując się na komin, bo nigdy nie widziałam żadnego ptaka, który by tam szukał schronienia, więc i gniazda tam nie podejrzewałam. A jednak coś tam musiało być fascynującego. W jego mniemaniu przynajmniej.

No tak, kto rano wstaje, ten… ogląda ciekawe zdarzenia.

Serdecznie pozdrawiam z centrum Berlina.

Gołąbek został przez autorkę nazwany gołąbkiem pokoju, te natomiast dostały tytuł fucking pigeons 🙂

***

Christine Ziegler

Sonntag, 25. April 2021. Handschuhwetter

Ende April – immer noch Handschuhwetter. Bin auf dem Weg zum Flughafen Tegel. Hier fliegen nur noch die Raben. Wir Menschen reihen uns still in die geschickt angelegte Schikane ein. Es ist erst mal gar nicht sichtbar, wie lang die Schlange ist. Ist aber auch nicht schlimm, es geht zügig voran. Seit der BVG-Bus uns fünf Passagiere an der ehemaligen Auskunftstafel ausgespuckt hat, sind wir perfekt betreut. Freundliche Securitymenschen schauen nach der Einladung, um sicherzugehen, dass wir zur rechten Zeit am rechten Ort sind. Die Maschine läuft von Anfang an perfekt geölt.

Wir besteigen einen kleinen Shuttlebus, der Flughafen ist nicht für Fußgänger*innen gemeint. Das Ziel ist der Terminal C.

Es ist Sonntag Morgen, kurz nach Aufstehen, so sind die Menschen still, keine Gespräche. Nächste Station ist Fiebermessen und der zweite Check der Einladung. Prima, ich Möchtegern-Perfektionistin hab jeden doofen Fragebogen dabei aber nicht das Einladungsschreiben mit dem Buchungscode. Doch das System läuft stabil und ohne Ausschlag. Sie finden mich in ihren Computern auch ohne den praktischen QR-Code. Ich werde weitergeschickt und mein Fragebogen wird neu ausgefüllt. Sogar Zeit ist noch für einen Schwatz über ALDI in der Markthalle Neun, weil ich unter all meinen Zetteln auch einen Aufruf zur Trauerkundgebung hab.

Check-in 13, mir scheint davon gibt es über einhundert. Kurze Frage, weshalb ich eigentlich schon dran bin in meinem Alter. Verrückt, dass da Nervosität ausbricht. Bitte kein Stoppschild so kurz vor dem Ziel!

Als ich meinen Laufzettel endlich habe, stehen gefühlt zwanzig Menschen bereit, dafür zu sorgen, dass ich mich im Labyrinth nicht verliere. Noch dreimal um die Ecke, dann der Wartebereich, sie werden platziert! First in, first out, es soll nicht sein wie an der Transitstrecke, wo du gefühlt IMMER in der langsamsten Schlange standest.

Und dann die Aufforderung zum Weitergehen. Jetzt hat der Staff schon andere Signaljacken an, wir nähern uns dem medizinischen Bereich. Vorhang auf, Kabine betreten, Laufzettel abgeben. Von der anderen Seite wird mir ein Arzt zugewiesen. Es ist wie in einer Fertigungsstraße, von links die Impflinge, von rechts das medizinische Personal. Ein routiniertes Aufklärungsgespräch, dabei werden schon alle Vorbereitungen getroffen. Aufkleberchen für den Impfpass, Stempel, Unterschrift, Impfstoff aufziehen, Ärmel hoch. Routiniert und trotzdem zugewandt. Fragen? Nein, nach Wochen von Infos aller Art hab ich keine Fragen mehr. Die mRNA kann kommen und ihren Job machen.

So viele Leute im Einsatz, unglaublich. Und alle sind überaus freundlich. Die eigentliche Sache also vielleicht fünf Minuten, dann geht es wieder auf gewundenen Wegen nach draußen. Vorher noch Gelegenheit, für ein Viertelstündchen auszuruhen und auch abzuwarten, ob die fiesen Nebenwirkungen schon jetzt kommen. Doch alle sitzen ruhig und zufrieden und schauen sich die Halle an. Ich bin erfreut, dass es nun geschafft ist!

Vom Flughafen ist nicht mehr viel zu bemerken. Doch die Halle hat den gleichen Zweck wie vorher: dafür sorgen, dass viele Menschen so schnell wie möglich von A nach B kommen. Nette junge Leute gehen durch die Reihen und fragen nochmal, ob alles in Ordnung ist und ob wir was zu trinken haben wollen. Seltsam, noch gar keinen Bekannten getroffen…

Und dann ab ins Freie. Zur Haltestelle. Wo ist die denn? Seltsam, wir sind entlassen aus der Maschine, plötzlich wieder die normale Welt. Kein Schild, kein wegweisender Mensch, erstaunlich.

Die Sonne wärmt, ich genieße das Gefühl der Hoffnung auf bessere Zeiten.

Verschwindende Frauen (und Männer)

Nachdem ich ein paar Mal über Frauen berichtet habe, die noch vor ein paar Monaten oder ein paar Jahren in unserem Berliner Leben mitgemacht haben und durch den Tod verschwanden, haben wir uns letztens via Zoom getroffen und darüber diskutiert, wie wir, die, die noch leben, gegen diesen unvermeidlichen Gang des Seins und Verschwindens wirken können. Wir hatten ein paar kluge, weiterführende Ideen, die ich hier nach und nach präsentieren werde. Heute erste Kommentare.

Christine Ziegler schrieb mir per Email:

Liebe Ewa,

jetzt weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.

Was tun, um Menschen vor dem Vergessen werden zu bewahren?

Eigentlich kommen wir in unserer Daseinsform plötzlich „auf die Welt“ in der wir vorher schon „irgendwie“ waren. Und wenn wir wieder gehen und sie davon nicht schlechter geworden ist, ist das schon viel. Das Problem sind ja nicht die Bescheidenen, sondern die geltungsbedürftigen Dickärsche. Wie kann es uns gelingen, denen die Luft rauszulassen? Dann käme automatisch mehr Balance in die Sache.

Ich mag das in den Vordergrund schieben eigentlich nicht und denke dann wiederum, dass „sie“ einen dann schon haben, wo sie einen haben wollen. Damit sie ungestört ihr Zerstörungswerk tun können. Zerstörung von Welt, von Potentialen, die andere entwickeln könnten. Bin also gezwungen, mich zu wehren. Meinen Standpunkt zu wahren, mich nicht wegschieben zu lassen.

Dann wieder: die Welt ist voll von Botschaften, niemand kann sie auch nur annähernd verfolgen. Will ich da noch etwas dazutun? Oder ist es schon eine gute Sache, Raum zu schaffen, damit Entwicklungen jenseits des Mainstreams möglich sind? (Fettschrift überall stammt von mir, ebenso wie das Minzegrünschrift – EMS)

Ein Nukleus könnte sein, diesen Abend fortzusetzen. Und zum Einstieg jedes Mal eine so tolle Präsentation wie Karina sie über Maria (Maryla) Gast-Ciechomska gemacht hat. Einerseits ein Gedenken für uns und dann ein entspanntes Brainstorming. Dann eine behutsame Erweiterung um weitere Zuhörerinnen und Beitragende.

Ich habe wieder bemerkt, wie ich selbst das nicht wahrnehmen kann, was ich unbedingt wahrnehmen möchte. Erst heute Nacht habe ich deinen wunderbaren Artikel über Anette gefunden.

Nun gut, ich tröste mich in meiner Blindheit damit, dass ich mit unserem Start in den Alltag der Bloggerinnen mehr als erfüllt war. Auch andere Anforderungen, Aufgaben, Möglichkeiten habe ich einfach zur Seite geschoben, die Nacht zum Tage gemacht und das trotz aller Erschöpfung auch ganz und gar genossen. Doch es zeigt mir auch, dass meine Aufnahmekapazität nur begrenzt ist. Wie hab ich dich gestern bewundert, dass du noch für Magda und mich gesorgt hast (Anm. der Administratorin – EMS – gemeint ist, dass ich während des Zoomgesprächs für Magda kurze Zusammenfassung des auf Deutsch Gesagten im Polnischen schrieb; für Christine – umgekehrt). Und das, wo du doch eine Agenda hattest, die du verfolgen wolltest.

Wie schaffst du das?

Ich bewundere Anias (Anna Krenz) Kreativität! Und wie sie z.B. die Performance am 8. März gerettet hat, obwohl die Technik sie im Stich gelassen hat.

Dein Blog ist schon eine Gedenkhalle, ein Lesesaal. Es ist die Frage, ob es irgendwo noch einen in der „echten“ Welt geben muss. Ein guter Gedanke war die Vernetzung in den Strukturen, die es von feministischer Seite bereits gibt. Andererseits sind wir weiterhin nur wirklich lebendig in der Begegnung „in real life“, jede Video-Konferenz ist nur ein „besser als nichts“.

Liebe Grüße

***

Monika Wrzosek-Müller schrieb ebenfalls per E-Mail:

Ich wachte heute mit einer Idee, vielleich für Anna Krenz, die sich mit dem Schicksal von Irena Bobowska auseinandersetzt, villeicht aber für uns alle, dass die KZ Ravensbrück über riesiege Archive verfügt betreffend Polinnen, die dort inhaftiert wurden, insbesondere deren, die nach dem Warschauer Aufstand dorthin deportiert wurden. Sicher gibt es da mehrere Persönlichkeiten, Frauen die schrieben, die kämpften und über die sie eine Performance machen könnte. Und ich dachte daran, dass man vielleicht doch diese Kriegs-Vergangenheit mit der unseren verbinden soll, weil je tiefer die Wurzel reichen, desto authentischer ist das, was wir über die Gegenwart zu sagen versuchen.

Tibor Jagielski schrieb (auch per E-Mail), dass eine Büchereihe, so wie ich / wir sie gerade gestartet haben, vielleicht am meisten den Sinn hat. Also ein regelmässiges Zoomtreffen, ein Eintrag mit Unterseiten auf der Wikipedia, eine Veranstaltungsreihe in der Regenbogenfabrik (ggf. mit Performances), eine Zusammenarbeit mit dem Frauenarchiv (Frauenarchiven), digitaler Leseraum, Bürcherreihe, realer Lesesaal. Huh! Viel!

Vom ICH zum WIR

Christine Ziegler

So lautet oft der Slogan, wenn wir über Solidarität nachdenken. Doch wie geht das überhaupt, wo wir immer weiter um das ICH kämpfen, kämpfen müssen und wollen.

Was weiß ich, ob es stimmt, ich war nicht dabei, aber nein, bin es gerade jetzt doch:
Einstmals gab es ein WIR, doch auch dieses erst, als WIR begriffen, dass wir eine besondere Art Lebewesen sind, die sich nicht mehr so ganz einordnen kann in das Leben an und für sich, dem wir aber doch weiter angehören.

Dann ein ER, SIE, ES? Oder doch als erster Schritt ein ICH? Was machen die Kinder? Wenn sie sprechen lernen, ist es mit ICH noch kompliziert. Und dann kommt auch noch ein DU dazu?  Und DU ist ICH und ICH ist DU?

Und wer darf von ICH sprechen? Weshalb sind Frau, Kind, Knecht, Magd, Vieh und alles was seins ist, erst mal nur Eigentum? Oder gab es ein Dasein ohne Eigentum? Hatten wir dann Personalpronomen?

Was für ein Glück, wenn das ICH bestimmen kann, dass es ein ER ist? Eine SIE ist. Das ES im Kind, ganz kurz ist es MENSCH egal, was mensch ist, dann kommt der Zwang zum ER und SIE. Wieso DAS Mädchen, na ja, alles was seins ist, kann wohl kein SIE sein, erst recht kein ICH. Kein Wunder, dass wir alle um die Selbstbestimmung des Personalpronomens kämpfen. Und staunend lernen, wie viele Personalpronomen es in Wirklichkeit gibt.

Gelingt da ein Weg zurück zum WIR, zur Solidarität? Wo doch auch noch das IHR da ist. Denen ist sowieso nicht zu  trauen. Vielleicht ist dieses Mistrauen erst zu überwinden, wenn es welche gibt, die SIE über uns sagen und uns alle meinen?