Dorota Kot
Ein Hungriger Bär wird nie tanzen – oder?
Kein Schwein in Berlin interessiert sich für Bulgarien bzw. die bulgarische Kultur – solche Aussagen habe ich mehrmals gehört, als ich über die Idee der Bulgarischen Kulturwoche stolz und aufgeregt erzählte.
Ob Interesse besteht – ist das eine Frage der Form / Gestaltung – oder? Oder liegt es an den Menschen, die mitmachen und ein Herz für die Thematik haben? Vor fünf Monaten habe ich mich auf den Weg gemacht Netzwerk-Kontakte der bulgarischen Aktivisten zu holen. Polin und die über Bulgarisches Kulturinstitut gewonnenen zwei aktive Bulgarinnen. Die Ärmel hochkrempelt und los! Ich habe über vierzig Treffen mit Vertretern der bulgarischen Community gehabt – offiziell und privat.
Auf beiden (privat und offiziell) Ebenen habe ich viel erfahren: Witze, Beschwerden, Begeisterung und freundliche Aussagen über bulgarische Kulturschaffende, bulgarischsprachige Vertreter diverser Institutionen in Berlin … stur habe ich immer mehr Menschen angesprochen. Viele kennen einander nicht. Aber die bulgarische Woche hat alle miteinander verbunden. Vielleicht ist das eben das Rezept für einen Erfolg unter Migrantengruppen?
Noch nie habe ich mit einer anderen Migrantencommunity gearbeitet.
Gibt es Kulturunterschiede?
Jein. Wir sind Slaven, Europäer, Migranten, Mitbürger – im Prinzip einfach Menschen!
Wir haben viel Gemeinsames, aber auch über die Unterschiede und schöne Traditionen möchte ich kurz berichten. Ich werde meine Beobachtungen einfach aus dem Ärmel schütteln! Lernt meine Sichtperspektive kennen!
Slawische Seelen
Warmherzig, ehrgeizig, familiär – das sind die Grundlagen der Völkerverständigung. Polen und Bulgaren sind eben diese Eigenschaften angeboren.
Verständnisprobleme?
Ein kleines Missverständnis kann entstehen, wenn man ein bisschen (ein kleines bisschen!) Bulgarisch versteht, aber die bulgarische Körpersprache nicht kennt. Bulgaren bestätigen und verneinen, indem sie andersrum den Kopf schütteln. Total verwirrend! Aber das ist auf die Geschichte zurückzuführen. Sprecht mich mal an – gerne erkläre ich den Hintergrund!
Gentelmens und gute Feen.
Viele Bulgaren sind Gentlemen oder einfach altmodisch erzogen. Sie helfen sehr gerne und bieten Hilfe an – das schätze ich privat und beruflich.
Missverständnis? аз не разбирам..
Polen haben in den 90ger Jahren sehr oft den Urlaub in Bulgarien verbracht. Daran erinnert sich die Elterngeneration sehr gut und ganz sentimental, da die zwischenmenschliche Chemie einfach gestimmt hat. Trotzdem kann es zu Missverständnissen kommen, wenn man die Sprache zu verstehen versucht. Auf Polnisch: Rozbierać bedeutet ausziehen (Kleidung). Auf Bulgarisch aber bedeutet razbera „verstehen”
Das war am Anfang ganz lustig und überraschend, als ein junger Mann im Gemüseladen mich fragte, ob ich rozberam… Jetzt aber аз разбирам! Dh. Ich verstehe (vielleicht mehr als vor ein Paar Jahren?) J
Omatag
Der Omatag wird in Bulgarien ganz anders gefeiert. Nämlich so: die verheirateten Frauen bedanken sich bei den Omas (auch Nachbarinnen), die bei der Kindererziehung geholfen haben.
Rakija
Wie ich bereits erwähnt habe, Bulgaren sind sehr familiär und sitzen gerne an einem Tisch mit Freunden und der Familie. Dabei habe ich einen praktischen Spruch gelernt, der bei der Partyvorbereitung herauskam:
Ein Aperitif ist wie eine Ermunterung zum Schnapps (Mezeto e swodnik na rakija.)
Bulgaren trinken gerne Rakija – es ist sehr unhöflich abzusagen, wenn man zu Gast ist. Kamenitza, Shumensko, Zagorka – die Biere mit „tzatza“ (Kleine Fischchen) schmecken hervorragend am Strand in Burgas oder Primorie – das ist ein traditionelles Duet aller Einheimischen und Touristen am Schwarzen Meer. Die Biere werden übrigens auch in 2,5L Flaschen produziert. Es wäre nichts Außergewöhnliches, aber so eine große Flasche beim Treffen mit Freunden auf dem Tisch sah (zum ersten Mal) exotisch aus. Jetzt denke ich: wie praktisch und welch gastfreundliche Ökonomie!
Hunger
In bulgarischen Haushalten wird man nie verhungern. Banitza (Banitsa), Tarator und Shopska Salata – meine Lieblingsversorgung in Bulgarien! Was das Essen angeht, habe ich in Bulgarien eine für mein ganzes Leben währende Belehrung bekommen.
Vor vielen Jahren war ich in Burgas. An einem Tag wusste ich nicht, was ich zuerst machen soll – schnell was dienstlich abarbeiten oder lieber davor was essen (ich hatte Hunger)? Die Antwort kam sofort: das Bärchen wird nie tanzen wenn es hungrig ist – das habe ich mal bei einer befreundeten Familie in Burgas gehört.
Die Geschichte, die dahinter steckt, ist folgende: früher holte man kleine Bären aus dem Wald für eine Straßen- Performance, aber sie tanzten nie, bevor sie nicht satt waren.
Die goldene Regel ist also: erst essen, dann ran an die Arbeit und den Spaß – sonst wird es nicht gut laufen. Mit leerem Magen kann man doch nicht arbeiten!
Die gleiche Vorgehensweise haben wir uns für die Tage der Bulgarischen Woche vorgenommen. Für Seele und Leib, generationenübergreifend, Themenvielfalt, offen für andere Kulturen – so haben wir die Bulgarisch-Deutsche Woche gestaltet. Lernt Bulgarien und die Kultur kennen! Bulgarien zum Anschauen, Tanzen, Beisammensein, Hören, Kosten in der Küche und und und…
Morgen also geht es los! 🙂
Filmabend
Mir sind die Regisseure/innen der Balkanregion unbekannt gewesen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, einen Film zu sehen, der bei der Berlinale dabei war. Interessanterweise hat sich auch die Initiative BulDoc gemeldet und uns unterstützt. Die Organisatoren werden über Buldoc vor dem Film berichten.
Kunst
Du stehst in Versailles oder in der Kunstakademie, wo die wichtigsten Werke der Künstler ausgestellt werden. Kunstkuratoren und manchmal die Schaffenden selbst erzählen von der Hintergrundidee und Bedeutung einzelner Farben und Formen. Der emotionale Bezug des Künstlers ist immer der wichtigste Einflussfaktor.
Silviya Zdravkova, Liebesrose (Foto: Autorin)
Bulgarien in meinem Herzen – ich bin gespannt auf Mittwochabend, wie unsere drei Künstlerinnen die Liebe, Erinnerungen und vielleicht das Heimweh darstellen werden. Die Künstlerinnen haben auch zweisprachige Gedichte geschrieben. Über Pinsel und Schreibwerk wird Bulgarien vorgestellt.
Literatur & Musik
Der Schriftsteller erzählt erfrischende Kurzgeschichten und dabei wird Vladimir Karparov uns mit Musik verwöhnen. Der Musiker trat auch letztens beim zig zag auf. Ich bin gespannt!
Kochen & Tanzen
Zuerst treffen wir uns fürs Kochen im Kakadu, wo Maria von PriMaria Restaurant uns die bulgarische Küche zeigt, danach bewegen wir – gesättigt – unsere Hüfte beim Balkan-Beat im Hangar 49. Der Hangar hat einen schönen Ausblick auf die Spree, was ich genießen konnte, als ich spontan zur Jazz Session vorbeikam.
Out-Door-Bibliothek
Während der bulgarischen Woche arbeiten wir handwerklich an einem Schrank… das ist ein gemeinsames Projekt mit unseren Partnern aus Bulgarien. Nachdem wir den Schrank renoviert und schön gemacht haben, eröffnen wir am Samstag die Out- door- Bibliothek in der Regenbogenfabrik!
Kiez-Erkunden
Ein kleiner Rundgang in Kreuzberg. Ein Muß!
Osteuropa-Picknick
hält Osteuropa zusammen? Mögen die osteuropäischen Communities zusammenarbeiten?
Wir schauen mal am Sonntag. Gemütliches Beisammensitzen, Chillen, osteuropäische Kultur genießen- das haben wir vor! ForumFactory hat für uns die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt! Bei jedem Wetter können wir uns treffen – es gibt einen Außerbereich mit Bänken, im Saal gibt es Bühne und Gastronomie.
Wir haben open stage eröffnet – jeder darf sein Talent zeigen.
Tanz, Gesang, Schreibtalente, Brettspiele, Fotoausstellung, Ausstellung des Filmworkshops und und und…
Für mich als Polin ist es ein Vergnügen, eine mir bereits bekannte Community neu zu entdecken. Für Leib und Seele, generationenübergreifend und locker – so eine schöne Kulturwoche mit der Bulgarischen Community freut sich auf Besucher und Mitmacher!
Graphik: Anina Takeff / Projektleitung: Dorota Kot