August 1980. Es begann in Stettin.

Die August-Streiks 1980, schreibt Wikipedia, waren eine Reihe von Arbeitsniederlegungen in der kommunistisch regierten Volksrepublik Polen. Tatsächlich begannen sie schon Anfang Juli  in Lublin, in die Geschichte gingen sie aber ein durch die Streiks an der Ostseeküste. Der wichtigste Streik wurde am 14. August von den Freien Gewerkschaften (Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża) auf der Danziger Werft ausgerufen, dem sich die Delegationen anderen bestreikter Betriebe anschlossen. Es wurde aber auch in anderen Städten gestreikt, darunter auch in Stettin. Die Streiks endeten mit dem Unterzeichnen der drei Abkommen zwischen der Regierung Giereks und den Streikenden: In Stettin, Danzig und der Kohlengrube Jastrzębiec. Das Stettiner Abkommen wurde als Erste unterzeichnet. Somit wurde eigentlich in Stettin und gar nicht in Danzig das neue Kapitel der Geschichte angefangen. Das Kapitel, dem in nicht mal 10 Jahren der Frühling der Völker folgte, der Fall der Mauer, das Verschwinden des Eisernen Vorhangs, das Auflösen der feindlichen politischen Blöcke und die Entstehung des großen freien Europas der souveränen Statten. 
Es geschah heute vor 40 Jahren.

Unser Autor war dabei.


Unterzeichnung des Abkommens in Stettin am 30. August

Krzysztof Jagielski

Über Bord (2)

Die Gespräche zwischen Streikkomitee und Regierugskommission dauerten an. Tag für Tag, trozt des stürmischen Wetters, wuchs die Zahl der Menschen, die sich vor dem Haupteingang zur stettiner Werft versammelten um die zähen Verhandlungen direkt zu verfolgen. Die Stimmung war grandios, man kommentierte direkt und scheinbar schon ohne Angst das Geschehen und bekundete laut die Unterstützung für Marian Jurczyk und das Streikkomitee.

Am 23. August, es war Sonnabend, stieg die Zahl der in Westpommern (Pomorze Zachodnie) streikenden Betriebe auf 118 (…). Montag  früh, den 25. August, erfuhr ich, daß die Mannschaft des Containerschiffs  m/s „Wejherowo“, eines der modernsten Schiffe der polnischen Handelsflotte und bisher fest in der Hand des Kaders der kommunistischen Partei, sich weigerte, nach London, in See zu stechen.

Ich nahm das Fahrrad und fuhr zum Kai  wo m/s „Wejherowo“ angeleint war und als ich dort ankam, war eigentlich alles entschieden. Die Maschinen standen still und an Bord hing ein Riesenplakat  auf dem geschrieben stand STRAJKUJEMY! (Wir streiken!)

Plötzlich, nach wochenlangem Unwetter, kam durch die Sonne die Wolken. Unglaubliche, friedvolle Stimmung breitete sich aus und ich fiel auf die Knie und weinte zum ersten mal am 25. August, den Todestag meines Vaters Julian, aus Freude (…).

***
Im Jahre 1944, am fünf und zwanzigsten Tage des Warschauer Aufstandes fiel Julian Jagielski, Leutnant der Reserve und Kommendant de Luftschutz Mokotow, bei der Feuerlöscharbeiten in der Grottger Strasse. Das Feuer, das durch den Raketenbeschuss des deutschen Nebelwerfers entfacht wurde (polnisch, umgangssprächlich, „krowa“, die Kuh, wegen des charakteristischen  Lautes, das bei abfeuern der Projektile zu hören war) vernichtete fast den gesamten Häuserblock. So wurde ich an diesen Tag Vollweise, da meine Mutter, schon im Vorjahr, wegen der fehlenden Medikamente, an Lüngenentzündung starb (…).

Siehe HIER

Langsam kam ich wieder zu mir selbst, jetzt war mir klar, der Streik erfasste fast die gesamte Handelsflotte von Stettin bis Danzig. Ich stieg auf den Fahrrad und fuhr zurück zum m/s „Dęblin“, um die tägliche Ration Verpflegung für die streikenden Werftarbeiter vorzubereiten (…).
In der Nacht hörte ich den Sender RFE (Radio Free Europe, polnisch – Radio Wolna Europa).
Es wurde berichtet, dass in Danzig eine Expertenkomission zur Unterstützung der dortigen Streikkomitee mit Lech Walesa an der Spitze, sich gebildet hat; es fielen die Namen: Mazowiecki, Wielowieyski, Geremek, Kuczynski, Staniszkis.
Es wurde auch über Streiks in Warschau, Lublin und Oberschlesien informiert.
Trotz der der massiven Aktivitäten der Störsender erfuhr ich, dass die schlesischen Kumpels fast diesselben Förderungen wie Arbeiter an der Küste gestellt haben.
Die Lawine rollte.

Fortsetzung folgt. Übersetzung Tibor Jagielski

Über Bord

Krzysztof Jagielski

1.

Ende Juli des Jahres 1980 gab es Streiks im Gdingen, dann in Lodz und Warschau.
Die Regierung versuchte durch die Erhöhung der Löhne die Situation zu dämpfen.
Es schien als ob diese Politik Früchte tragen würde; dazu kamen kosmetische Änderungen an der Parteispitze. Ich erwartete schon das Ende der Protestbewegungen.

Mitte August, wegen der ausbleibenden Lieferungen, lag mein Schiff, m/s „Dęblin“ an der Rumänischen Kai  in Stettiner Hafen. Es gab keine Streiks; die meisten Matrosen nahmen Frei, und fuhren nach Hause zur Familien ins Umland.
Ohne Druck versorgte ich das Schiff und übriggebliebene Besatzung.
In der Büros trank man Kaffee, plauderte über Streiks, als ob sie auf dem Mond stattfinden würden. Doch die Ruhe war trügerisch; die Menschen waren angespannt und voller Erwartung.

Am 14. August streikten kurz die Fahrer des staatlichen Bauunternehmens Transbud.
Ich hörte abwechselnd die Auslandssender: Voice of America, Radio Free Europe, BBC London etc.
Die Landesmedien berichteten von „erhöhten Arbeitsbereitschaft“, „zusätzlichen Lieferungen“ und „sporadischen Unterbrechungen in der Arbeit“(…).
Am selben Tag kam die Nachricht vom Streik in Danziger Werft. „Streikt, streikt!“ rief ich innerlich.

Am 15. August standen an der Danziger Bucht alle Räder still. Endlich!
Alle telefonische Verbindungen wurden gekappt – unmissverständliches Zeichen, dass die Regierenden die Situation bedrohlich fanden.
Doch was wird in Szczecin? Das Wetter war regnerisch und es schien, als ob sich die Wolken immer mehr zusammenbrauen (…). Ich wusste, es wird etwas geschehen.

Am nächsten Tag traf Ministerpräsident Babiuch vor die Fernsehkameras und bezichtigte die „antisozialistische Kräfte des Aufwiegelung der arbeitendes Volkes“.
Der Erste Sekretär der polnischen kommunistischen Partei, Gierek, unterbrach sein Urlaub auf Krim und flog nach Warschau zurück.
Doch die Lawine rollte und war nicht mehr zu stoppen.

Am Sonntag waren die Kirchen überfüllt; man sang patriotische Lieder: „Freies Vaterland gib uns wieder o Herr…“; das Händedruck wurde stärker, ansonsten schwieg man (…).

Am Montag, den 18.08., fuhr ich Richtung Werft zum Lieferbetrieb „Baltona“.
Schon vor weitem sah ich weiß-rote Fahnen. Ich gab Gas.
Über dem Eingang der Parnica-Werft ragte ein Riesenaufschrift: „BESATZUNGSSTREIK“. Vor und hinter dem Tor – Arbeiter.
Ich schaute; ich schaute lange und spürte plötzlich wie mir die Tränen zu rollen anfingen.

2.

In der „Baltona“ gab es allgemeine, aber freudige Aufruhr.
„Warski–Werft steht!“ schrien die Menschen und fielen sich in die Arme.
Ich war überwältigt und entschloss mich hinzufahren.
Eine Riesenmenschenmenge stand vor dem Haupttor.
Doch es wurde noch nicht gestreikt: „Wir warten auf den Brych, das Fass ist voll“ sagten die Arbeiter (…).
Diese Nacht konnte ich nicht schlaffen.

Dienstag morgen fuhr ich zum Schiff vorbei an Warski–Werft.
Riesenaufschriften: „Streik“; „Wir solidarisieren uns mit den Danziger Werftarbeiter“; „Wir unterstützen berechtigte Förderungen”.
Am Tor, neben dem Werkschutz, standen Arbeiter mit Helmen und weiß-roten Armbinden.
Auch in Parnica-Werft wurde gestreikt.
Im Hafen angekommen bemerkte ich seltsame Ruhe; alle Kräne standen still.
An Bord wurde mir bestätigt – der Hafen steht; auch Reparaturwerft, das Stahlwerk, das Containerfabrik „Unikon“ und städtische Verkehrsbetriebe streikten.
Vor den Geschäften, trotz des Schauerwetters, bildeten sich Riesenschlangen; alle Lebensmittel, bis auf Salz, wurden restlos aufgekauft.

Ich entschloss mich zum Warski-Werft zu fahren.
Am Haupteingang stand eine Menschenmenge; manche schrieben von den an dem Tor befestigten Transparenten etwas ab… Streikförderungen!
Ich fing an mitzuschreiben: „Punkt 1. Gründung der freien und, von der Partei und Regierung,
unabhängigen Gewerkschaften…“
Ich hielt kurz inne und las noch mal… Ja! Freie Gewerkschaften. Endlich…
Dann folgten weitere 35 Punkte.
„Schnell abschreiben“ sagte ich mir „bevor die Stasi kommt“ (…).
Zu Hause angekommen setzte ich mich an die Schreibmaschine und vervielfältigte die Liste bis mir die Finger anschwollen.
Diese Nacht schlief ich wie ein Stein.

3.

Am 20. 08. gab es weiterhin schlechtes Wetter.
In den morgigen Nachrichten von RFE hörte ich Informationen über Verhaftungswelle unter Mitgliedern von KOR, KPN und ROPCiO, der oppositionellen Bewegungen.

Bis zu diesem Tag war ich eigentlich nur ein Mitläufer; zwar ein erklärter Gegner der Kommunisten, doch ohne mich organisatorisch irgendwo zu betätigen.
Ich wäre bereit auf die Barrikaden zu klettern; doch es gab kein Ruf.
Mein Betrieb war fest in der Hand der Parteimitglieder; es gab keine Streikwillige.
Vielleicht streikte man in Gdingen, doch wir wussten von nichts – es gab keine Telefonverbindungen.

Das Wetter wurde so stürmisch, das man von Schiff aus zusätzliche Leinen an das Kai binden musste. Obwohl im sicheren Hafen, tanzte das Boot wie verrückt.
Von einem Zöllner, der bei uns vorbeikam, erfuhr ich, dass gestern gegründete Interbetriebliches Streikkomitee (MKS) die Gespräche mit einer Regierungsdelegation aufgenommen hat; ich entschloss mich zum Werft zu fahren.

Das Haupttor war mit den Blumen übersät; überall National- und Papstfahnen, sowie Riesenbilder von ihm und Madonna von Tschenstochau; auf der Mauer, wo ein Lautsprecher befestigt war, saßen die Arbeiter. Es wurde eine Direktübertragung der Gespräche zwischen dem Streikkomitee und der Regierungsabgesandten vorbereitet.
Plötzlich hörten wir ein Stimme; raunen ging durch die Menge: „Das ist Jurczyk“.
„Wer ist Jurczyk?“ fragte ich. „Der Vorsitzende von MKS“, wurde mir erklärt.
Er bat für eine Schweigeminute für die Gefallenen des Dezemberaufstandes von 1970.
„Genialer Schahzug“ dachte ich, „wie müssen sich wohl die Regierungsvertreter jetzt fühlen?“ Dann kamen die Streikförderungen; Punkt auf Punkt.
Die Antwort des Ministers Barcikowski klang wie kratzen auf Glas; kurz darauf wurden die Gespräche vertagt.

Ich ging an die am Tor stehenden Arbeiter, überreichte die mitgebrachten ein paar Stangen Zigaretten und versprach den Streikenden fünfzig Liter Suppe aus meiner Schiffsküche täglich, und erntete als Dank den harten Händedruck eines Hafenarbeiters.

Übersetzung aus polnischen – T.J.
Fortsetzung folgt in einer Woche 

Über Krzysztof Jagielski (auf Polnisch) HIER

Das Märchen von den Zwillingen 3

Krzysztof Jagielski
übersetzt von Tibor Jagielski

Die Königin der Nymphen Tuende und ihr Land

Die Wanderer kamen rasch voran, da der Weg nur sanft anstieg und es keine Hindernisse gab. Sie wussten nicht, wie weit es noch bis zum Land der Nymphen war, doch sie kannten die Richtung, und das versetzte sie in gute Stimmung. Um das Essen brauchten sie sich nicht zu kümmern, weil sie unterwegs Früchte, Kräuter, süßen Harz und Käferlarven in Mengen fanden.

Das Ziel ihrer Reise schien immer näher zu kommen. Ein glänzender Nebel umhüllte sie. In der Luft schwirrten goldene Faden und der Rabe Hollo flatterte ihnen nach, um sie mit dem Schnabel einzufangen.

„Ich werde mir ein goldenes Nest bauen, ein goldenes Nest!“, krähte er begeistert.
„Wenn du hier bleiben wirst, dann tue es“, machte sich die Feldmaus Okosch über ihn lustig. „Doch pass auf, dass du nicht zu viel runterschluckst, sonst kannst du nicht mehr fliegen“.
Der vorausgeeilte Schäferhund Lusto kam fast atemlos zurück und rief:
„Ein Schloss, ein goldenes Schloss! Riesig! Kommt schneller..!“

Der Nebel löste sich auf, und sie sahen die, hoch in die Luft ragenden Türme des Schlosses, das mit saphirgrünen Wassern umgeben war. Da es noch weit entfernt zu sein schien, entschlossen sich unsere Freunde, ein Nachtlager aufzubauen und erst am nächsten Morgen den Weg fortzusetzen. Auf einer saftiger Wiese, wo Unmengen von farbenprächtigen Schmetterlingen schwirrten, ließen sie sich nieder und entfachten ein Feuer.

Plötzlich sprang der Schäferhund Lusto auf:
„Seht! Seht! Ein Knochen! Ich habe davon geträumt, und er liegt da!“
„Ich will ein Stück Käse…“, piepste die Feldmaus Okosch. Doch nichts geschah.
„Du musst träumen, träumen!“, bellte Lusto.
Okosch schloss die Augen und fing aus ganzen Kräften zu träumen an. Und… vor ihr lag ein prächtiges Stück goldgelben Käses.
Der Rabe Hollo wollte auch mitmachen und bedeckte seinen Kopf mit den Flügeln… und rief voller Begeisterung:
„Hurra!“… Vor ihm stand ein Topf voller fetter Würmer.

Jetzt waren Aranka und Orsolya an der Reihe. Sie träumten von einem warmen Bad und neuen Kleidern und… vor ihnen dämpfte gleich eine Badewanne und daneben stand eine Kiste mit zauberhaften Kleidern…

Es könnte nichts anderes bedeuten, als sie im Land der Wunschträume angekommen sind.
Nach dem Bad träumten die Mädchen von einer guten Nacht und schliefen augenblicklich fest ein. Doch dieser Schlaf sollte nicht lange dauern. Ein Löwengebrüll weckte sie auf:

„Steht auf! Ihr sollt uns zum Palast begleiten. Unsere Herrin Tuende, die Königin der Nymphen, ruft euch.“
Aus dem tiefen Schlaf erwacht rieben sich die Mädchen erschrocken die Augen. Vor ihnen standen tatsächlich die Löwen. Der älteste von ihnen, mit einer Silbermähne bedeckt, sagte:
„Unsere Herrin hat schlechte Laune. Doch, obwohl sie für Fremde ein Herz aus Eis hat, wird sie euch nichts antun. Reisst euch zusammen und kommt mit uns mit.“

Millionen von Sternen der Milchstrasse glänzten über den Köpfen der Zwillinge. Orsolya und Aranka erinnerten sich an des Großvaters Worte: „Die Sterne sind die Seelen unserer Vorfahren und helfen euch bei jeder Gefahr“. Sie fassten Mut und standen auf.

Viele Tiere schauten den Wanderern zu: der Wolf und das Reh, der Hase und der Fuchs, die Katze und die Maus, der Falke und das Kaninchen. Und alle schienen in Eintracht und in Freundlichkeit verbunden zu sein.

Unterwegs entpuppte sich der alte Löwe als gesprächig, und so erfuhren die Mädchen nicht nur, dass er Hofmarschall war, sondern auch vieles über das Land der Nymphen und seiner Königin.

„In unserem Königreich bauen wir die Häuser nur aus Gold. Und darauf sind wir stolz. Die Königin Tuende herrscht schon seit einer Ewigkeit. Unser Land wird auch das Land des Ewigen Lebens genannt. Wir altern sehr langsam. Ich selbst bin schon über hunderttausend Jahre alt, obwohl ich viel jünger aussehe, nicht wahr?“, fragte der alte Löwe und wackelte kokett mit seiner silbergrauen Mähne.

„Bei uns gibt’s ewigen Frühling und die Blumen blühen ständig. Und weil hier jeder Traum in Erfüllung geht, haben wir schon alles und brauchen eigentlich nicht mehr zu träumen. Und alle Einwohner, Nymphen und Tiere, leben hier in Eintracht und in gegenseitiger Liebe, wie könnte es auch anders sein, nicht wahr?“, plapperte der alte Löwe, während sich die Wanderer dem goldenen Schloss immer mehr näherten.

Es kamen immer mehr Tiere als Schaulustige hinzu. Die Kunde von der Ankunft der Zwillinge verbreitete sich wie Lauffeuer. Die Mäuse wunderten sich, dass die Feldmaus Okosch ihnen so ähnlich sah. Die Hunde jedoch konnten in Lusto kaum einen Verwandten erkennen, da die Siebenbürgischen Schäferhunde eher einem Wollknäuel ähnelten als einem richtigen Hund. Der Rabe Hollo stellte fest, dass sein Schnabel viel größer war, als der der einheimischen Raben.

Der alte Löwe sprach unterdessen weiter:

„Unsere Königin ist eine Göttin des Lichts und des Lebens, der Sonnenstrahlen und aller Tiere. Sie liebt ihre Untertanen grenzenlos, doch für Fremde hat sie ein Herz aus Eis. Ich kann mich an eine Begebenheit erinnern…,“ seine Stimme stockte kurz „ Ah… wir sind schon vor dem Haupttor.“

An den Seiten der Hängebrücke, die zum Schloss führte, standen in Habachtstellung die Wachen, die aus Rehen und Hunden bestanden. An ihnen vorbei gingen die Wanderer, vom alten Löwen geleitet, auf das Schloss zu.

Die Straße war mit Silber gepflastert. In den Häusern aus Gold gab es Fenster ohne Scheiben, und die Türen waren weit geöffnet. Hier regnete oder schneite es nie und es gab keine Winde. Es gab auch keine Geschäftshäuser, da man sich doch alles, was man brauchte, erträumen konnte.

Schließlich kamen sie an den Palast der Königin. Er war von wunderbaren Gärten, voll von prächtigen Blumen und wundersamen Bäumen umgeben. Vor dem Eingangstor salutierten die aus Adlern und Kaninchen bestehenden Wachen. Der alte Löwe kämmte sich noch schnell seine Mähne glatt. Auch Aranka und Orsolya ordneten ihre Kleider und Haare. Die Feldmaus Okosch nahm Platz auf dem linken Arm von Aranka, während der Rabe Hollo auf dem rechten Arm von Orsolya Platz fand. Der Schäferhund Lusto schüttelte sorgfältig sein Fell. Und so betraten sie das Schloss.

Fortsetzung folgt.
Bild – Tibor Jagielski

Das Märchen von den Zwillingen 2

Krzysztof Jagielski
übersetzt von Tibor Jagielski

Der Himmelhohe Birnbaum

Die Mädchen gingen zu der ausgebrannten Eiche. Dort warteten schon der Rabe Hollo, der Schäferhund Lusto und die Feldmaus Okosch auf sie.

„Ich komme, oder besser gesagt, ich fliege mit euch,“ krähte von dem Ast der Rabe Hollo „ Ich werde euch zu Mut verhelfen“

„Ich werde auf euch aufpassen,“ bellte der Schäferhund Lusto im Bass und wedelte mit dem Schwanz.

„Auch ich werde euch in der Not nicht verlassen. Ich habe euer Gespräch mit Opa Ferenc mitbekommen,“ piepste die Feldmaus Okosch, die auf dem Rücken des Hundes saß.

Die Zwillinge steckten die aus der Baumhöhle herausgenommene Äxte, das Glöckchen, den Feueranzünder, und die kraftspendenden Tropfen in ihre Taschen, schulterten die Bögen und die Schnüre, nahmen die Stöcke in die Hände und gingen, gemeinsam mit den Tieren, in Richtung des höchsten Berges los.

„…Und hinter diesem Berg wird es sechs und sieben Flüsse geben. Auf der anderen Seite werdet ihr den schlafenden Riesen finden. Im linken Ohr hält er einen Schlüssel versteckt, mit dem man den Pass zum Himmelshohen Baum öffnen kann. Hütet euch, den Riesen zu wecken, sonst wird er euch auffressen…“ – so sprach Janos im Traum zu den Mädchen.

Nach vielen Tagesmärschen überquerten sie sehr müde den letzten Fluss.

Am Fuße des senkrecht aufsteigenden, spiegelglatten Berges, dessen Gipfel sich in den Wolken verlor, schlief ein Riese, so groß, dass sein Cousin Goliath, ihm gegenüber, wie ein Zwerg aussah.

Ich sage Euch das nur, damit Ihr Euch vorstellen könnt, wie riesig er war. Sein Zeigefinger war hundert Meter lang.

Das Hindernis schien unüberwindlich zu sein. Und so standen alle hilflos und ratlos herum.

Nur die Feldmaus Okosch lief an dem schlafenden Riesen entlang und sagte schließlich:

„Ich hole den Schlüssel und lasse ihn zu euch runter fallen“

Hollo rief: „Warte mal. Setz dich auf meinen Rücken, ich flieg dich auf seinen Arm.“

So gelang es Okosch, das Ohr des Riesen zu erreichen, das so groß war wie dreißig Elefantenohren.

Sie hatten Glück. Der Schlüssel lag am Ohrenrand und kam duch das Schnarchen des Riesen immer mehr zum Vorschein. Ohne zu warten, da sich der Riese gefährlich zu drehen begann, zog Okosch den Schlüssel und ließ ihn herunterfallen. Sie selbst rutschte auf dem Ärmel des Riesen wie auf einer Eisbahn mit großer Geschwindigkeit herunter, machte einen Purzelbaum über seine Finger und landete weich auf dem Rasen.

Der Schlüssel war nicht groß, ebenso wie das Schloss in der Felsspalte. Und als Oronka ihn drehte, sprangen plötzlich zwölf Riesenriesen heraus und fingen an zu klagen, dass man sie aufgeweckt hatte. Zum Glück waren sie zahm wie Rehe und riefen mit milden Stimmen:

„ Wem sollen wir helfen? Wem sollen wir helfen?“

Der Rabe Hollo flog um ihre Köpfe und krähte so laut wie möglich:

„Passt auf! Passt auf! Unter euren Füßen warten die Zwillinge Orsolya und Aranka, eure Gebieterinnen aus Siebenbürgen. Verneigt euch vor ihnen.“

Die Riesenriesen konnten die Mädchen und ihre Begleiter kaum sehen. Doch sie vernahmen ihre Stimmen:

„Seid gegrüßt, verehrte Onkel. Bitte, macht uns den Felsen auf. Wir sind unterwegs zum Himmelhohen Birnbaum, um Großvater Ferenc zu retten. Gott soll euch gesund erhalten.“

So schön sprachen die beiden, dass die Riesenriesen sich mit ihren schon geweckten Brüder, sich auf die Felsen stürzten und sie zur Seiten schoben. Das war nicht einfach, weil der Berg selten geöffnet worden war und mächtig verrostet zu sein schien.

Eine grüne Ebene öffnete sich vor ihnen, die wie die Puszta aussah, und weit, weit weg am Horizont sahen sie einen einsamen Birnbaum. Wie groß mochte er sein, dass man ihn von hier aus sehen konnte?. Die Reisenden bedankten sich herzlich bei den Riesenriesen für deren Hilfe.

„Stets zu Diensten,“ antworteten die Riesenriesen, „vor allem für so nette und gut erzogene Gäste. Solltet ihr in Not sein, ruft uns zu Hilfe. Wir kommen gleich.“

Das Gras roch nach frischem Thymian, der Himmel war wolkenlos, und Lerchen schwirrten in der Luft und begleiteten die Wanderer mit ihrem Gesang. Die Feldmaus Okosch reiste auf dem Rücken von Lusto, und der Rabe Hollo nahm Platz auf dem Arm von Orsolya und gönnte sich ein Nickerchen, während die Mädchen unermüdlich, Stunde um Stunde, in Richtung des langsam größer werdenden Baumes liefen. Spät am Abend erreichten sie ihr Ziel – den Himmelhohen Birnbaum. Man brauchte mindestens vier Stunden, um ihn zu umkreisen. Seine Wurzeln waren so dick wie eine Scheune. Sein poröser Baumstamm, war mit Moosen und Flechten übersät. Er bot Platz für unzählige Vögel und andere Tiere und reichte hoch über die Wolken. Der Rabe Hollo, als Kundschafter ausgeschickt, kam atemlos zurück, doch er hatte nicht einmal die Hälfte der Strecke nach oben geschafft.

Die Reisenden machten Rast unter einer haushohen Wurzel. Die Zwillinge entfachten ein Feuer und kochten eine Suppe, die sie aus den unterwegs gesammelten Kräutern und Früchten zubereiteten.

Die Feldmaus Okosch lud ihre hier zahlreich wohnende Verwandtschaft ein. Der Rabe Hollo besuchte seine lange nicht gesehenen Freunde, die hier wohnten. Als das Feuer ausging, kuschelten sich beide Mädchen an den Schäferhund Lusto und schliefen fest ein.

Am Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, fing die mühsame Kletterpartie an. Für den Schäferhund Lusto erwies sie sich als besonders schwierig. Die Zwillinge benutzten also die Leinen, um an den unüberwindlichen Stellen den Hund hochzuziehen. Dort, wo der Stamm sehr glatt war oder die Risse in der Rinde zu weit, benutzten sie die Äxte. Der Rabe Hollo flog unbekümmert um ihre Köpfe herum und machte überflüssige Bemerkungen, bis Orsolya den Geduldsfaden verlor und rief:

„ Wenn du uns nicht hilfst, werden wir den Wipfel nie erreichen! Nimm die Leine in den Schnabel und winde sie um den Ast….Ja, so ist es richtig; jetzt hält sie, danke.“

Die Feldmaus Okosch suchte ständig nach dem besten Kletterweg. Ihre scharfen Nägel erwiesen sich als ideal auf diesem beschwerlichen Weg. Als Gebirgsbewohner, war sie ein ausgezeichneter Kletterer und ging allen anderen voran. Orsolya und Aranka

haben ihr diese wichtige Aufgabe anvertraut, und die Maus löste sie ausgezeichnet. Manchmal kamen Augenblicke des Grauens, als Okosch auf einen Uhu, einen Falken oder einen Adler traf.

Doch der Rabe Hollo flog voraus und warnte sie von den drohenden Gefahren.

Sie kamen sehr langsam voran auf dieser gefährlichen Besteigung. Ein einziger Augenblick der Unaufmerksamkeit könnte den Tod bedeuten. Oft fielen Riesenbrocken von Baumrinde wie eine Gebirgslawinen herunter.

Spät am Abend fanden die Wanderer eine große Baumhöhle. Dort gab es einen kleinen Teich aus dem man trinken und in dem man sogar baden konnte. Aranka entfachte das Feuer und Orsolya fand eine Harzader, die sich als schmackhaft und süß wie Honig erwies. Auf diese Art bekamen sie ein ausgezeichnetes Abendessen. Und wie am Vorabend kuschelten sich die Zwillinge an den Schäferhund Lusto. Auch die Feldmaus Okosch fand im Riesenfell des Hundes ihren Platz. Nur der Rabe Hollo hielt schläfrig Wache am Rande der Höhle.

Die Mädchen hatten schon aufgehört, die Tage des Kletterns zu zählen. Sie wussten nicht mehr, ob es Donnerstag oder schon Sonntag war. Doch sie kamen den Wolken immer näher. Es wurde merklich kälter, und die Zwillinge zogen ihre Schaffelljacken an. Die Winde wurden so stark, dass der Rabe Hollo Schwierigkeiten mit dem Fliegen bekam. Aranka und Orsolya fingen zu zweifeln, ob sie das Ziel je erreichen würden. Sie waren sehr, sehr müde, und das Klettern wurde für sie immer schwieriger. Manchmal weinten sie in Erinnerung an die warme Stube zu Hause…Dann griffen sie zu dem Glöckchen, und sein Klang gab ihnen Trost, Wärme und neue Kräfte.

Eines Tages gerieten sie in schwarze, undurchdringliche Wolken. Eine klebrige Dunkelheit umhüllte sie; die Zwillinge spürten sie an ihren Gesichtern und Händen. Und in dieser Dunkelheit vernahmen sie plötzlich unheimliches Weinen, Winseln und Klagen. Etwas Unbeschreibliches näherte sich den Wanderern und flößte ihnen Angst ein.

Okosch schlüpfte unter das Hemd von Aranka und zitterte erschrocken; der Rabe Hollo versteckte sich unter dem Bauch des Schäferhundes, und selbst der blieb an den Beinen der Mädchen stehen und knurrte.

Die Zwillinge zündeten Fackeln an und hielten sie hoch über ihre Köpfe. Sie sahen, dass sie sich an einer Weggabelung befanden. Auf dem rechten Ast, der größer als ein Weg war, sahen sie ein Riesennest, in dem hundert oder mehr Kühe Platz gefunden hätten. Überall lagen Knochen und dampfende Körperreste von Tieren und Vögeln, und aus seiner Mitte stiegen beißende Schwaden von Schwefelrauch.

Plötzlich ertönte ein so schreckliches Geheul, dass der ganze Ast zu beben begann.

Die Mädchen fielen um, doch glücklicherweise gingen die Fackeln nicht aus. Lusto kugelte sich wie ein Ball in Richtung des Nestes herunter, doch er blieb am Rande des Nestes inmitten der abscheulichen Gerippe stecken. Der Rabe Hollo verschwand in einem Versteck.

„Wer wagt mich zu wecken? Wer zu mir kommt, wird aufgefressen!“, heulte der Teufel unvermittelt.

Er schwebte über den Mädchen auf seinen Drachenflügeln und war mit schwarzen Schweineborsten bedeckt, seine Beine hatten Hufe, und seine Tatzen waren mit säbellangen und messerscharfen Klauen bestückt. Aus seinem Rachen ragten die mit grünem Speichel bedeckten, spitzen Zähne. Zwischen seinen hervorquellenden Augen wuchs ein spiralförmiges Horn.

Aranka und Orsolya erstarrten zuerst vor Schreck, doch sie erinnerten sich sogleich an den Rat des Janosch und warfen mit einer Fackel nach dem Teufel.

Der bekam einen solchen Schreck, dass er von dem Nest wegflog und anfing wie Espenlaub zu zittern. Die Macht der Mächte, die den Himmelhohen Birnbaum bewacht hatte, fiel von ihm ab. Jetzt sah er wie ein alter, hilfloser Hahn.

„Sei gegrüßt, Herr Teufel, hab keine Angst. Wir kommen zu dir auf der Suche nach der Frucht des Lebens. Sei so nett und zeige uns den Weg, dann lassen wir dich in Frieden.“

Der Teufel beruhigte sich, als er merkte, dass die Mädchen ihm nichts antun wollten.

Die Feldmaus Okosch schlüpfte aus dem Hemd von Aranka heraus und nahm Platz an ihrer Schulter; der Rabe Hollo flatterte – der Teufel weiß woher! – hervor und nahm auf dem Kopf von Orsolya Platz, und der Schäferhund Lusto richtete sich auf und fing an mit dem Schwanz zu wedeln.

„Kehrt um,“ sagte der Teufel mit der Stimme, die lieblich klingen sollte, aber nicht überzeugend klang. „Kehrt um, hier endet der Baumstamm. Der Erzengel bewacht mit den Schwert der Wipfel, rechts von ihm befindet sich das Land der Drachen, über dem Baum herrscht der Gott Isten, und links ist das Land der Nymphen, dessen Königin jeden Eindringling von dem Baum herunterstürzt. Doch wenn ihr sagt, ihr wollt in ihre Dienste eintreten, dann wird sie euch verschonen, und euch vielleicht, wenn sie zufrieden mit euch ist, die Frucht des Lebens schenken.

Ich rate euch jedoch umzukehren. Wenn ihr wollt, fliege ich euch zu der Ebene zurück.“

„Vielen Dank für deine kostbare Anweisungen und Ratschläge,“ antworteten die Mädchen. „Ohne sie wären wir verloren. Doch wir müssen weiter, Opa Ferenc wird von Tag zu Tag schwächer. Wir gehen ins Land der Nymphen. Obwohl du ein Teufel und Feind des Lichtes bist – Gott sei dir gedankt.“

Als der Teufel diese Worte hörte, griff er sich an die Ohren, verlor das Gleichgewicht und stürzte aus dem Nest mit einem Winseln hernieder.

Der Platz blieb aber weiterhin unheimlich. Die Wanderer verließen ihn schnell und wandten sich nach links, zu dem Land der Nymphen.

Fortsetzung folgt.
Bild – Tibor Jagielski

Das Märchen von den Zwillingen 1

Krzysztof Jagielski

aus dem Polnischen von Tibor Jagielski

Einführung

Es gab einmal vor langer, langer, sogar sehr langer Zeit, in Siebenbürgen, ein ungarischer Dorf namens Kaszoningyar. Dort wohnte ein Bauer, der Zsigmond Gabosi hieß.

Er hatte so viele Kinder, dass er – wie er lachend sagte – nicht einmal wußte, welche im Frühjahr und welche im Herbst geboren waren.

Um die Wahrheit zu sagen, es gab deren elf, sechs Söhne und fünf Töchter.

In diesen alten Zeiten sagte man: “Hut geht vor der Haube“, darum war der Bauer Gabosi traurig, daß so wenig Söhne im Hause herumliefen. Aber er hatte die Hoffnung, daß seine Frau Terezia, die gerade wieder schwanger war, ihm noch einen Sohn gebären würde. Es kam jedoch nicht dazu…Aber der Reihe nach.

Die Bäuerin Terezia gebar ihre Kinder in ihrem Haus, in der Küche. Das war der größte Raum, dessen Löwenanteil ein gemauerter Ofen einnahm, man konnte auf ihm nicht nur viele Töpfe unterbringen, Brot backen und während der Feiertage ein Ferkel oder ein paar Gänse braten, man konnte auf ihm sogar sehr bequem schlafen. Während des strengen Winters strahlte er wärme aus, so daß man sich nicht wundern darf, daß die Bewohner sich dort am liebsten versammelten.

Eines Novembernachmittags, als der Schnee schon bis zum Dachrand reichte und die rote Sonne sich hinter den hohen Berggipfeln zu verschwinden schickte, konnte das geschäftige Treiben der Nachbarinnen in der Küche, das Gurgeln des heißen Wassers in den Töpfen, die leere, mit duftendem Stroh ausgelegte Wiege, nur eines bedeuten – die Vorbereitungen auf die Ankunft des zu erwartenden Kindes.

Und so erblickte ein zartes Mädchen das Licht der Welt, und, als man den Bauern rief, damit er sich mit dem frisch Geborenen freuen durfte, passierte etwas Unerwartetes: fünf Minuten später gebar die Bäuerin noch ein zweites.

Es wurde still. Man konnte nur das Rauschen des brennendes Holzes hören. Auch die Neugeborenen schrien, wie es üblich ist, nicht. Der Bauer, an den Tisch gelehnt, schwieg erschüttert, und die Brüder und Schwestern, die inzwischen in die Küche gedrängt waren, beobachteten mit großen Augen dieses Naturwunder. Zwei Mädchen?! Das konnten sogar die Erwachsenen nicht verstehen. Bis heute hatten sogar die Ältesten nichts von einem solchen Ereignis berichtet, ja, nicht einmal davon gewusst, jedenfalls hier, im Gebirge, im Komitat Nagykaszon. Und Bauer Gabosi, der mit allen Wassern gewaschen war, konnte kein Wort über die Lippen bringen.

Endlich erinnerten sich die Zwillinge an ihre Pflicht und fingen an zu schreien; man weiß nicht, ob vor Kälte oder Hunger, oder ob sie einfach ein Zeichen setzen wollten, daß sie geboren worden waren und man sich mit ihnen beschäftigen sollte.

Schon goss man warmes Wasser in den Trog, in dem man üblicherweise Brot knetete, schon

fing die Geschwisterschar auch zu schreien und zu drängen an, um den Schwestern näher zu kommen, schon half man der Bäuerin, schon genossen die Mädchen ihr erstes Bad.

Der Bauer rief den Opa Ferenc und goß in die Kelche Birnenschnaps. Und als sie ein und ein zweites Mal getrunken hatten, setzten sie sich auf die Bank, um über die Namen für die Mädchen zu beraten. Dann legten sie sie fest – die ältere soll Aranka, die jüngere Orsolya heißen; wie die Großmutter. Und so wurden sie getauft.

Als die Neugeborenen, eingewickelt in saubere Leinentücher, schliefen und die Bäuerin Terezia auf dem warmen Ofen ruhte und die Dunkelheit von den Öllampen erhellt wurde, saßen am Tische der Bauer Zsigmond, Großvater Ferenc, Großmutter Ildiko, Bäuerinnen, die bei der Geburt geholfen hatten, sowie die ältesten Söhne. Man langte zu dem speziel für diesen Tag gebackenen Kuchen Pogatsch, trank vorsichtig den starken Birnenschnaps oder genoss den alten Wein aus den Tonkrügen.

Kein Gespräch kam zustande. Der Bauer schaute manchmal die Zwillinge an. Doch sein Gesicht war trübe, man weiß nicht, ob aus Enttäuschung, dass es die Mädchen und nicht den erhofften Jungen gegeben hatte, oder ob schwarze, abergläubische Gedanken ihn plagten. Aus Achtung schwiegen alle.

Großvater Ferenc räusperte sich, zog zweimal an der Pfeife und sagte:

„Heute haben wir den 13.November, dreizehn Kinder wurden geboren, und wie ich gerade zähle, sitzen wir in der Stube, deren Decke von dreizehn Balken getragen wird, auch zu dreizehn; ich heiratete die Großmutter auch am Dreizehnten. So sehe ich, dass 13 eine glückliche Zahl sein muss. So war es früher. Ich sage euch, es ist ein gutes Zeichen, ein Geschenk des Erzengels und nicht, pfui!, der Teufelsmacht“.

Als in der Küche die Aufbruchstimmung einzusetzen begann, kam plötzlich ein unerwarteter Gast herein und fegte den Schnee von der Schafskutte und von seinen langen, weißen Haaren herab. Im Halbdunkel konnte man zuerst sein Gesicht nicht erkennen, aber als er an den Tisch, ins Öllampenlicht trat – erhoben sich die Anwesenden und riefen durcheinander:

„ Janosch Kovacs, um Himmelswillen…!“

„ Sei gegrüßt Bauer, seid gegrüßt Leute. Mich friert und ich habe Hunger von der langen Reise, erlaubt es mir, ein Weilchen auszuruhen“. Und ohne auf die Erlaubnis zu warten, warf er die Kutte auf die Bank und kam an die Wiege. Die Zwillinge öffneten die Augen und lächelten ihn an. Dann setzte er sich an den Tisch und aß gierig, tunkte Brot in die Soße und langte oft zum Weinkrug, ohne sich um seinen langen Schnurbart zu kümmern.

Obwohl jeder tausend Fragen stellen mochte, schwiegen alle und ließen den unerwarteten Gast seinen Hunger stillen. Man beobachtete aufmerksam jede seiner Bewegungen.

Vor vielen Jahren war er im Dorfe ein angesehener Schmied gewesen und lebte gut, bis eines Frühjahrs die Bäche über die Ufer gestiegen waren und die Täler überschwemmt hatten, die Anwesen vernichtet und viele Menschen getötet wurden. Auch die Familie von Janosch – die Frau und seine vier Kinder gehörten zu Unglücklichen.

Seitdem war er verschunden, als ob ihn die Erde verschluckt hatte, und es wurde still um ihn.

Jetzt war er zurückgekommen. Aber wie hatte er den meterhohen Schnee überwunden, der die Wege versperrte?

Bis jetzt war das keinem gelungen; auch im Sommer brauchte man aus dem nächstgelegenen Dorf viele Stunden, um hierher zu gelangen. Die Zwillinge, die Rückkehr des Janosch, der dreizehnter November – sollte das ein Zufall sein? Alle warteten auf Kovacs Worte.

Der hörte auf zu essen und setzte sich auf den Ofen, angelehnt an den warmen Kamin. Großvater Ferenc reichte ihm eine seiner langen Pfeifen und das Säckchen mit Tabak. Janosch stopfte langsam den Pfeifenkopf, zündete ihn mit einem Holzstück an und zog ein paarmal.

In der Stube war es so still, dass man das Zischen der Öllampendochte hören konnte.

„ Vielen Dank, Bauer, für Speis und Trank“ – sagte Janosch endlich. Obwohl seine Haare weiß und sein Gesicht mit Furchen gepflügt auf ein hohes Alter hinwiesen, klang seine Stimme hell und kräftig, und seine Augen brannten wie Glut im Halbdunkel.

– “Vielen Dank für die Gastfreundschaft. Einen langen Weg habe ich hinter mir, ich wollte hier sein, wenn die Zwillinge geboren werden. Woher ich von diesem Ereignis wusste und wie ich den Schnee überwand, das kann ich euch nicht berichten.

Mein Leben wäre sonst in Gefahr. Ich bin zurückgekommen und werde hier bleiben. Wenn der Frühling kommt, werde ich auf meiner Erde ein Haus bauen und dort wohnen. Jetzt erlaubt mir, Bauer, in die Scheune zu gehen und auszuruhen, da ich sehr müde bin, und auch die Zwillinge brauchen ihre Ruhe.“

Die Versammlung löste sich zögernd auf. Janos unerwartete Rückkehr, die Geburt der Zwillinge, der dreizehnte November, all das erfüllte die Menschen mit abergläubischer Furcht. Alle waren Christen, doch seit Menschengedenken glaubte man in Siebenbürgen an Zauber und Hexen. Die umliegenden Berge und Wälder waren voll von Geistern, die in Tiergestalten herumwanderten und fähig waren, in Menschenleiber einzudringen; in den Schluchten und Grotten wohnten Drachen und Lindwürmer, die unermessliche Schätze argwöhnisch bewachten. Man sprach vom Himmelhohen Birnbaum, dessen Früchte jede Krankheit heilen sollten, und von Wagemutigen, die auf der Suche nach ihm vom Teufel gefressen worden waren. Doch wo dieser Baum wuchs, wusste niemand. Vielleicht sind die Geister von Bären oder Bergadler in den Zwillingen wiedergeboren worden? Fragen über Fragen…

In Erwartung des Frühlings und um sich bei dem Bauern für Obdach und Bewirtung zu bedanken, half Janos Kovac´s auf dem Hof. Er reparierte nicht nur kaputte Schlösser, Pflüge und andere Feldgeräte, sondern nahm eine dampfgetriebene Dreschmaschine in Betrieb. Die meiste Zeit verbrachte er im Stall. Die Pferde wieherten zufrieden, ihre Haut glänzte, man sah, dass Kovacs Obhut ihnen gut tat. Er sprach mit den Rössern wie mit den Menschen, doch keiner wunderte sich. In Ungarn war das Pferd nicht nur ein Freund, es gehörte einfach zur Familie. So war es seit jeher, als die Ungarn noch in den Steppen wohnten.

Kovac´s zweites Steckenpferd waren die Zwillinge. Obwohl sich, nach altem Brauch, ausschließlich die Frauen um die Kinder zu kümmern hatten, wurde Janos Kovacs ihr ständiger Begleiter. Großmutter Ildiko fluchte laut über diese Unanständigkeit, aber der Schmied lies sich nicht beirren und tat das Seine. Unter die Wiege zimmerte er Kufen und zog sie überall mit hin, wo er sich bewegte. Und da er die meiste Zeit im Stall verbrachte, so kann man sagen, dass die Zwilinge mit den Pferden aufwuchsen. Seine Liebe zu den Mädchen wurde von den Dorfbewohnern mit der Sehnsucht nach den eigenen, in der Katastrophe umgekommenen Kindern erklärt.

Doch Janos Kovacs war der einzige im Siebenbürgenland, der die Wahrheit kannte. Aranka und Orsolya waren sein Trost auf dieser Erde, und er brachte den beiden die Sprache der Tiere bei, wie es der Wille der Königin der Nymphen vom Himmelshohen Birnbaum war.

Sie hatte ihm auferlegt, auf die Erde zurückzukehren, in sein Dorf Kaszoningyar, um die Zwillinge in seine Obhut zu nehmen. Obwohl Kovacs die Liebe und den Frieden in dem Königreich der Nymphen wahrlich genossen hatte, beugte er sich dem Befehl der Königin, die ihm während der Wanderung zu dem Himmelshohen Birnbaum das Leben gerettet hatte, als er die lebensspendenden Früchte für seine Frau und Kinder gesucht hatte. Aber diese lebten schon glücklich im Siebten Himmel. Und der Erzengel, Wächter der Sieben Himmelsphären, ließ ihn einen Einblick gewähren.

Und so war Janos Kovacs zurückgekommen auf dem siebenbeinigen, geflügelten Ross, das schneller als die schneeschwangeren Wolken und der Abendfrost war, und war vor dem Haus des Bauers Gabosi unbemerkt gelandet, wo alle so mit der Geburt beschäftigt gewesen waren.

Die Tage vergingen, die Monate vergingen. Die Zwillinge wuchsen rasch und genauso prächtig heran wie ihre Zeitgenossen, obwohl man munkelte, dass sie „anders“ seien. Vielleicht waren sie doch etwas kräftiger, reger, aufmerksamer. Ihre Augen funkelten, pechschwarze Zöpfe fielen auf die Arme, die Gesichter waren braungebrannt von Sonne, Wind und Regen. Man hörte sie mit Schwalben, Kühen, Pferden, Mäusen, sogar Käfern, sprechen. Doch keiner nahm es ihnen ab; andere Kinder lachten sie aus, und die Erwachsenen zeigten ihnen einen Vogel.

Je älter sie wurden, desto kürzer wurde die Zeit für Spiele. Es kamen neue Hausaufgaben auf sie zu. Die Mädchen waren sehr tüchtig und halfen gerne überall mit. Sie fegten mit den Gänseflügeln Haus und Hof; sie tränkten die Pferde, melkten die Kühe und weideten, gemeinsam mit den älteren Geschwistern, die Schafe auf der Alm. Das strenge Klima, die schwere Hofarbeit, das Klettern auf den Felsen, das Sammeln von Beeren, Kräutern und Pilzen, härteten sie ab.

Sie durchstreiften nicht nur das Gebirge und halfen der Mutter, sondern lernten ihre Welt genau kennen. Und sie hatten zwei ausgezeichnete Lehrer dabei – Opa Ferenc und Janos Kovacs.

Im Hause Gabosi gab es, außer der Bibel, alte, schon vergilbte Zeitschriften, diverse Bauernkalender und sogar ein Kochbuch. Das waren die Wissensquellen für Orsolya, Aranka und ihre Geschwister. Opa Ferenc bemühte sich redlich, allen Kinder Lesen und Rechnen beizubringen.

Die Zwillinge erwiesen sich als erstaunlich lernfähig. Im Alter von fünf Jahren hatten sie schon ihre Geschwister überflügelt.

An die Stelle des alten, durch die Flut vernichteten Anwesens, baute sich Janos Kovacs eine kleine Hütte. Den Schmiedeberuf hängte er an den Nagel. Er half den anderen Dorfbewohnern bei den täglichen Arbeiten, doch vor allem widmete er jede freie Minute Orsolya und Aranka. Er kümmerte sich um sie und wurde zu ihrem Schatten. Die Mädchen hingen an ihm, da er die Sprache der Tiere kannte und ihnen die Geheimnisse der Natur offenbarte.

Er lehrte sie die Kraft der Kräuter, die Heilkraft der Bäume, der Steine und Felsen kennen. Gemeinsam durchwanderten sie kniehohe Moraste, voll von Blutegeln und Mücken; gingen durch halshohen Schnee; kletterten auf steile, bemooste Wände, übersät von scharfen Steinen; durchquerten hohe Gebirgspässe, um dorthin zu gelangen, wo die Familie des Steinadlers wohnte und der Bär seine Höhle hatte; sie wateten durch Bäche, wo sich Forellen versteckten und Krebse im Krebsgang krochen; durchstreiften die Täler, wo Murmeltiere huschten und Steinböcke sprangen; beobachteten das Leben der Ameisen, der Spechte und schauten zu, wenn der Falke das Kaninchen fing; sie spürten die Winde und den Lauf der Wolken und lernten das Wetter vorauszusagen – ob sonnige Tage, ob Gewitter voll Regen oder Schnee zu erwarten wären

So lehrte Janos Kovacs die Mädchen, die Welt zu lieben und zu achten.

Doch über den Himmelshohen Birnbaum schwieg er.

Die Zwillinge wurden erwachsen. Man beäugte sie im Dorfe inzwischen nicht mehr, sondern brachte ihnen viel Achtung entgegen, da sie imstande waren, viele Dorfbewohner von ihren Krankheiten zu heilen. Auch kranke Tiere wussten sie zu pflegen – auch ein gebrochenes Kuh– oder Schafsbein vermochten sie zu richten.

Doch der Großvater bereitete ihnen Sorgen. Er blieb immer öfter auf dem Ofen liegen. Geplagt von Schmerzen, die seine Hände krümmten, konnte er nicht mehr seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen – dem Schnitzen von Stöcken, die Bauer Gabosi oft auf den umliegenden Märkten verkauft hatte. Großvater hatte selbst mehrere davon: einige für den Alltag, und andere für die Feiertage.

Nur einen außergewöhnlichen, der auf dem Ofen hing, lies er niemanden anfassen, nicht einmal die Zwillinge. Warum? Das blieb Großvaters Geheimnis.

Keine Medizin, weder Kräuterbäder, Murmeltier- oder Bärensalben, weder Janos Kovacs’ Besprechungen noch Gebete der Nächsten, vermochten ihm zu helfen. Der Großvater bereitete sich auf den Tod vor.

Orsolya und Aranka waren verzweifelt und baten sogar die Tiere und Vögel um Hilfe. Doch keiner wusste Rat – und Opa Ferenc wurde von Tag zu Tag schwächer.

Eines Sommernachmittags kamen die Zwillinge auf der Rückkehr vom Forellenfang, bei Janosch vorbei. Im Schatten der Eiche im Garten, als sie die, sehr schmackhaft vorbereitete, Fischsuppe gegessen hatten, hörten sie Janoschs Erzählung zu. Er offenbarte den beiden sein Geheimnis. Er sprach von der Reise zum Himmelshohen Birnbaum und seiner Suche nach den Früchten des Lebens. Die Mädchen wurden murcksmäuschenstill, ergriffen von der Ungewöhnlichkeit der Geschichte. Es fing schon an zu dämmern, als Janosch, das Gesicht in den Händen vergraben, sichtlich erschöpft, seine Geschichte beendete. Orsolya und Aranka schmiegten sich an den Mann, um ihn zu trösten und zu zeigen, wie nah er ihnen war. Jetzt begriffen die Zwillinge, dass die einzige Rettung für den Großvater die Früchte des Lebens sein könnten. Sie waren zum Aufbruch bereit, trotz aller Gefahren und Ängste, die sie, nur auf die eigenen

Kräfte bauend, würden überwinden müssen. Doch wie könnten sie aufbrechen ? Die Eltern würden es bestimmt verbieten, und der Großvater würde davon abraten.

Janosch merkte ihre Ängste, ihre Zweifel. Er wusste, dass die Königin der Nymphen ihn auf die Probe stellte. Die Zwillinge waren sein Trost, er liebte sie wie seine eigenen in der Flut verlorenen Kinder. Doch jetzt musste er über den Abschied entscheiden. Wenn sie zurückkommen würden, würde er nicht mehr da sein, sondern bei seinen Nächsten, im Siebten Himmel.

Die Entscheidung aber war schon gefallen. Die Mädchen waren entschlossen, diese abenteuerliche Reise zu wagen. Und keiner konnte sie mehr aufhalten, nicht einmal Janosch selbst.

So musste er sie vorbereiten und ihnen viele Ratschläge erteilen. Doch nicht jedes Geheimnis konnte er preisgeben, da ihm das doch die Königin der Nymphen strengstens verboten hatte.

Sie müssten alleine zurecht kommen, selbst lernen, richtige Schlüsse zu ziehen, die Angst und eigenen Schwächen zu überwinden.

Als über den Wipfeln die rote Sonne herunterfloss und der Schatten der Tannen immer länger wurde, entfachte Janosch Kovacs ein Lagerfeuer und ging zurück in die Hütte.

Nach einer Weile, genau bei Einbruch der Dunkelheit, hörte man rhythmische Trommelschläge, und Janosch trat heraus. Mit einem Spitzhut mit Eulenfeder und Hirschledermantel verkleidet, mit Glöckchen und Krimskrams behangen, kam er an das Feuer heran und fing an zu tanzen, gleichzeitig mit den hölzernen Stöckchen auf die Trommel schlagend. Er stieß dabei kaum verständliche Laute raus. Die Mädchen erkannten den Ruf des Falken, das Heulen des Wolfes, und Schrei eines Schafes, das zerrissen wird.

Plötzlich fing er an zu singen:

Ko – ho –i ke – ho oj – kej –kou
Ko – ho – i … Alle toten Geister,
Wenn ich euch darum bitte,
oj – kei – kou!
Hört auf die verzauberte Stimme meiner Trommel!

Die Bewegungen des Tänzers wurden immer ruhiger, und die Stöcke wirbelten immer langsamer, und seine Stimme wurde farblos und monoton.

Orsolya und Aranka schliefen ein. Und ihnen träumte, dass Janosch mit ihnen sprach.

Er wies den Mädchen den Weg zum Himmelhohen Birnbaum; er zeigte ihnen den über den Gebirgspass wachenden Riesen, in dessen Ohr sich ein Schlüssel befand; er erzählte von dem Teufel über den Wolken, der den Birnbaum hütete und wie man ihn mit Feuer besiegte; er erzählte und erzählte…

Die Mädchen wachten am nächsten Morgen in ihren Betten auf und wunderten sich, wie sie wohl nach Hause gelangt waren. An den Traum konnten sie sich beide jedoch genau erinnern : sie sollten zur Eiche mit der ausgebrannten Höhle gehen, dort einen Stock nehmen mit dem Knauf in Gestalt des Kopfes der Königin der Nymphen; Äxte mit kurzen Griffen, mit Silber beschlagene Bögen aus Knochen, deren Saiten aus Hirschgedärmen gefertigt waren; meterlange, elastische Schnüre; das Glöckchen und den Feueranzünder sowie wundersame Krafttropfen. Dort sollten auch Tiere auf sie warten.

Doch welche, hatte Janosch nicht erwähnt.

Den Eltern konnten sich Orsolya und Aranka bezüglich ihrer Reise zum Himmelhohen Birnbaum nicht offenbaren; sie wären dann sicher in einer dunklen Kammer eingesperrt und streng bewacht worden. Sie gingen zum Opa Ferenc.

Großvater hörte ihnen schweigend zu, weinte , schloss sie in die Arme, küsste und bekreuzigte sie. Dann zeigte er auf den Stock, der an dem Ofen hing und sagte:

„Nehmt ihn mit. Er kann euch in vielen gefährlichen Situationen behilflich sein. Ich weiß, dass ich euch nicht aufhalten kann. Ich warte auf euch.“

Die Zwillinge packten Käse, Pogatsch, Räucherspeck und warme Sachen in die leinenen Säcke und verließen das Haus.

 

Fortsetzung folgt
Die Bilder – Tibor Jagielski