Biste bescheuert…

Michael G. Müller

Biste bescheuert…“ – ein ganz normaler Tag in Berlin

Ich stehe (für meine Verhältnisse) früh auf, weil ich vor zehn Uhr nach Pankow kommen muss – zu einem wissenschaftlichen workshop. Gut, ich stehe also in unserer Charlottenburger Wohnung rechtzeitig auf, esse ein schnelles Frühstück, schaue dabei auf den netten kleinen Park vor unserem Wohnkomplex und mache mich dann auf den Weg zur S-Bahn. Ich begegne gleich um die Ecke einer älteren Frau – habe sie schon öfter gesehen – mit langen grauen Haaren, etwas gehbehindert, eigentlich freundlich; diesmal wird sie von einer jungen Betreuungskraft (?) begleitet. Heute hat die Frau riesig lange rote Krallen auf ihre Finger gesetzt und sie beschwert sich laut. Die Betreuerin redet „vernünftig“ mit ihr; es geht um irgendeine Beschwerde, wegen derer die Frau unbedingt die Verbraucherzentrale anrufen will. Die Betreuerin bugsiert sie freundlich in die S-Bahn…

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Die Sache mit Deutschlands historischer Verantwortung

Michael G. Müller

Ende 2023 besucht eine polnische Journalistin ein Gymnasium in Frankfurt am Main. Sie spricht mit einem Lehrer und etlichen Schülerinnen und Schülern – um herauszufinden, was junge Deutsche über die Geschichte des deutschen Besatzungsterrors in Polen im Zweiten Weltkrieg lernen und wissen (wir berichteten darüber). Die Befragten zeigen sich offen und gesprächsfreudig, aber das Ergebnis ist dennoch niederschmetternd. Der eigentlich hoch engagierte Geschichtslehrer berichtet, wie schwierig es ist, in der knappen Zeit, die ihm für die Behandlung von NS-Regime und Zweitem Weltkrieg zur Verfügung steht (gerade einmal fünf Doppelstunden!), der Aufgabe gerecht zu werden. Trotzdem gibt er nicht auf, lädt Zeitzeugen in den Unterricht ein und organisiert Klassenfahrten nach Auschwitz oder Dachau, hat sogar ein Austauschprogramm mit einer Schule in Krakau eingefädelt (das allerdings die polnischen Partner zu PiS-Zeiten wieder einschlafen ließen). Am Lehrer liegt es jedenfalls nicht.

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Wim Wenders und die Nobeltoiletten von Shibuya

Michael G. Müller

Als ich aus dem Wenders-Film „Perfect Days“ kam, war ich beeindruckt und verwirrt zugleich. Beeindruckt war ich von den atemberaubenden Bildern von Tokio (meistens von den schöneren Seiten), von der wunderbaren Hauptfigur (dargestellt von Kōji Yakusho) mit ihrer irgendwie geheimnisvollen Geschichte – ja und natürlich von den öffentlichen Toiletten in Shibuja, nicht nur Tempel zivilisierter öffentlicher Hygiene, sondern auch kleine architektonische Meisterwerke. Sie entstanden übrigens im Rahmen des Prestigeprojekts The Tokyo Toilet, über das man sich auf der Homepage tokyotoilet.jp kundig machen kann.

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Vor 450 Jahren…

Warschauer Konföderation

Adm(inka): Der neuen Regierung Polens fürs Neujahr / Nowemu rządowi Polski na ten Nowy Rok

Michael G. Müller

Wo und wann wurde in Europa erstmals das Prinzip bestätigt, dass man Menschen anderen Glaubens dulden und respektieren soll? War es in Deutschland, im damaligen Heiligen Römischen Reich, als sich 1555 die Reichsfürsten und der Kaiser angesichts einer politisch-militärischen Pattsituation zähneknirschend darauf einigten, dass künftig das römisch-katholische und das lutherische (aber auch kein anderes!) Bekenntnis in den Territorien des Reichs zugelassen sein sollten – nach dem Prinzip cuius regio, eius religio (wessen Land, dessen Religion)? Oder war es im Westfälischen Frieden von 1648, der jetzt auch das Reformierte (calvinistische) Bekenntnis anerkannte? Oder aber in England 1689, als das Parlament, im Sinne der Ideen John Lockes, den Toleration Act verabschiedete, der manchen, aber durchaus nicht allen sogenannten „Dissentern“ eine begrenzte Glaubensfreiheit einräumte? Nein – es war im alten Polen-Litauen, vor genau 450 Jahren, nämlich 1573, als der polnisch-litauische Reichstag ein Gesetz über den allgemeinen Landfrieden für das gerade beginnende Interregnum erließ – die sogenannte Warschauer Konföderation.

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Warum Deutschland?

Michael Müller

(…)

Warum überhaupt hat Aleksander Brückner sich dafür entschieden, seinen wissenschaftlichen Weg in Deutschland zu gehen? Dass er sich sehr bewusst dafür entschieden hat, ist unbestreitbar. Seine akademische Heimat war eigentlich Lemberg/L’viv, danach Wien, wo er bei den damals führenden Slavisten weiter studierte und 1876 auch promoviert wurde. Es zog ihn dann jedoch weiter nach Leipzig und Berlin, und 1878 verfasste er, auf Deutsch, seine Studie über die slawischen Ortsnamen in der Altmark und im Magdeburgischen. Er reagierte damit auf die von der Leipziger Societas Jablonoviana damals zu eben diesem Problem ausgeschriebene wissenschaftliche Preisfrage, reichte die Studie aber zugleich als seine Habilitationsschrift ein, die er im selben Jahr in Wien verteidigte. Kurz kehrte er danach an die Universität L’viv zurück, um aber 1881 den Ruf als Professor für Slavistik an der Berliner Friedrich Wilhelms-Universität anzunehmen, zunächst als „außerordentlicher Professor“, seit 1892 dann als „Ordinarius“.

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Russlands Krieg gegen die Ukraine

und Deutschlands „Lehren aus der Geschichte“

Michael G. Müller (Historiker)

Es liegt nahe, dass die Deutschen, wenn es um ihre Einstellung zum Krieg in der Ukraine geht, darüber nachdenken, was ihre historischen Erfahrungen bzw. die der Ukrainer und der Russen ihnen an Orientierung geben sollten. Eher überraschend ist dagegen, dass sich eher nicht die Befürworter einer entschlossenen Unterstützung der Ukraine in diesem Krieg auf die „Lehren aus der Geschichte“ berufen, sondern – lautstark – die Skeptiker gegenüber dem Engagement der Bundesrepublik und der NATO, die unbeirrbar Friedensbewegten, die sofortige Friedensverhandlungen verlangen, sei es mit, sei es gegen den Willen der Ukrainer.

Aber welche Lehren wollen sie aus welchen historischen Erfahrungen ziehen? Geht es ihnen darum, im Sinn der deutschen Verantwortung dafür zu handeln, dass in dem deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieg in Osteuropa zwischen 1941 und 1944 etwa 5 Millionen Ukrainer, Soldaten und Zivilisten, ums Leben kamen, dass mehr als 2 Millionen Ukrainer als Zwangsarbeiter verschleppt und vielfach dem Tod überantwortet wurden? Eher nicht, denn von dieser historischen Verantwortung spricht in Deutschland heute erstaunlicher Weise so gut wie niemand. Was sind also die „historischen“ Argumente der Friedensbewegten? Hier einige Beispiele.

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Vor 250 Jahren: die erste Teilung Polens 1772

Michael G. Müller

Drei Fragen zu dem Ereignis von 1772 sollen hier gestellt und diskutiert werden. Die erste ist die, ob – und, wenn ja, warum – die erste Teilung Polens eine Zäsur in der europäischen Geschichte markiert. Sehr klar hat Edmund Burke schon 1773 diese Frage beantwortet. Die „gewaltsame Zerstückelung“ Polens, „ohne den Vorwand eines Kriegs oder auch nur den Anschein von Recht“, schrieb er im Annual Register für das Jahr 1772, sei „der erste wirklich große Bruch in der modernen Ordnung Europas“, ein Akt, mit dem „die Axt an die Wurzeln unserer großen westlichen Republik gelegt worden ist“.

So dramatisch das klingen mag – auch Historikerinnen und Historiker müssen Burke heute bei nüchterner Analyse im Kern Recht geben. Zunächst einmal: Es gab tatsächlich keinerlei plausiblen Grund und keinerlei nachvollziehbare Rechtfertigung dafür, dass die drei Nachbarmächte der polnischen Republik 1772 große Teile von deren Territorium willkürlich annektierten. Kein heißer Krieg zwischen Polen und den Teilungsmächten war vorausgegangen. Keine internationale Krise, die nur auf diese Weise hätte entschärft werden können. Die Nachbarn wollten es einfach. Um genau zu sein: Russland, das de facto weitgehend alleine in den polnischen Angelegenheiten entschied, entschloss sich dazu und gab 1771 grünes Licht für das Teilungsgeschäft. Preußen und, etwas verzögert, Österreich ließen sich mehr als willig darauf ein. Alle drei gewannen dabei.

Weiterhin: Ein Bruch in der „modernen Ordnung Europas“ im Sinne Burke’s war das in der Tat. Was Burke mit „unserer großen westlichen Republik“ meinte, war im Wesentlichen die Gemeinschaft der europäischen Signatarmächte des Westfälischen Friedens von 1648 und der Friedensverträge am Ende des Spanischen Erbfolgekriegs (1713-1715). Die Friedenschlüsse hatten die großen Hegemonial- und Religionskriege beendet und sie sollten eine Art neuartigen europäischen Konsensus etablieren: einen Konsensus über die gemeinsame Erhaltung des europäischen Gleichgewichts und über die strikte Achtung der Souveränität und Integrität der Staaten. Beide Prinzipien wurden mit den Teilungsverträgen ausgehebelt.

Interessant dabei nicht zuletzt, wie die Teilungsmächte die Nicht-Achtung des Verbots der Intervention gegen souveräne Staaten gerechtfertigt haben: Sie erfanden eine neue Formel, wonach ein Zustand von „Anarchie“ (so wie er in Polen seit 1768 angeblich geherrscht habe) die Nachbarn zur Intervention zwinge – auch um der Sicherheit ganz Europas willen. Das war nach zeitgenössischen Standards ungefähr ähnlich plausibel wie heute Putins Rede von der Verantwortung Russlands für die Entnazifizierung der Ukraine.

Aber sehen wir einmal von dem völkerrechtlichen Aspekt ab. Auch ganz praktisch wurde der Zäsurcharakter der Entscheidung von 1772 sofort sichtbar. Von außen gesehen war die neue Liga der Teilungsmächte derart dominant, dass sie nicht nur willkürlich über Polen verfügen konnte, sondern auch über die Verhältnisse in Deutschland. Die panikartigen und zugleich hilflosen Reaktionen der deutschen Reichsstände auf die Teilungsnachricht (z.B. Sachsens, Bayerns, der Pfalz) zeugten davon. Im Innenverhältnis aber funktionierte die Teilungsliga als eine Art kompetitive Zwangsgemeinschaft. So alternativlos das weitere Zusammenwirken in Bezug auf Polen war, so deutlich konkurrierten hier einzelstaatliche Ziele und Interessen; dass es früher oder später zur weiteren Aufteilung Polens kommen würde, lag angesichts dieser Spannungen auf der Hand. Herr Krzeminski hat also absolut recht: 1772 war der Anfang vom Ende des alten Polen, aber ebenso des alten Reichs.

Den Langzeitfolgen der Teilungen gilt meine zweite Frage. Wie, und wie lange eigentlich, haben die Teilungen nachgewirkt? Fasst man die Frage eng, und bezieht man sie allein auf Polen, dann scheint die Antwort auf der Hand zu liegen. Die polnische Gesellschaft blieb auf ihrem Weg in die Moderne solange fremdbestimmt, beeinträchtigt, in ihrer Entwicklung gehemmt, wie die Teilungslage selbst andauerte, also bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Der Verlust der Souveränität bedeutete für alle drei Teilungsgebiete eine nachhaltige Marginalisierung im Rahmen des jeweiligen Teilungsstaats – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich, struktur- und bildungspolitisch, elitensoziologisch, in unterschiedlichem Maße auch kulturell. Man könnte, in Abwandlung von Milan Kunderas Diktum vom „gekidnappten Westen“, von einer „gekidnappten Nation“ sprechen. Die Traumata dieses Kidnapping haben natürlich lange über 1918 hinaus nachgewirkt. Bis heute sind die Trennungslinien zwischen den Teilungsgebieten als Phantomgrenzen erkennbar.

Fasst man die Frage nach den Folgen der Teilungen weiter, bezieht man sie auf Ostmitteleuropa insgesamt, dann wird es komplizierter. Ganz sicher waren die Teilungen jedenfalls ein zentraler Faktor bei Preußens weiterer Entwicklung. Der territoriale Zuwachs hat Preußens wirtschaftlich-fiskalische Ressourcen beträchtlich vermehrt, sein militärisches Potential gestärkt, zugleich neue außenpolitische Optionen geschaffen. Die napoleonischen Kriege blieben in dieser Hinsicht Episode; Preußen blieb auch nach 1815, wie Klaus Zernack gesagt hat, eine „halbdeutsche Großmacht“ mit einer Machtbasis außerhalb des alten Reichs. Die Entwicklung des österreichisch-preußischen Dualismus im Deutschland des 19. Jahrhunderts und der Weg zur Reichsgründung von 1871 waren davon deutlich geprägt.

Die Kehrseite aber – und zwar nicht nur für Preußen, sondern für alle Teilungsmächte: die dauernde Herausforderung durch die polnische nationale Bewegung. Sie entwickelte trotz, oder eher wegen, aller Versuche, sie zu unterdrücken, eine über die Generationen wachsende gesellschaftliche Mobilisierungskraft gegen die Staatsmacht. Wie Hans-Ulrich Wehler gezeigt hat, entwickelte sich die sogenannte Polen-Frage, sogar zu einem der großen „Krisenherde des Kaiserreichs“. Zugrunde gegangen ist das Kaiserreich daran natürlich nicht. Aber der sich ständig radikalisierende, um 1900 omnipräsente Nationalitätenkonflikt in den sogenannten Ostmarken hat das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen irreparabel beschädigt.

Zum ideologischen Erbe des Kaiserreichs sollte denn auch eine tief verwurzelte deutsche Polenfeindlichkeit gehören. Nach 1918 hielt die Mehrheit der Deutschen die bloße Existenz des wiedererstandenen Polen, dieses „Saisonstaats“, für unerträglich; die nach dem Ersten Weltkrieg gezogene deutsch-polnische Grenze (auf die sich übrigens nach 1945 die Bundesrepublik stets berufen hat) galt damals als „blutende Grenze“ und deshalb als inakzeptabel; der Anweisung des deutschen Oberkommandos im Jahr 1939, dass der Krieg gegen Polen mit (Zitat) „größter Härte“ geführt werden müsse, folgte die Wehrmacht im September `39 willig. Wann endete auf dieser Ebene die Wirkungsgeschichte der Teilungen? Auf deutscher Seite: vielleicht 1980, als uns die Solidarnosc-Bewegung neuen Respekt für Polen gelehrt hat? Vielleicht aber auch erst später?

Meine dritte und letzte Frage ist die nach der kollektiven Erinnerung an die Teilungen Polens und deren Wirkungsgeschichte. Sind die Teilungen Polens ein lieu de mémoire im Sinn von Pierre Norat? In Deutschland ganz sicher nicht. Das in Deutschland durchaus vorhandene Bewusstsein von einer deutsch-polnischen Konfliktgeschichte reicht in der Regel kaum hinter den Zweiten Weltkrieg zurück. Man mag gehört haben von den Grenzkonflikten nach dem Versailler Frieden oder auch von den „Nationalitätenkämpfen“ im Osten des Kaiserreichs. Welche Vorgeschichte diese hatten, erfuhr man im Geschichtsunterricht aber nicht. Das Schulbuch zur europäischen Geschichte, das wir – die Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission – jetzt gemeinsam erarbeitet haben, ist meines Wissens das erste Geschichtsbuch in Deutschland, in dem die Teilungen Polens überhaupt als eigenes Thema vorkommen.

Ganz anders natürlich in Polen. Vielleicht nicht die Verlaufsgeschichte der Teilungen selbst, umso mehr aber deren Wirkungsgeschichte bildet die Hauptachse der Erinnerung an Polens Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert – der Verlust der Souveränität, der Freiheit, die Anstrengungen für die nationale Selbstbehauptung (Aufstände und organisierte Nationalbewegung), die Kämpfe um die Wiederherstellung des unabhängigen Staats. Mit diesen kollektiven Erfahrungen verbunden war aber wohl auch die Ausprägung bestimmter kollektiver Haltungen und Wertordnungen – z.B. eine tiefe Aversion gegen Fremdbestimmung, ein Sinn für Widerständigkeit als gesellschaftliche Tugend, der größte Respekt für das Prinzip staatlicher Souveränität und territorialer Integrität.

Nur vor diesem Hintergrund kann ich mir die Haltung der polnischen Gesellschaft gegenüber dem Krieg gegen die Ukraine erklären. Noch 2019 tobte zwischen Polen und der Ukraine ein von der PiS-Regierung befeuerter geschichtspolitischer Krieg (um die ukrainischen Massaker an Polen in Wolhynien 1943/44, um den berühmt-berüchtigten Stepan Bandera). Nach dem 24. Februar 2022 aber spielte das keine Rolle mehr. Die Empathie für, und Solidarität mit, der um ihre Souveränität kämpfenden Ukraine war und ist in Polen so nachhaltig und so ungeteilt wie wohl kaum irgendwo sonst in Europa.

Aber zurück zur Erinnerung an die Teilungen Polens im 18. Jahrhundert. Als deutscher Historiker fände ich es gut, wenn wir in Deutschland etwas klarer und bewusster mit dem historischen Erbe der Teilungen umgehen würden. Dabei geht es nicht darum, im Seitenblick auf unsere Nachbarn die Bilanz unserer „Vergangenheitsbewältigung“ noch einmal zu verbessern. Es geht vielmehr um Selbstverständigung über unsere eigene Geschichte – darum, zu verstehen, was Preußen und Österreich mit der Teilung Polens für sich selbst angerichtet haben.

Projekt Irena Bobowska. Krieg.

Der erste Tag des Projekts – Heimat – ist schon hinter uns. Vor uns die Veranstaltung Nummer 2: Krieg.

Projekt: Anna Krenz

Michael G. Müller

Hartherzige Christen? Russlands Krieg gegen die Ukraine und die deutschen Protestanten

Wie sollen sich evangelische Christen, deutsche Protestanten zu Russlands Krieg gegen die Ukraine verhalten? Was ist in dieser Lage für uns Deutsche geboten – als Christen, als Europäer und Nachbarn der Ukraine, als Träger einer besonderen historischen Verantwortung für das Unglück, das die Ukraine im Zweiten Weltkrieg und danach erfahren musste? Ist es geboten, die Ukraine nicht nur moralisch und humanitär zu unterstützen, sondern auch militärisch, durch die Lieferung schwerer Waffen? Viele prominente deutsche Protestanten haben sich dazu seit Beginn des Kriegs geäußert. In den letzten Wochen waren dies u.a. Annette Kurschus, die gegenwärtige EKD-Ratsvorsitzende, und deren Amtsvorgänger Wolfgang Huber, Margot Käßmann und Heinrich Bedford-Strohm, aber auch Joachim Gauck, Ex-Bundespräsident und protestantischer Theologe. Ihre Antworten auf die kritischen Fragen gehen weit auseinander. Das Meinungsspektrum spiegelt ziemlich genau die aktuellen Spaltungen innerhalb der deutschen intellektuellen Eliten.

Die EKD und ihre Vorsitzende Annette Kurschus erklären, gewissermaßen offiziell, dass es hier keine einfache Parteinahme geben könne. Kurschus: „Wir verfügen nicht über ein Wissen christlicherseits, das es uns erlauben würde, einzelne politische Optionen direkt aus der Bibel abzuleiten.“ Obgleich also Russlands Angriff auf die Ukraine eindeutig zu verurteilen sei, gebe es keine für alle Christen gültige Handlungsanweisung. „Es kommt auf uns an, den leidenden Menschen in der Ukraine, den verängstigten Menschen in unseren Nachbarländern, unsere Solidarität zu zeigen, keine billige, sondern eine, die uns etwas kostet. Es kommt auf uns an, den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, unsere Achtung zu bezeugen. Es kommt auf uns an, den Menschen, die flüchten, zu helfen und ihnen Wege zu öffnen, damit sie ihr Leben retten können.“ Dagegen komme die EKD, so ein Kommentar, zu dem Schluss, dass es für und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine jeweils gute Gründe gebe. Dilemmata müssten benannt werden. „Es ist nicht immer hilflos, wenn man sagt: Ich weiß es nicht. Das ist manchmal das einzig angebrachte“. So bekräftigt Kurschus, dass die Ukraine das Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung habe und dabei unterstützt werden müsse. Sie widerspricht aber auch Meldungen, wonach sie vorbehaltlos für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine eintrete.

Beherzter äußerten sich die ehemaligen EKD-Ratspräsidenten Wolfgang Huber und Heinrich Bedford-Strohm. Die EKD-Friedensdenkschrift von 2007, so Huber, habe weiterhin ihre Berechtigung und Gültigkeit, doch zwinge die neue Lage dazu, über die Denkschrift hinauszudenken: „Der auf den Verbrechen des 20. Jahrhunderts fußende deutsche Sonderweg steht uns – auch als Christen – nicht mehr zur Verfügung“, denn „[e]s ist grotesk, dass die Gewalttaten, die unsere Väter verübt haben, uns daran hindern sollten, Menschen beizustehen, die Opfer vergleichbarer Gewalttaten sind… Bei allem Respekt für den Vorbildcharakter einer persönlichen Entscheidung zur Gewaltlosigkeit, diese Gewaltlosigkeit zur unumstößlichen Maxime eines ganzen Landes zu machen, heißt gegebenenfalls, nicht nur für sich, sondern auch für andere auf das Selbstverteidigungsrecht zu verzichten“. So plädiert auch Huber, ähnlich wie Kurschus, dafür, die Kontroverse über die angemessene Haltung gegenüber dem Krieg gegen die Ukraine offen auszutragen – zieht aus dieser „friedensethischen Zeitenwende“ für sich aber den Schluss, dass auch militärische Hilfe für die Ukraine geboten sei. Zum selben Schluss kommt Bedford Strohm. Auch wenn man als christlicher Pazifist angesichts solcher Entscheidungen zwangsläufig „zerrissen“ sei, müsse man die Ukraine nicht nur durch humanitäre Hilfsmaßnahmen, sondern auch durch Waffenlieferungen unterstützten – wenngleich man nicht behaupten dürfe, „dass man alles mit Waffen lösen kann.“

Kategorisch widerspricht dem Margot Käßmann. Sie will die Vorstellung von einer friedensethischen Zeitenwende nicht gelten lassen. Sehr wohl verurteilt sie Putins Angriffskrieg und beteuert ihr Mitgefühl für dessen Opfer. Doch sei der aktuelle Krieg aus der Perspektive christlich-pazifistischer Ethik nicht grundsätzlich anders zu bewerten als die anderen gewaltsamen Konflikte in und außerhalb Europas in unserer Zeit – als die Kriege auf dem Balkan, die Kriege in Afghanistan, Syrien, im Jemen. Immer, und auch jetzt, seien die Christen vor allem dem Friedensgebot verpflichtet, im Sinne der „Bergpredigt“. Gerade die Deutschen müssten sich angesichts ihrer historischen Verantwortung auch jetzt aktiv zum Prinzip des Gewaltverzichts bekennen: keine Waffenlieferungen an die Ukraine, kein „Sondervermögen“ für Investitionen der Bundesregierung in die nationale Rüstung; stattdessen größere Investitionen in Klima- und Bildungspolitik. Und der Krieg in der Ukraine? Käßmann legt nahe, einerseits die russische Zivilgesellschaft und ihren (vermuteten) Widerstand gegen Putins Angriffskrieg zu stärken, andererseits aber doch in Richtung direkter Verhandlungen mit Putin, d.h. zwischen dem Putin-Regime und der Ukraine, zu wirken. Schließlich sei es keineswegs neu, dass man auch mit Diktatoren und Aggressoren am Ende verhandeln müsse – so wie mit den afghanischen Taliban oder mit dem Assad-Regime in Syrien. Wie, auf welcher Grundlage und worüber derzeit mit den russischen Aggressoren zu verhandeln wäre und wer ein Mandat dazu hätte – das lässt Käßmann allerdings offen.

Wer diese Diskussion unter den prominenten Protestanten in Deutschland sozusagen von außen, d.h. als Nicht-Theologe, verfolgt, ist zunächst allerdings überrascht darüber, welch geringe Rolle hier religiös-theologische Argumente spielen. Gewiss, es ist die Rede von der Verantwortung der Christen, für die Verfolgten und die im Krieg Geschädigten und Geschändeten zu sorgen, sie zu verteidigen. Bedford-Strohm macht diesen Aspekt stark, relativiert ihn zugleich aber indirekt dadurch, dass er das aktuelle Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer in den größeren, globalen Kontext des Leidens so vieler Menschen in der Welt stellt. Alle verdienen unsere christliche Solidarität und Hilfe, aber wie…? Margot Käßmann wiederum gebraucht durchaus theologische Argumente – etwa in der Berufung auf die „Bergpredigt“ („Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“) oder auf Luthers im Grundsatz distanziertes Verhältnis zum Kriegshandwerk. Dabei geht sie aber durchaus manipulativ mit dem theologischen Erbe um. Sie unterschlägt, dass Luther selbst in seiner Schrift von 1525 „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ die Landesherren ganz offen zu einem totalen, erbarmungslosen Krieg gegen die rebellischen Bauern aufforderte. Sie geht auch – wie freilich auch ihre andersdenkenden Konfessionsverwandten – mit keinem Wort darauf ein, dass es eigentlich seit der Gründung der christlichen Kirche eine kontinuierliche, immer kontroverse Diskussion darüber gab, ob es so etwas wie einen „gerechten Krieg“ (bellum iustum) geben könne. Als gerecht, so die kirchliche Lehre des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, sollte ein Krieg gelten, der um eine „gerechte Sache“ (causa iusta) geführt wurde. Was wäre dazu aus der Perspektive des Jahres 2022 zu sagen? Auf diese Frage mögen heute offenbar wenige antworten.

Verwirrend und letztlich irritierend aber auch der argumentative Umgang führender Protestanten mit den sprichwörtlichen Lehren aus der Geschichte. Alle verweisen natürlich darauf, wenn es darum geht, die besonderen deutschen Sensibilitäten im Umgang mit bewaffneten Konflikten zu erklären bzw. zu rechtfertigen. Für Margot Käßmann reicht freilich die Feststellung aus, dass es für die Deutschen nach den Erfahrungen der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts keine andere Konsequenz gebe, als jede bewaffnete Auseinandersetzung zu verdammen: nie wieder Krieg. Dabei verweigert sie sich de facto aber der Frage nach der deutschen Verantwortung für die besondere Konfliktgeschichte in Osteuropa im 20. Jahrhundert – die Verantwortung dafür, dass in der Ukraine rund 5 Millionen Menschen Opfer von Hitlers kolonialem Eroberungs- und Vernichtungskrieg wurden, dass Nazi-Deutschland mit diesem Krieg aber auch den Weg für die sowjetische Herrschaft über die Ukraine in den folgenden Jahrzehnten gebahnt hat. Wolfgang Huber hat mit seinen schon zitierten Aussagen auf diese Schwachstelle in der fundamentalpazifistischen Argumentation hingewiesen. Dürfen deutsche Christen sich der besonderen deutschen Verantwortung für die Ukraine mit dem Argument entziehen, dass gerade wir Deutschen uns aus vermeintlich guten Gründen nicht mehr durch die Unterstützung militärischer Gewaltanwendung schuldig machen wollen? Natürlich nicht.

Am prägnantesten hat wohl Joachim Gauck das eigentliche Problem auf den Begriff gebracht. Indem deutsche Fundamentalpazifisten (wie Käßmann) auf die Tätervergangenheit der Deutschen im Zweiten Weltkrieg als Rechtfertigung für ihre Haltung verweisen, so Gauck neulich in einem ZDF-Interview, betreiben sie eine Art „Selbstprivilegierung“. Das vorbehaltlose Bekenntnis zu den deutschen Verbrechen der Vergangenheit privilegiert die Nachkommen der Täter scheinbar dazu, sich heute eines aktiven Engagements zu enthalten. Tatsächlich klingt es schal, wenn Margot Käßmann in ihrem (von ihrem beschaulichen Wohnsitz auf der Ostseeinsel Usedom aus erteilten) Ferninterview an das christliche Gebot der Feindesliebe erinnert. Dem Feind „die andere Wange hinhalten“ müssen ohnehin nicht wir Deutschen, sondern die Menschen in der Ukraine.

Überhaupt scheint am ehesten Joachim Gauck heute zu einer klaren Analyse der Lage fähig zu sein, auch zu überzeugenden Antworten auf die Frage, wie protestantische Christen sich dazu verhalten sollen. Die Medien sind zwar eher an seiner Einschätzung als ehemaliger Bundespräsident und Politiker interessiert als an seinem Urteil als protestantischer Theologe. Doch bringt Gauck beide Perspektiven in dem erwähnten Interview souverän zusammen. Die Fehleinschätzungen der jüngeren deutschen Russlandpolitik und deren katastrophale Folgen analysiert er scharfsinnig – und er kann sich zu Recht darauf berufen, schon 2014 eindringlich vor den falschen Weichenstellungen gewarnt zu haben. Ebenso klarsichtig benennt er, was heute die Pflicht aller derjenigen ist, die sich zu den Werten des Christentums, der Aufklärung und der Demokratie bekennen, in Deutschland und anderswo. Unsere Vernunft und unser Gewissen gebieten uns, die Ukraine mit allen uns verfügbaren Mitteln bei ihrer Verteidigung gegen die russische Aggression zu unterstützen. Wer hier zögert, so Gauck, handelt „gewissenlos“.

Den deutschen Protestanten auf pauschale Weise Herzlosigkeit in ihrer Einstellung und ihrem Verhalten gegenüber dem Krieg gegen die Ukraine vorzuwerfen, wäre falsch. Es gibt viele unterschiedliche Stimmen und Haltungen unter Deutschlands Protestanten, darunter auch sehr empathische und moralisch überzeugende. Man fragt sich allerdings, warum Deutschlands evangelische Kirche in einer derart essentiellen Frage nicht zu einer gemeinsamen Position finden kann. Die EKD rechnet es sich als Tugend an, innere Gegensätze auszuhalten und Kontroversen offen auszutragen. Aber wozu braucht man eigentlich eine Kirche, wenn sie nur die Vielfalt der Meinungen in der Gesellschaft widerspiegelt, anstatt religiöse und ethische Orientierung zu geben?


Prof. em. Dr. Dr. h.c. Michael G. Müller

Präsident Putin und Zar Peter I.

Michael G. Müller


Was könnte Vladimir Putin gemeint haben, als er bei einem öffentlichen Gespräch anlässlich des 350. Geburtstags Peters des Großen laut über dessen Vermächtnis für das heutige Russland nachdachte.
Gesagt hat er Folgendes: „Peter der Große führte 21 Jahre lang den Großen Nordischen Krieg. Er kämpfte gegen Schweden und versuchte, dem Land einige seiner Teile zu entreißen. Er hat nichts genommen, sondern er hat das Land zurückgeholt. Ja, er holte das Land zurück und stärkte es. Genau das hat er getan. Offensichtlich sind jetzt wir an der Reihe, das Land zurückzuholen und zu stärken.
Und wenn wir davon ausgehen, dass diese Werte die Grundlage unseres Daseins sind, dann werden wir die Aufgaben, vor denen wir stehen, sicher erfolgreich lösen.”
Was Putin sicher nicht meinte, wenn von den „Werten“ der Peter-Zeit sprach, ist immerhin klar. Peter I. verstand sich als Vorkämpfer einer radikalen Öffnung Russlands für die westliche Zivilisation – durch welche er das hoffnungslos rückständige Moskauer Zartum „vom Nicht-Sein ins Sein“ führen wollte. Putin dagegen verficht vehement dieselben Thesen, welche alle russischen Kritiker Peters I. vom 19. Jahrhundert bis heute, darunter auch Aleksander Solschenizyn, vertreten haben: Die „Unterwerfung“ unter die dekadente westliche Zivilisation sei Russlands Verderben. Nicht die Vision Peters I. von einer neuen, aufgeklärten russischen Gesellschaft könne das Leitbild sein, sondern die Rückkehr zu dem alten Leitbild einer religiös-mythisch begründeten russischen Gemeinschaft.
Ganz unklar ist aber, warum und wie sich Putin auf Peters Außen- und Eroberungspolitik, auf den 21 Jahre dauernden Großen Nordischen Krieg und dessen Resultate berufen könnte. Gewiss, der am Ende dieses Kriegs 1721 in Nystad besiegelte Frieden markierte einen spektakulären Sieg Russland; er ließ auch Peters Anspruch darauf, nicht mehr nur als „moskowitscher Zar“, sondern als russischer Kaiser tituliert und behandelt zu werden, plausibel erscheinen. Doch um welche territorialen Ansprüche und tatsächlichen Erwerbungen des Moskauer/des Russischen Reichs ging es damals?
Durch den Nystad-Frieden kam Russland in den Besitz von Ingermanland und Teilen Kareliens (wo es immerhin russischsprachige Bewohner gab), außerdem von Estland und Livland (Ländern ohne traditionelle ethnisch-politische Verbindung zu Russland). Im Süden dagegen, an der Front zum Osmanischen Reich, waren Zar Peters ehrgeizige Eroberungspläne weitgehend gescheitert. Zwar gehörten seit dem späten 17. Jahrhunderts auch Teile des Ukraine (mit der Stadt Kiev) zum russischen Reichsgebiet. Doch sämtliche Zugänge zum Schwarzen Meer waren und blieben Russland noch lange verschlossen; auch die von Tataren bewohnte Krim und deren nördliche Festlandsgebiete sollten noch bis 1783 weit außerhalb des russischen Zugriffs bleiben. Mit einem Wort: An eine „Wiederherstellung“ des Imperiums Peters I. kann Putin heute wohl nicht denken.

Das europäische Russland in den Grenzen von 1725

Eigentlich geht es Putin um etwas Anderes. Wenn er betont, dass Peter I. nicht etwa neues Territorium erobert, vielmehr altes russisches Land „zurückgeholt“ hat, spielt er auf eine alte Denktradition in der russischen Staats- oder Reichsgeschichte an – die Doktrin vom „Sammeln der russischen Erde“, welche seit dem 15. Jahrhundert, seit der Zeit des Großfürsten Ivan III., die Expansionspolitik des Moskauer Staats begleitet und gerechtfertigt hatte – und zwar nicht nur die politische Unterwerfung alter russischer Teilfürstentümer, sondern auch die Expansion in Gebiete ohne altrussischer Herrschaftstradition. “Es ist unmöglich, verstehen Sie, unmöglich“, sagt Putin, „einen Zaun um ein Land wie Russland zu bauen”. Will sagen: Wo Russland, d.h. das russische Reich, endet, entscheiden die Russen selbst. Die Ansprüche der direkten Nachbarn auf nationale Souveränität und demokratische Selbstbestimmung sind hier unerheblich.
Kann man darüber mit Putins Regierung „verhandeln“, wie nicht wenige westliche Anhänger einer Appeasement-Politik gegenüber Russland fordern? Solches Verhandeln hätte wahrscheinlich ähnliche Erfolgsaussichten wie analoge Bemühungen im Zweiten Weltkrieg, nach Deutschlands Überfall auf Polen 1939 und auf die Sowjetunion 1941, mit Hitler über eine Begrenzung seiner Kriegsziele zu reden.

Zacznijmy od edukacji

Interview auf Deutsch:

Andrzej Grajewski rozmawia z profesorem Robertem Trabą o polsko-niemieckich podręcznikach do nauki historii

Andrzej Grajewski: Szefowa berlińskiego oddziału Instytutu Pileckiego Hanna Radziejowska zwróciła niedawno uwagę, że w ośmiu przeczytanych przez nią niemieckich podręcznikach do historii nie było słowa o terrorze i zbrodniach na polskiej inteligencji i ludności cywilnej, o powstaniu warszawskim, Polskim Państwie Podziemnym i rządzie na emigracji. Czy ten opis odpowiada prawdzie?

Prof. Robert Traba: Dziwi mnie, że zaczynamy rozmowę od wypowiedzi o faktach powszechnie znanych, pomijamy zaś milczeniem zamknięcie historycznego projektu pierwszego wspólnego polsko-niemieckiego podręcznika do nauczania historii. O mankamentach niemieckich podręczników publicznie mówiłem wielokrotnie, korzystając m.in. z analizy treści blisko 40 spośród nich. Wskazywaliśmy na brakujące w nich elementy opisu niemieckiej okupacji, eksterminacji polskich elit czy funkcjonowania Polskiego Państwa Podziemnego.

Wydarzeniem na skalę międzynarodową jest fakt, że wysiłkiem dwóch rządów przygotowywany był wspólny podręcznik. Zastanawiam się, dlaczego dzień po zakończeniu tego projektu PAP – główne medium informacyjne – wysyła do opinii publicznej wiadomość, że w sprawach podręcznikowych nic się nie zmieniło. Jakby komuś chodziło o sabotowanie naszej pracy, wykonanej, podkreślam, na zlecenie polskiego rządu.

Mówimy o podręczniku „Europa. Nasza historia/Europa – Unsere Geschichte”. W jakich okolicznościach powstał?

To wielki, realizowany od 12 lat projekt, którym kierowały ze strony państwa polskiego trzy ministerstwa oraz powołana do nadzoru merytorycznego Wspólna Polsko-Niemiecka Komisja Podręcznikowa. Żaden z kolejnych rządów tego projektu nie przerwał, zapewniając biorącym w nim udział ekspertom pełną wolność i niezależność. Dodam, że w 2012 r. opracowaliśmy „Zalecenia”, które w sposób zasadniczy zmieniają sposób opowiadania dziejów Polski i Niemiec. Wszystkie zostały zrealizowane w tym wspólnym, wspieranym przez oba rządy podręczniku.

Jaki jest status tego podręcznika?

Został zatwierdzony do użytku przez konferencję ministrów oświaty Niemiec. Nie ma federalnego ministerstwa oświaty, gdyż to kompetencja poszczególnych landów. Podręcznik został uznany w 15 landach, poza Bawarią, która stwierdziła, że za mało jest w nim elementów bawarskich. Pozostawię to bez komentarza. Ponieważ IV tom został zamknięty dopiero w czerwcu br., w Polsce trwa proces recenzyjny wszystkich czterech tomów, aby dopuścić go oficjalnie do nauki historii w polskich szkołach. Osobiście wierzę w pozytywne jego zakończenie. Mam nadzieję, że władze w obu krajach wesprą jego używanie. Akceptację dokonaną przez nauczycieli będziemy mogli ocenić dopiero za rok, kiedy będzie miał szansę jako całość wejść do użytku w szkołach. Żaden nauczyciel nie podejmie się używania podręcznika, jeśli nie ma kompletu, a ten stan osiągnęliśmy dopiero teraz.

Dalej: https://www.gosc.pl/doc/6655132

***
Robert Traba, historyk i politolog. Od roku 2007 do grudnia br. był współprzewodniczącym Wspólnej Polsko-Niemieckiej Komisji Podręcznikowej. W latach 2006–2018 kierował Centrum Badań Historycznych PAN w Berlinie. Obecnie profesor w Instytucie Studiów Politycznych PAN w Warszawie.

Wspólna Polsko-Niemiecka Komisja Podręcznikowa

Kommentarz profesora Michaela Müllera

Europa – unsere Geschichte. Ein Schulbuch für Deutsche, Polen und Europäer

Das in deutsch-polnischer Zusammenarbeit gerade fertiggestellte vierbändige Unterrichtswerk zur europäischen Geschichte ist das weltweit zweite in transnationaler Kooperation erarbeitete Schulbuch – und (hoffentlich!) das erste, das in der schulischen Unterrichtspraxis auch wirklich breit genutzt werden wird, in Polen, in Deutschland, vielleicht auch anderswo in Europa.

Das Projekt hat wiederum seine eigene Geschichte. Es geht zurück auf die langjährige Arbeit der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission der Historiker und Geographen. Im Blick auf deren Erfahrungen und Kompetenzen haben die Außenminister Polens und Deutschlands unserer Kommission 2007 den Auftrag erteilt, ein gemeinsames Schulbuch für Geschichte zu erarbeiten. Das geschah dann in mehreren Stufen. Bis 2012 untersuchten Expert*innengruppen, welche Anforderungen ein solches Schulbuch in beiden Ländern je erfüllen mussten, und sie erarbeiteten genaue Empfehlungen für die inhaltliche und didaktische Gestaltung. 2012 wurden aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung zwei Verlage mit der Realisierung beauftragt – der deutsche Verlag Eduversum und der bekannte polnische Schulbuchverlag WSiP (Wydawnictwo Szkolne i Pedagogiczne). Dann begann die Arbeit der deutsch-polnischen Autor*innenteams, unterstützt vom Expertenrat unserer Kommission. So wurden zwischen 2016 und 2020 sukzessive die vier Bände fertiggestellt.

Unsere Ziele werden in der Ansprache an die Schülerinnen und Schüler auf der Auftaktseite zu Bd. 1 erklärt. Es geht darum, dass junge Menschen „die europäische Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln“ kennen lernen, Wichtiges über die Geschichte auch unserer Nachbarn erfahren – und dadurch eben ein Verständnis dafür entwickeln, dass die europäischen Gesellschaften sehr unterschiedliche historische Erfahrungen gemacht haben, diese Erfahrungen zugleich aber immer eng miteinander verflochten waren.

Geschichte ist nicht einfach ein Archiv gesicherten Wissens über die Vergangenheit, schon garnicht etwas, was man in einer authoritativen, „objektiven“ Erzählung über Europa darstellen könnte. Es gibt Tatsachen (Ereignisse, Strkturen, Wandlungsprozesse), die genau zu rekonstruieren und zu dokumentieren die Aufgabe der Historiker*innen ist; sie sind dabei dem Prinzip der Objektivität und Wahrhaftigkeit verpflichtet. Eine ganz andere Sache ist jedoch, wie einzelne europäische Gesellschaften/Nationen, einzelne regionale, kulturelle und soziale Gruppen, ja auch einzelne Menschen die „große“ Geschichte je erfahren haben bzw. sich daran erinnern.

Jene „große“ Geschichte stellte und stellt sich den Menschen in Europa in Erfahrung und Erinnerung auf sehr unterschiedliche Weise dar. Es macht zum Beispiel einen gewaltigen Unterschied aus, ob man den deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen Polen im Jahr 1939 aus der Perspektive der Tausende zählenden Opfer unter der polnischen Zivilbevölkerung und deren Nachkommen wahrnimmt oder aus der der damals noch kaum vom Krieg betroffenen deutschen Bevölkerung. Ebenso macht es aber einen gewaltigen Unterschied aus, ob man die Erfahrungen von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in den Jahren 1944/45 aus der Perspektive der betroffenen Deutschen oder aus der der polnischen Nachkriegsgesellschaft sieht. Dass Nationen, besondere Gruppen und auch Einzelne unterschiedliche historische Erinnerungen haben, ist legitim und sozusagen natürlich. Ebenso natürlich ist, dass sich an die jeweiligen kollektiven Erinnerungen sehr unterschiedliche Deutungen der Vergangenheit knüpfen – wenn auch nicht alle dieser Deutungen „legitim“ erscheinen mögen oder zumindest kontrovers sind.

Lernen über Geschichte muss in jedem Fall aber auf selbständiger, kritischer Urteilsbildung beruhen. Dem entspricht das Angebot verschiedener didaktischer Bausteine in dem Schulbuch. Neben der konventionellen Fakteninformation (Ereignisse, Strukturen, Begriffserklärungen) werden unter dem Stichwort „Blickwinkel“ unterschiedliche Deutungen der Vergangenheit miteinander konfrontiert. Sogenannte Methodenseiten geben Anleitung zum kritischen Umgang mit Quellen und Sekundärinformationen. Unter der Rubrik „Vergangenheit in der Gegenwart“ wird auf Spuren der Geschichte in unserer heutigen Lebenswelt aufmerksam gemacht und zu deren kritischer Wahrnehmung angeregt.

Die Initiator*innen und Verfasser*innen des vierbändigen Schulbuchs wünschen sich sich, dass es einen Beitrag zur Entwicklung einer Kultur der dialogischen Erinnerung in Europa leisten kann. Damit es dazu kommen kann, braucht es aber – wie Robert Traba (polnischer Ko-Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission bzw. der Projektgruppe Schulbuch) zurecht angemerkt hat – nicht nur wechselseitige Empathie, sondern auch die Bereitschaft, die „Polyphonie der nationalen Erinnerungskulturen“ als „dialogbereichernd“ anzuerkennen.

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Michael G. Müller, Professor für Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle, ehemaliger Ko-Vorsitzender der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission und Ko-Vorsitzender des Expertenrats für die Projektgruppe Deutsch-Polnisches Schulbuch