Letzte Woche traf ich mich mit meiner Freundin, die im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen lebt, dh. in der Pampa an der Oder. Wir sprachen darüber, was man tun kann, um diese schöne Landschaften attraktiver zu machen, da sie eigentlich, abgesehen von ein paar Hundert Polen, die dorthin aus Polen eingezogen sind, fast leer liegen. Aber diese Leere, die man als Magnet für Stadtmüde-Intelektuellen benutzen könnte, zieht auch die Firmen an, die die berühmten energieherstellenden Windräder überall dort bauen wollen, wo sie mit wenig Protest rechnen müssen. Also da genau, an der Grenze!
Man möchte sich wehren, protestieren, die Errichtung des Windparks verhindern, sagte meine Freundin. Weil genau diese unberührte Leere das Einzige ist, was die Anziehungskraft dieser Gegenden ausmacht. Macht man sie kaputt, verbaut sie, kommen die Städtler nicht, um dort ihre Datschas zu errichten. Also zur Waffe!
Diese Kampfidee schien mir sehr cervantesque zu sein, weil ich in diesem Moment immer noch glaubte, besser zu wissen. Ich versuchte zu argumentieren, dass es doch in allgemeinem Interesse ist, doch irgendwo muss man diese Ungetümer errichten können, wir müssen doch umweltfreundlich agieren, sozial und nicht egoistisch… Blah blah…
Dann kam ich mit dem Zug zurück nach Berlin. Unterwegs las ich im Internet einen Artikel zum Thema. Und in der Zeitungskiosk fand ich einen Comic von Flix, in dem es um genau dasselbe geht. Alles Humbug! Plötzlich musste ich ansehen, dass man uns, gutmutigen Gutmenschen hinters Licht führte und dass, ehmmm, der olle gute Don Quijote es durchschaut hat und einfach im Recht ist! Wer hätte es gedacht?
Ewa Maria Slaska
Windenergie, kraftlos und teuer
Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass heute weltweit etwa 0,4 % der Energie aus Wind und Solarkraft stammt. Selbst 2040, wenn alle Regierungen ihre grünen Versprechen gehalten haben, werden Solar und Wind nur 2,2 Prozent der weltweiten Energieversorgung decken.
… der Hauptgrund dafür, warum Wind und Solarkraft keine entscheidende Lösung gegen den Klimawandel sein können, besteht in einem fast unlösbaren Hindernis: Wir brauchen auch Energie, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Und nun?
Es heißt, Windenergie sei billiger als fossile Brennstoffe, was aber weitgehend eine Fata Morgana ist. Große Windparks brauchen Subventionen oder Steuererleichterungen. Dies ist der einzige Grund, sie zu bauen.
Mehr noch!
Je mehr Windkraftwerke in Betrieb genommen werden, desto weniger ist der Strom wert, den sie erzeugen. Der weitere Ausbau von Wind- und Solarenergie mithilfe von Subventionen bedeutet, dass die Gesellschaften für den Strom dreimal zahlen müssen – einmal für den Strom selbst, einmal für die Subventionen an die ineffizienten erneuerbaren Energien und einmal für diejenigen, die jetzt auch noch an ineffiziente fossile Kraftwerke gehen. Allesamt werden die Subventionen in nächsten 25 Jahren über zwei Billionen Euro betragen. Damit erreicht man den Unterschied der Temperaturerhöhung um lediglich 0,0175 Grad Celsius.
In der Flix Version von den berühmten spanischen Roman befinden wir uns genauso dort und dann, wo ich mich letzter Woche befand: Jetzt und in der Norddeutschen-Pampa, in einem Dorf namens Tobosow mitten in der vorpommerschen Ödnis!
Der Held, ein alter, schrulliger Kauz, hatte bis jetzt nur eine Schnapsidee: Mittels der Leserbriefen, die bewahrte Waffe der Wutbürger sind, kämpfte er gegen die allgegenwärtigen Herrschaft der Comics in der Zeitungen, im Buchwesen und vor allen in den Köpfen der jungen Leser.
Zum Beginn der Story erreicht ihn aber noch eine Hiobnachricht, die noch schlimmer ist als Batmann, Spidermann und Supermann zusammen: Man wird in Tobosow einen Wind(mühlen)park einrichten. Don Quiijote begibt sich auf seinem alten Fahrrad in die Pampa, um seine Feinde zu vernichten. Mitdabei ist statt Sancho Pansa auch Don Quijotes 8-jähriger Enkelsohn, der tatsächlich den Kopf voller Comic-Helden hat, sich für Batman, den Dunklen Ritter hält und überall das Böse wittert, das er vernichten soll.
Dann sagt der Opa, es sei nicht wichtig, gegen das Böse zu kämpfen, es ist wichtig sich für das Gute zu engagieren.
Es ist doch das Gleiche, protestiert der Enkel.
Ist nicht, antwortet Opa, man muss nur die Welt genau beobachten, um die Wahrheit zu sehen.
Ja… und am Ende? Am Ende kehrt der Enkel zu Mama und benimmt sich ganz vernünftig. Der Opa landet im Seniorenheim für Alzheimer erkränkte, die sich alle für Ritter halten. Und in Tobosow… Na ja, es ist nicht klar, aber ich vermute in Tobosow wird der Windpark entstehen, damit sich die Bösen ihre Taschen mit Subventionen vollstopfen und wir, die Gutmenschen, glauben, den nächsten sauberen Schritt in die saubere Zukunft gemacht zu haben…
Aber nicht verzagen. Und weiter protestieren und gegen die Windmühlen zu kämpfen. Wie sagte es der Meister Cervantes:
Derjenige, der Wohlstand verliert, verliert viel; derjenige, der einen Freund verliert, verliert mehr; doch derjenige, der seinen Mut verliert, verliert alles.
Nach fast zwei Jahren erschien ein ganz aktueller Kommentar dazu in einer der deutschen Tageszeitungen. Ihre Kolumne “Der aktuelle Klassiker” von Richard Kämmerlings betitelte die „Welt am Sonntag“ dem 5.01.2020 (S. 45) wie folgt: „»Don Quijote« von Cervantes“. Darin steht es:
„Wenn es den tapferen Edelmann Don Quijote von der Mancha heute nach Brandenburg verschlagen würde, dann würde er seinem Pferd Rosinante zweifellos ordentlich die Sporen geben. Denn nicht nur „dreißig oder vierzig Windmühlen“ wie in Cervantes’ weltberühmtem Roman von 1605 stehen hier auf den Feldern, sondern mehrere Tausend. Und käme der Ritter auf der Suche nach Abenteuern etwa ins Havelland nordwestlich von Berlin, dann könnte er fast wie im Roman zu seinem Knappen Sancho Pansa sprechen: „Vor dir, mein Freund, siehst du wenigstens dreißig grimmige Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu schlagen gedenke, bei der mir alle über die Klinge springen sollen.“
Die Windräder stehen allenthalben in der Landschaft wie grimmige Riesen, und man kann es niemandem verdenken, dass er langsam genug davon hat und dagegen protestiert. Der freie Blick auf Wälder, Felder und Wiesen macht für viele gerade die Qualität des Lebens auf dem Land oder am Stadtrand aus. Vom Artenschutz einmal ganz abgesehen, der viele Naturschützer, Energiewende hin oder her, mit Don Quijote glauben lässt, dass „es ein gerechter Krieg ist und eine wahrlich gottgefällige Tat, derlei Schandgezücht vom Erdboden zu tilgen“. Der Streit um Windräder hat manchenorts die Dimension eines Religionskonflikts angenommen, weswegen es von der SPD reichlich naiv ist zu glauben, mit einem „Windbürgergeld“ lokalen Ausbaugegnern den, nun ja, Wind aus den Segeln zu nehmen.
Der Kampf gegen Windmühlen ist durch die Episode aus dem „Don Quijote“ sprichwörtlich für einen sinnlosen und auf einer grotesken Verkennung von Tatsachen beruhenden Widerstand geworden. „Was für Riesen?“, fragt Sancho Pansa auf seinem Esel, woraufhin sein Ritter auf die langen, bei manchen fast zwei Meilen messenden Arme verweist. Pansas Erklärung, das seien die „Flügel, die im Wind wirbeln und den Mahlstein bewegen“, hält Don Quijote für eine feige Ausrede und geht zum Angriff mit der Lanze über. Der „erbitterte, ungleiche Kampf“ endet so: „Ein Flügel bekam einen Lanzenhieb ab, doch der Wind trieb sie so heftig an, dass die Lanze in Stücken davonflog und Ross und Reiter hinterher, der übel zugerichtet über das Feld rollte.“ (So heißt es in der 2008 bei Hanser erschienenen Neuübersetzung von Susanne Lange.)
Sind also die Windradgegner nur verblendete Romantiker, die einer überholten Vorstellung von unberührter Landschaft nachhängen wie Don Quijote seinen Träumen vom mittelalterlichen Rittertum? Und muss ihr Kampf wie bei Cervantes’ Ritter von der traurigen Gestalt zwangsläufig mit einer schmählichen Niederlage enden? Don Quijote glaubt an das Werk schwarzer Magie: Die Riesen hätten sich kurzfristig in Mühlen verwandelt. Wenn man ihm eine schnöde Prämie geboten hätte, um seinen Krieg zu beenden, hätte er das wohl als Beleidigung empfunden. Don Quijote ist Idealist. Wer für höhere Ziele kämpft, der ist nicht einfach zu bestechen. Seltsam, dass sich heute ausgerechnet Sozialdemokraten das nicht vorstellen können.“