Frauenblick auf Inisherin

Monika Wrzosek-Müller

Der Film Banshees of Inisherin

Lange war ich nicht im Kino gewesen, in Berlin eigentlich zuletzt vor der Pandemie, also vor drei Jahren. Der Genuss, etwas auf der großen Leinwand zu sehen, ist schon beeindruckend, besonders bei einem Film, der visuell so fesselt. Der Film, aufgehängt zwischen einem weiten, dramatischen Himmel und der sehr schweren, von Steinmauern durchzogenen Erde, den wunderschönen grünen Wiesen, ist für mich ein Meisterstück. Die Pracht der Bilder strengt fast an, macht beinahe abhängig, alles wirkt wie ein Märchen, der Betrachter ist leicht benebelt. Zwar wissen wir, dass drüben auf der großen Insel ein Kampf im Gange ist, in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, genauer es handelt sich um den irischen Bürgerkrieg von 1922-1923, doch auf der kleinen Insel wird darüber wenig gesprochen, man ist kaum davon betroffen. Für das alltägliche Leben bleibt jämmerlich wenig Platz, Einsamkeit, Not und Armut sind erdrückend. Die Chance auf eine gute, interessante Neuigkeit dagegen gering; es passiert einfach zu wenig, nur der Himmel wechselt ständig sein Kleid. Die Menschen tragen immer dieselben alten, eher lumpigen Klamotten – außer der Schwester eines der beiden Haupthelden; sie ist überhaupt die kluge und schöne Prinzessin des Films.

Mich hat das Lachen der überwiegend jungen Leute im Kinosaal gewundert und eigentlich finde ich die Handlung als Stoff für eine „schwarze“ Komödie nicht geeignet. Denn das Schwarz dieses Films hat für mich etwas Makabres, Endgültiges und Zerstörerisches an sich. Da mischt sich die Realität mit dem Märchenhaften so virtuos, dass ich beim Rausgehen am Ende dachte, das hätte sich so zutragen können. Der Konflikt, den wir auf der Leinwand verfolgen, wird durch die Aufkündigung der Freundschaft durch den älteren der beiden, aus welchen Gründen auch immer, ausgelöst; sollte der Jüngere versuchen in Kontakt mit ihm zu treten, würde er sich die Finger mit der Schafschere abschneiden. Ist das ein Film über die Freundschaft, oder das Ende der Freundschaft zwischen zwei Männern? Bestimmt bildet das den Hauptstrang der Handlung und doch: steht nicht noch mehr dahinter? Ist das nicht eine große Parabel zum größeren Konflikt, dem sich die Irren hingegeben haben. Wer hat das Recht auf seiner Seite? Derjenige, der für seine Freiheit und für die Kunst seine Finger opfert, oder der andere, der mit seiner unendlichen Traurigkeit, Naivität und Arglosigkeit, mit der er auf die Aufkündigung der Freundschaft reagiert, zwar immer wieder verblüfft, aber weiterhin herzensgut scheint und bereit, alles zu vergessen. Unter den Verhältnissen auf der Insel eskaliert der Konflikt, man ist da gefangen, sieht sich jeden Tag im Pub, kann sich nicht aus dem Weg gehen. Der Konflikt muss ausgetragen werden, man muss sich ihm stellen.

Die beiden Schauspieler: als Pádraic Colin Farrell und als Colm Brendan Gleeson leisten Unheimliches. Ihre Gesichter sind wie alte Landkarten, man kann darin lesen und doch wird man nicht schlauer: Naivität und Dümmlichkeit zu spielen, ohne dumm zu sein, vielmehr die Menschlichkeit und Herzensgüte darin zum Vorschein zu bringen, erfordert große Kunst. Auch Pádraic Schwester, Siobhán gespielt von Kerry Condon, hat so was Erfrischendes und Unheimliches an sich, dass man verblüfft hinschaut. Die beiden Tiere der Haupthelden: Jenny, Miniatureselin von Pádraic und seine Schwester, und der Colms Hund spielen mit. Der ganze Film überrascht durch die Einfachheit der Dialoge, der Situationen und doch lauert dahinter immer eine abgrundtiefe Brutalität des Lebens. Der Selbstmord des Sohns des Polizisten ist dafür nur einer der vielen Beispiele.

Der Regisseur Martin McDonagh hat wieder einen großartigen Film gedreht; ein perfektes Stück auf einer herrlichen Bühne, etwas Übertrieben etwas unheimlich, aber doch sehr sehenswert.

2 thoughts on “Frauenblick auf Inisherin

  1. Danke für diesen Beitrag; ich habe den Film gesehen und war lang sprachlos, viel zum Nachdenken, über Freundschaften, warum sie oft zerbrechen, über die, die uns noch bleiben, was macht das aus und auch über die schreckliche, menschliche, soziale Atmosphäre, welche die Insel in ihrer Macht hatte. Sehr beeindruckender Film, bleibt mir noch lang in Erinnerung.
    L.G. Teresa

  2. Es freut mich sehr, dass Sie Ihre Gedanken mit mir teilen. Ja der Film hat starke symbolische Kraft und trägt die Gedanken weiter.

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