Weltweite Lesung für Pressefreiheit und in Erinnerung an Jamal Khashoggi am 70. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte, am 10. Dezember 2018
Am 10. Dezember 1948, vor 70 Jahren, wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Palais de Chaillot in Paris verkündet. Anlässlich dieses Jahrestages ruft das internationale literaturfestival berlin (ilb) Menschen, Institutionen, Universitäten, Schulen und Medien, denen Pressefreiheit und Menschenrechte wichtig sind, zur Organisation und Teilnahme an einer weltweiten Lesung in Gedenken an den getöteten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi auf.Zum letzten Mal wurde Khashoggi lebend gesehen, als er am 2. Oktober das saudische Generalkonsulat in Istanbul betrat. Nach fast dreiwöchigem Schweigen haben die saudischen Machthaber eingeräumt, dass er dort während eines Streits mit Beamten ums Leben gekommen ist. Die Indizien, etwa die Entsendung eines fünfzehnköpfigen Teams von Sicherheitsbeamten inklusive eines Forensikers, deuten jedoch darauf hin, dass die Ermordung Khashoggis von langer Hand geplant oder zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Die Verwicklung höchster Regierungsstellen bis hin zum Kronprinzen Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien ist sehr wahrscheinlich, da eine solche Aktion gegen einen prominenten Regimekritiker wohl kaum ohne die Billigung des Königshauses hätte durchgeführt werden können. Über den Verbleib von Khashoggis Leichnam ist Saudi-Arabien bis jetzt jeden Hinweis schuldig geblieben. Die Initiatoren der Weltweiten Lesung fordern die vollständige und transparente Aufklärung des Falls. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.Im letzten Text, den der 59 Jahre alt gewordene (am 13.10.2018 hätte er seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert) saudische Journalist geschrieben hat und den die Washington Post zwei Wochen nach seinem Verschwinden publiziert hat, fordert Khashoggi mit großem Nachdruck die Meinungsfreiheit in der arabischen Welt ein. Für seine klare Haltung hat der Journalist nun mit seinem Leben bezahlt.Dieser Fall ist der Höhepunkt einer Reihe von oftmals unaufgeklärten Morden an Journalistinnen und Journalisten in den letzten Jahren, wie die jüngsten Beispiele in Mexiko, Bulgarien, Malta und der Slowakei gezeigt haben. Die Presse- und Meinungsfreiheit, deren Unerlässlichkeit Khashoggi mit Blick auf die arabische Welt betont hat, ist überall bedroht, auch mitten in Europa. Folglich sind Journalistinnen, Journalisten und politische Oppositionelle selbst im Exil längst nicht mehr geschützt, wie dieser Fall auf eklatante Weise zeigt. Jamal Khashoggi ist nur das bislang prominenteste Opfer. Viele Journalistenmorde rücken gar nicht mehr ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. Wir erinnern daran, dass auch in der Türkei die Pressefreiheit extrem eingeschränkt ist. Über 150 Journalisten und Autoren sind inhaftiert, einige erhielten lebenslange Haftstrafen.Zugleich hat dieser Fall bereits jetzt schwerwiegende Folgen für die internationale Politik und Wirtschaft. Zahlreiche führende Manager und Wirtschaftspolitiker werden nicht an der großen, Ende Oktober geplanten Future Investment Initiative in Riad teilnehmen. Der Fall zeigt damit exemplarisch, dass es sich bei dem Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit, beim Kampf gegen Journalistenmorde und extralegale Tötungen staatlicherseits nicht um einen weltfremden menschenrechtlichen Idealismus handelt, sondern dass wir alle von diesen Verbrechen betroffen sind – kulturell, politisch, wirtschaftlich.
Wenn der Fall, als der spektakulärste von allen Journalistenmorden der letzten Jahre, nicht zu Konsequenzen führt – was dann? Wer wird der nächste ermordete Journalist, Aktivist, Oppositionelle sein, und in welchem Land? Der Schutz von Journalisten und Aktivisten ist der Schutz aller Menschen. Der Fall darf auch nach dem Teilgeständnis der Saudis nicht unter den Tisch gekehrt werden. Die Erinnerung an Khashoggi anlässlich des Jahrestages der Deklaration der Menschenrechte soll dies mit Nachdruck deutlich machen.
Vor diesem Hintergrund rufen wir am 10. Dezember zur Teilnahme an der Weltweiten Lesung von Texten Jamal Khashoggis und – je nach länderspezifischem Kontext – anderer ermordeter, verschwundener und inhaftierter Journalisten auf. Bitte senden Sie Informationen über die Lesung an Ihrem Ort an worldwidereading@literaturfestival.com, damit wir die Veranstaltungen auf unseren Websites www.literaturfestival.com und www.worldwide-reading.com kommunizieren können.
Ulrich Schreiber
Festivaldirektor, internationales literaturfestival berlin
Unser Film „What Matters“ ist nun mit Untertiteln in neun Sprachen (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch, Hindi, Spanisch und Deutsch) online verfügbar – wir empfehlen die Präsentation vor allem in Schulen, Universitäten und kulturellen Einrichtungen: http://literaturfestival.com/festival-en/projekte-en/what-matters-en?set_language=en
Wir empfehlen zur Lesung Texte Khashoggis, wie diesen aus der Washington Post:
https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/jamal-khashoggi-what-the-arab-world-needs-most-is-free-expression/2018/10/17/adfc8c44-d21d-11e8-8c22-fa2ef74bd6d6_story.html?utm_term=.f4a73f975eeb
Arabisch:
http://blogs.aljazeera.net/blogs/2018/10/18/جمال-خاشقجي-أمس-ما-يحتاجه-العالم-العربي-هو-حرية-التعبير
Eine Rede Khassoggis vom April diesen Jahres: https://www.nytimes.com/2018/10/22/opinion/khashoggi-mbs-arab-democracy.html
Sowie:
https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/jamal-khashoggi-chose-to-tell-the-truth-its-part-of-the-reason-hes-beloved/2018/10/07/4847f1d6-ca70-11e8-a3e6-44daa3d35ede_story.html?utm_term=.b0474b26edb5
Porträt von Khashoggi aus der NZZ: https://www.nzz.ch/international/khashoggi-ein-saudi-der-nicht-schweigen-konnte-ld.1428431
Signers:
Héctor Abad, Colombia
Basma Abdel Aziz, Egypt
Anna Aguilar-Amat, Spain
Manal al-Sharif, Saudi Arabia
Scott Anderson, USA
Kerri Arsenault, USA
Vladimir Arsenijević, Serbia
Margaret Atwood, Canada
Hanan Awwad, Palestine
Zsófia Bán, Hungary
Doreen Baingana, Uganda
Maria Cecilia Barbetta, Argentina/ Germany
Priya Basil, UK/ Germany
Zoë Beck, Germany
Charles Bernstein, USA
Manfred Bissinger, Germany
Hans Christoph Buch, Germany
Brian Castro, Australia
Evans Chan, China/ USA
Bernice Chauly, Malaysia
Amir Hassan Cheheltan, Iran
Christos Chryssopoulos, Greece
Jennifer Clement, Mexico/ USA
Bora Ćosić, Serbia/ Germany
Mark Z. Danielewski, USA
Emmanuel Delloye, France
Migmar Dhakyel, Germany
Ariel Dorfman, Chile
Reimer Eilers, Germany
Hannele Eskola, Finland
Stella Gaitano, South Sudan
V.V. (Sugi) Ganeshananthan, Sri Lanka/ USA
Paul Gilroy, UK
Namita Gokhale, India
Elvira M. Gross, Austria
Christian Grote, Germany
Miriam Haidle, Germany
Milton Hatoum, Brazil
Alban Nikolai Herbst, Germany
Iman Humaydan, Lebanon
Elfriede Jelinek, Austria
Pierre Joris, Luxembourg/ USA
Christoph Jürgensen, Germany
Archil Kikodze, Georgia
Vjačeslav G. Kuprijanov, Russia
Andrei Kurkov, Ukraine
Stan Lafleur, Germany
Louis Jensen, Denmark
Christoph Leisten, Germany
Bernard Henri Lévy, France
Joris Lieve, Belgium
Mario Vargas Llosa, Peru/ Spain
Jonas Lüscher, Germany/ Switzerland
Nikola Madzirov, Republic of Macedonia
Sindiwe Magona, Southafrica
Vasyl Makhno, Ukraine
Zakes Mda, South Africa
Claus Martin, Germany
March for Science e.V.
Lorenzo Marsili, Italy
John Mateer, Southafrica/ Australia
Eva Menasse, Austria/ Germany
Maaza Mengiste, Ethiopia/ USA
Amanda Michalopoulou, Greece
Fanny Moreno, Colombia
Davide Morosinotto, Italy
Ibrahim Nasrallah, Jordan
Ralf Nestmeyer, Germany
Norman Ohler, Germany
Laksmi Pamuntjak, Indonesia
Elisabeth Plessen, Germany
Francine Prose, USA
Laura Restrepo, Colombia
David Van Reybrouck, Netherlands
Daniel Roeder, Germany
Meg Rosoff, USA/ UK
Jaroslav Rudis, Czech Republic
Alberto Ruy-Sanchez, Mexico
Philippe Sands, UK
Sapphire, USA
Allen Say, Japan/ USA
Roberto Saviano, Italy Wolfram Schrettl, Germany
Gereon Sievernich, Germany
Eduardo Sguiglia, Argentina
Samuel Shimon, Iraq/ UK
Tajima Shinji, Japan
Ostap Slyvynsky, Ukraine
Maria Sommer, Germany
Wole Soyinka, Nigeria
Gerhard Stadelmaier, Germany
Heino Stöver, Germany
Rick Stroud, UK
Murat Suner, Turkey/ Germany
George Szirtes, UK
Janne Teller, Denmark
Stefan Thome, Germany
Imre Török, Hungary/ Germany
Mario Vargas Llosa, Peru/ Spain
Joachim Walther, Germany
Dima Wannous, Syria
Steve Wasserman, USA
Peter Wawerzinek, Germany
Stefan Weidner, Germany
Suse Weisse, Germany
Levin Westermann, Switzerland
Herbert Wiesner, Germany
Viktor Yerofeyev, Russia
Abraham Zere, Eritrea
Jenni Zylka, Germany |