Monika Wrzosek-Müller
Wsiąść do pociągu byle jakiego
Nie dbać o bagaż
Nie dbać o bilet
Ściskając w ręku kamyk zielony
Patrzeć jak wszystko zostaje w tyle…
[Irgendeinen Zug nehmen, sich nicht ums Gepäck kümmern und nicht um eine Fahrkarte
In der Hand ein grünes Steinchen haltend, schauen wie alles zurückbleibt]
Als ich noch in Warschau Ende der siebziger Jahre dieses Lied von Maryla Rodowicz hörte, war mir eher der erste Satz des Reifrains wichtig, mit den Jahren gewinnt eher der letzte an Bedeutung. Gerade habe ich erfahren, dass die Verfasserin des Liedtexts, Magdalena Czaplińska einen Prozess gegen die Polnische Bahn (PKP) gewonnen hat. Die Bahn hat auf Plakaten mit dem Text geworben, ohne sich um die Rechte daran zu kümmern.
Auf jeden Fall hörten wir dieses Lied bis zum Umfallen, immer wieder… vielleicht weil wir nicht so ohne weiteres überall hinfahren durften, schon gar nicht über die Grenzen.
Mit dem 9 Euro-Ticket wurde unser Appetit auf Kurztrips geweckt, alle fuhren irgendwohin. Bald werden wir mit dem etwas teureren Bahnticket auch fahren können. Züge symbolisieren Freiheit und Mobilität, schnelle Verbindung und Bewegung. Die Vorstellung, man steigt in einen Zug und ist in ein paar Stunden ganz woanders, beflügelt noch heute.
Ich habe den Text so hochtrabend angefangen, aber eigentlich wollte ich nur von unserem Ausflug nach Slubice/Frankfurt an der Oder berichten. Nun sind solche spontanen Ausbrüche in meinem Fall selten, denn da ist der Mann, der Hund… und ich selbst stehen mir meistens im Weg.
Diesmal aber war es soweit, ich habe mich verabredet und fuhr los; alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die RB sollte jede halbe Stunde fahren, gerade jetzt solle sie sogar alle 20 Minuten fahren, denn die ODEG hat einige Fahrten übernommen. Man fährt wirklich bequem, in einem Doppeldeckerzug, sitzt oben und betrachtet die schönen Landschaften, die an einem vorbeiflitzen. In einer Stunde ist man dann in Frankfurt; es hat mich auch überrascht, wie hübsch der alte Bahnhof, in U-Form, noch erhalten ist; genau richtig gut restauriert, ohne wie aus Zucker zu wirken. Der Spaziergang nach unten, d.h. zum Fluss hin, war auch angenehm. Wir gingen absichtlich durch ältere Teile der Stadt, am Haus der Künste vorbei, zur Europa-Universität Viadrina, über den Marktplatz mit der riesigen gotischen Marien-Kirche, die nicht mehr als Kirche benutzt wird. Wir fanden drinnen einen sehr sympathischen Weihnachtsmarkt; die Kirche ist so groß, dass sie wirklich als Markthalle benutzt werden kann. Daneben das schöne alte Rathaus mit einem goldenen Hering über dem Giebel, hinten das „Bolfrashaus“, das auch entfernt zur Uni gehört. Dazwischen durchquerten wir immer wieder kleinere Parkanlagen, dann gelangten wir über einen noch geschlossenen Weihnachtsmarkt zu dem sehr schön gelegenen Kleist-Museum und machten einen kurzen Schlenker, erst mal noch an der Oder entlang, Richtung Gräfin Dönhoff-Gebäude, in dem sich die meisten Hörsäle und Seminarräume samt Hauptmensa befinden. Alle Unigebäude sind zwischen Oderturm und Fluss versammelt; es ist eine Campus-Uni mitten in der Stadt. Ich finde es ein gelungenes Ensemble.
Die Universität Viadrina ist 1991 mit Studiengängen in Kulturwissenschaften, Jura und Wirtschaftswissenschaften gegründet worden, sie versteht sich als Nachfolgerin der alten Brandenburgischen Universität Frankfurt (1511-1811) doch hat sich viele neue Ziele gesetzt, unter denen die deutsch-polnische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kultur herausragt. Sie soll wirklich integrierend wirken und unterhält vielfältige Kontakte zu polnischen, aber auch zu anderen osteuropäischen Universitäten. An das Jahr 1991 denke ich immer wieder, denn da ist unser Sohn geboren und mein Mann hatte sich an der Viadrina und am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz beworben, wir haben Florenz gewählt, aber was wäre gewesen, wenn.
Von dort aus gelangten wir bald an die Oder und über die Brücke nach Slubice, also nach Polen. Ich bin jahrelang über die Autobahn nach Warschau gefahren, ließ sozusagen die Stadt links liegen, auch mit der Bahn sieht man nicht viel mehr von der Stadt.
Das Panorama von Frankfurt mit den vielen gotischen Kirchen ist wirklich beeindruckend, besonders von der Brücke aus; die Stadt musste bei ihrer Gründung (1253 bekam sie das Stadtrecht) riesig auf die Fremden gewirkt haben. Viele der Backsteinbauten sind in der Zeit entstanden. Die vielen Kirchtürme sieht man von weitem und sie stehen wie aufgereiht entlang dem Fluss.
Doch wir gingen weiter auf die polnische Seite, nach Slubice; eine Stadt, die nach dem Krieg aus dem Frankfurter Stadtteil Dammvorstadt entstand und für mich eigentlich Servicefunktionen für die deutsche Seite erfüllt, nicht dass es ihr dabei schlecht ginge. Doch die Zahl der Friseursalons und der Kosmetik- und Nagelstudios ist einfach überwältigend oder erschreckend. An jeder Ecke werden auch Zigaretten und Spirituosen angeboten. Alles inzwischen, wie mich meine geschätzte Führerin belehrte, in renovierten oder neugebauten, präsentablen Häusern. Gleich hinter der Brücke, auf der rechten Seite steht ein neu errichtetes Wissenschaftszentrum, das Collegium Polonicum, angeblich an der Stelle des ältesten Gebäudes, des „Goldenen Löwen“, das im zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde.
Natürlich konnten wir nicht widerstehen und die eine oder andere Piroge haben wir auch gegessen; doch bis zum Polenmarkt, dem Basar, war es uns zu weit und das Wetter war zu schlecht. Mit ein paar Mitbringseln bestiegen wir dann auf der deutschen Seite den Bus, der uns zum Bahnhof brachte, wo uns eine unangenehme Überraschung erwartete; der nächste Zug fuhr erst in 45 Minuten und das war auch der IC aus Warschau, den wir wegen unseres Billigtickets etwas illegal genommen haben. Zur Geschichte der Bahnverbindung habe ich gelesen, dass die Einweihung der Bahnlinie zwischen Berlin-Frankfurt 1842 stattfand, und schon 1870 wurde sie nach Posen verlängert, also auch die Eisenbahnbrücke gebaut.
Für eine schönere Jahreszeit habe ich mir die Insel Ziegenwerder aufgespart, überhaupt liegt Frankfurt landschaftlich sehr schön an der Oder mit ihren Auen-, Wald- und Seenlandschaften; ich glaube, die Oder ist der einzige nicht regulierte Fluss in Deutschland und das sieht man ihm an. Direkt am Flussufer auf der rechten Seite verläuft der Oder-Neiße Radweg.