Urszula Usakowska-Wolff

Zusammenstellung und Foto Urszula Usakowska-Wolff, Berlin-Wedding, 20.04.2019
…in des Lichtes und des Dunkels Flaute
Für einen uneinschätzbaren unnachtdichtbaren Poeten
I. Des Dichters seine Welt
alles quält ihn den fremden im eigenen land
und darüber hinaus
auch wenn er schläft macht er kein auge zu
wacht auf wie ich und du huhu
eine fratze
lacht haha vor dem besten hause am platze
victoria leider ohne gloria lala mehr meer mehr sand
sonne kratzer der schreibenden hand
am strand ist er der nachbarbar mal mit rosshaar mal mit glatze
glotzt verdutzt miaut haut auf die katze duzt die maus
husch husch hinterm busch
liegt unter spaniens schnee o weh beißt ins gras
kein ade schade reißt die wade
die ihn nährt
reich hihi macht ihn lunas himmelreich nicht
von dieser welt gell
so dunkel wie hell er gern chichi schi bergauf fährt
und sich quält und sich in dieser rolle soso gefällt
dass er unaufgefordert staccato lallt & bellt
au au… wau wau … ciao ciao … mau
II. Poète maudit sans esprit
mondäner mond mit mohn im mund
firmiert am firmament malmt
manchen mumpitz minuziös
comme un vin de vigueur
noch so ein vager
ein versager assis au bord des routes
träumt dass er
(die
linke himmelsklinke?)
putzt
so blass & händenass und sans couleur
wie die bösen blumen mösen damen buben im öden land
sich nach altem brauch ohne schminke schmiegen
an lunas feurigen schoss an des mondes vollmohnbauch
und fliegen un doux frou-frou verweht vom eisigen windes stoß
er / der / die / das / greift zu kurz ach so fern
nach dem pulverstern und schnee und einer nachtschippe ohne beule
ER WER ICH WILL MEHR – MALHEUR – HEULE LOS?!
jetzt aber STOP
stutzt eine ameise Muse! le plus horrible denn ein wal
beißt sich durch wie diese miese vom mumpitz maliziöse
und kranke (voll?)schlanke schranke wird sie schlucken allemal
befleißt und (mit paradontose?) ohne pardon bis zum fanal
wie ich wie du wie er wie sie auf der kippe
in einem flip-flop und dreiviertelknall im al
er steht da
harrt wie ein held aus zweiter hand
weißer mann mit weißem haar
bart schulterlang gewellt brust und bauch geschwellt
er steht da
und ist sich selbst schirm herr
über die ahnen tyrannen
malt satanas und thanatos an die wand
glotzt in den spiegel putzt die zähne
der frühe hat die meiste zeit migräne
denkt nachher an vorher
an das nacheinander übereinander
an die behüteten heldentaten
als die andren nachsicht in der nachtschicht hatten
er harrt da
narrt irrt im wirrwarr der stilblüten
schreibt ungeschriebene drehbücher
über namenlose ähren und tempotaschentücher
schreibt sich in rage
missglückt ohne punkt semikolon komma
pflegt seine marotten in obsttüten
ein drama samt uniform ohne sinn und norm
das sogar die sprotten nebeneinander verspotten
er steht da
ein poet umkränzt von motten glänzt
in der garage und tritt nicht aus
was komplett geboten
IV. Didaskalia aus der damaligen Damaligkeit
Vor pi mal Auge XXXL Jahren
man nähme ein rosa ross samt rüstung und reiter
stelle sie in die manege tombe la neige
schicke sie in den kampf
kohl dampf zieht durch die gassen
ameisen frösche bestien grimassen u.s.w.
bilder erblassen und bleichen zu beige
chimären kuscheln sich unter die massen
zerschmettern zitate mit zweischneidigen tassen
in einer spelunke haust ein halunke
er trinkt er sinkt er träumt
dass er das nichts nicht versäumt
er purzelt er runzelt die stirn
gedanken an gerüche geistern durch sein gehirn
hin und her an die haare der gräser
volle champagner gläser
an das kreuz am hügel
in der weinplantage tombe la neige
man blicke in den spiegel wo die nacht
sich sacht
auf den sattel schwingt
wo ein stummer statist erklingt und so singt:
die zeit ist gereift
wenn die peitsche nicht pfeift
wächst dem ross ein flügel
rosa und beige wie neige in der manege
V. Adieu, monsieur
dass die blütenlese auf der wiese genese
kämpft er wie ein riese
rezitiert kleinoden ohne grund und boden
eine schwarze katze leckt an seiner tatze
begegnet einer mujere auf der mondlandefähre
eine diligence bringt ihn fix in trance
gerät in extase bei jeder fiesen phrase
sieh dich vor – haucht ein chor in sein ohr – sonst adieu
du steckst bis zum hals im moor – monsieur
VI. Viel Tamtam am Damm
einer dame dämmert es am damm
dass sich vaganten mutanten
und revolutionstanten
alle über ihren kamm scheren
schwamm drüber bleib munter
geh mit ihnen den bach runter
und ernte lorbeeren
2022
“In meinem digitalen Papierkorb liegt ein Essay über Dystopien. Sieben Seiten Analyse, geschätzter Arbeitsaufwand sonst ungefähr 12 Stunden. Dieses eine Essay aber, über das ich nachts im Bett noch lange grübeln werde, ist anders entstanden. Es hat mich nur ein paar Klicks und eine einzige Frage gekostet: „Schreib eine wissenschaftliche Arbeit über die Zukunftsvisionen Orwells“. Nur Sekunden später lag mir ein Text vor, der mich staunen lässt.Mein flinker Ghostwriter hat erst vor vor wenigen Wochen das Licht der Welt erblickt und ist in die Tech-Welt eingeschlagen wie eine Bombe. ChatGPT nennt sich das Programm, das mithilfe einer künstlichen Intelligenz auf fast jede Frage eine Antwort findet. Der Chatbot spuckt auch komplizierte akademische Texte aus, man muss nur gezielt danach fragen.
Auf den ersten Blick sind diese sogar richtig gut.”
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/uni-live/kolumne-uni-live-das-bildungssystem-ist-auf-chatgpt-nicht-vorbereitet-18651419.html