Eine schlechte Note wegen Don Quichotte

Ewa Maria Slaska

Am 3. März kündigte ich an, dass Don Quijote nach Barataria geht, weil er dorthin gehört. Interessant, dass es nicht leicht ist, sein Lieblingsthema zu verbannen. Am Morgen des 6. März ging ich in die Stadt, um Besorgungen zu machen. Es hat geschneit, es war windig, es war kalt. Nach einer Polnischen Redewendung ist es im März wie in einem Topf. Mal heiß, mal kalt. Es war nass.

Auf einer nassen Bank lag …


Ich habe bereits zwei weitere Exemplare dieses Kinderbuchs, das in den 1950er Jahren von Erich Kästner als Teil der Reihe Nacherzählungen geschrieben wurde. Das erste habe ich von Ela Kargol bekommen, das zweite – vor kurzem! – von Tibor Jagielski, und jetzt ist das dritte eingetroffen. Illustrationen – Horst Lemke.


Es ist eine sehr schöne Geschichte, und sie beginnt so:

Meine Lieben!

Neulich fragte eine Illustrierte ihre Leser: »In welchem Zeitalter hätten Sie am liebsten gelebt?« Und die Antworten waren bunt wie ein Blumenstrauß Ein Kolonialwarenhändler aus Sehweinfurt teilte der Redaktion mit, dass er am liebsten, etwa um 500 vor Christi Geburt, ein alter Grieche gewesen wäre, und Zwar, wenn sich’s hätte einrichten lassen, Sieger bei den Olympischen Wettkämpfen. Statt mit Lorbeer ‘gekrönt’ zu sein, müsse er nun in seinem Geschäft Lorbeer in Tüten verkaufen, für fremde Suppen, und das gefalle ihm viel weniger.

Eine gewisse Frau Brinkmann aus Lübeck schrieb, schon als Konfirmandin habe sie sieh sehnlichst gewünscht, im 18. Jahrhundert gelebt zu haben, und zwar als Hofdame in Frankreich, mit weißgepuderter Frisur und in weiten seidenen Reifröcken. Dann hätte sie den schönen Marschall Moritz von Sachsen geheiratet und nicht Herrn Brinkmann. Und Paris und Versailles seien viel hübscher als Lübeck und Travemünde. Sie könne das beurteilen, denn sie habe im vorigen Jahr eine achttägige Gesellschaftsreise nach Paris mitgemacht.

So hatte ein jeder Leser seinen eignen Kopf. Einer hätte gern als schwedischer Reitergeneral im Dreißigjährigen Kriege gelebt, ein andrer als chinesischer Mandarin, ein dritter als Mundschenk der Königin Kleopatra von Ägypten. Nur Herr Pfannenstiel aus Barmen-Elberfeld schrieb:

»lch, der Endesunterfertigte, möchte Herr Pfannenstiel aus Barmen-Elberfeld, Krumme Straße 7, Vertreter für Rasierklingen, sein und bleiben. Hochachtungsvoll Ihr sehr ergebener Willibald Pf.«

Willibald Pf. war mit seinem Los zufrieden. Er war eine Ausnahme. So selten wie eine seltene Briefmarke.

Don Quichotte nun, dessen Abenteuer ich euch gleich erzählen werde, war ein armer spanischer Edelmann, der für sein Leben gern ein Ritter gewesen wäre. Ein Ritter in voller und blitzender Rüstung, mit Lanze, Schild und Schwert und auf einem feurigen Hengst. Obwohl es zu seiner Zeit, vor etwa dreihundertfünfzig Jahren, solche Ritter schon lange nicht mehr gab! Nun hätte das keinerlei Aufsehen erregt, wenn Don Quichotte seine Ritterträume hübsch für sich behalten und zu Hause im Lehnstuhl geträumt hätte. Doch so bequem machte er es sich und den anderen nicht! Er dachte nicht: Ach, wäre ich doch ein tapferer Ritter! Ach, könnte ich doch den Schwachen und Bedrängten helfen! Ach, hätte ich doch verwegene Feinde, um sie zu besiegen! Nein, er hielt gar nichts von Wäre und Könnte und Hätte! Sondern er erhob sich aus seinem Lehnstuhl, schlug mit der Faust auf den Tisch und rief blitzenden Auges: »Ich bin ein Ritter! Ich habe Feinde! Und ich werde den Schwachen helfen!« Dann holte er die eiserne Rüstung seines Urgroßvaters vom Boden, putzte und kratzte den Staub, die Spinnweben und den Rost weg, reparierte den Helm und das Visier, kletterte in die Rüstung hinein, band den Heim fest, zog sein Pferd aus dem Stall, das so dürr war wie er selber, stieg ächzend hinauf, setzte sich Zurecht und ritt davon. Die Abenteuer, die er erlebte, hat Miguel de Cervantes aufgeschrieben, und er hat in dem Buch behauptet, schuld an Don Quichottes seltsamen Taten wären die zahllosen Ritterromane gewesen, die damals Mode waren und die er allesamt gelesen hätte. Das kann schon sein. Kürzlich wurde auf einem Münchner Standesamt ein junges Paar getraut, das dreihundertsieben Wildwestfilme gesehen hatte. Sie kamen Zu Pferde, mit Colts und Lassos, in Cowboytracht, und der Standesbeamte fiel in Ohnmacht. Immerhin wussten die jungen Eheleute noch, dass sie  eigentlich Bachmayer hießen und dass der Herr Gemahl wochentags nicht über die Prärie reiten, sondern in Schwabing die Gaszähler prüfen musste. Bei Don Quichotte lag das anders. Er war beim Lesen übergeschnappt! (Na euch kann das ja nicht passieren).

Bye By Don Quichotte, ich habe deinetwegen eine schlechte Note bekommen. Lieben tue ich dich weiter. Trotzdem.

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