Buchstaben einer Ausstellung

Ewa Maria Slaska

Nochmals zu Paris Magnetique

Letzte Woche gingen wir, Ela Kargol, Krysia Koziewicz und ich, das erste Mal zu dieser wunderbaren Ausstellung. Ich schreibe hier “das erste Mal”, weil ich vermute, wir werden öfter hingehen. Ela Kargol hat auch sofort HIER darüber berichtet.

Ich fand die ganze Ausstellung sehr spannend, begeistert hat mich aber vor allem DIE SCHRIFT. Da die oberflächliche Suche in ausgelegten Infomaterialien sowie Befragung der (sichtbaren) Ausstellungamitarbeiter keine Geheimnisse preis gaben, schrieb ich die Presseabteilung des Jüdischen Museums an:

Sehr geehrte Frau Karsch, ich wollte fragen, ob Sie etwas über Buchstaben / Font wissen, den man bei der Ausstellung Paris magnetique benutzt?
Den Font finde ich sehr schön, er sieht nach selbst für diese Ausstellung erfundene Form aus. Ich habe bei der Ausstellung gefragt und im Katalog und Pressemappe gesucht, fand jedoch keine Informationen.
Da die Moderne sich sehr für die Schriften interessierte, werde ich gern etwas mehr darüber erfahren.
Ich bin eine Journalistin, Schriftstellerin und Bloggerin.
Mit freundlichen Grüßen
Ewa Maria Slaska

Frau Karsch hatte sofort ihre Aufgaben gefüllt, da ich prompt zwei Antworten bekam. Ich veröffentliche sie hier mit höflicher Genehmigung der Autoren.

Liebe Frau Slaska,
Herzlichen Dank für die nette Rückmeldung. Die Schrift ist von dem Gedanken des magnetischen inspiriert und soll die Spannungen und Kräfte verdeutlichen, die in der Zeit 1905-1940 in Paris auf die Künstler*innen und durch sie gewirkt haben. Der Grafiker ist Edgar Kandratian.
Insgesamt wollten wir der Ausstellung, wie schon von Ihnen gut vermutet, eine moderne Anmutung geben – die Gestaltung soll den Eindruck unterstützen, wie zeitgenössisch die Werke und Themen sind, die wir zeigen. Wir wollten eher das „Ésprit Nouveau“ als das Hausmann Paris betonen – Moderne statt Nostalgie.
Herzliche Grüße,
Dr. Shelley Harten
Ausstellungskuratorin / Curator of Exhibitions

***

Liebe Shelley,
lieben Dank für die Weiterleitung der Frage und für Deine Zusammenfassung unseres gestalterischen Ansatzes.


Liebe Frau Slaska,
Haben Sie auch meinen herzlichen Dank für Ihre nette E-Mail und Feedback.


Als Ergänzung würde ich noch kurz zufügen, dass diese Schriftart mit Namen Exposit wurde von der unabhängigen Type Foundry TighType entwickelt.


Laut Designers soll diese eine Art von Neuinterpretation von Joseph A.  David’s “Plaque Découpée Universelle” sei, einer in 1876 entworfenen Schablone, mit der alle Buchstaben, Zahlen, Symbole und Interpunktion anhand ihres Rasters gezeichnet werden konnten.


Entscheidend für meine Auswahl dieser Schriftart waren neben des magnetischen Aspektes, wie es Shelley bereits erwähnte, auch die äußerst dynamischen, expressiven und avant-garde Charakteristiken des gesamten visuellen Erscheinungsbildes der Font — ein Aspekt, welcher sich im Zusammenhang mit den in der Ausstellung präsentierten Künstler und Ihrer visuellen Stilrichtungen stark assoziieren lässt.


Falls Sie noch Fragen haben, stehe ich Ihnen weiterhin gerne zur Verfügung.


Herzliche Grüße,
Edgar Kandratian 
Art Direction & Graphic Design
—————————————–
studio edgar kandratian
lab for interdisciplinary designing

www.studioedgarkandratian.com

****

Das ist diese Schrift-Tafel (https://www.researchgate.net/figure/Plaque-Decoupee-Universelle-PDU-Joseph-A-David-1876_fig1_323592613)

Aber das ganze ist noch interessanter, was Herr Kandratian es hier gesagt hat, ich es aber zuerst nicht wahr genommen habe: Es war gerade Joseph A. David, der Erfinder dieser Schrift, der vor allem diese Tafel erfunden hat! Und sie ist wirklich revolutionär! Ein einheitliches System für Buchstabenschreiben und -entwerfen. Eine Tafel beinhaltet alle Buchstaben: Block, Klein, Numbers, Interpunktion, Akzente usw. Sie können alle aus dem Raster der Schablone entnommen werden. Daher der Name: Plaque Découpée Universelle (PDU): Tafel der Universalschrift. 1876 bekam David Patent für seine Erfindung.

5 thoughts on “Buchstaben einer Ausstellung

  1. ha, mich würde interessieren, ob der US-amerikanische Ingenieur jüdisch war. wenn man seine Schriftplatte so anschaut, bzw. wenn ich sie so anschaue, muss ich sofort an das kabbalistische Sefirot, den Lebensbaum, denken. und wenn man bedenkt, wie existenziell die Schrift für das Judentum war und ist, dann…
    …ja, dann eröffneten sich uns Welten, und zwar nicht nur Schriftwelten, aber – gewiss! – Lebenswelten!

    pozdrawiam
    wiadomo kto 🙂

  2. Ich glaube, es war für mich so klar, dass der Joseph David ein Jude war, dass ich gar nicht weiter gesucht habe. Aber Mal sehen, was der einfache Research rausgibt. Ich melde mich.

  3. Erste Infos versprechen eh wenig (Sehe HIER: https://draw-down.com/collections/new-titles/products/plaque-decoupee-universelle-universal-stencil-plate)
    Little is known about the creator of this lettering device, Joseph A. David, except that he lived in New York, the location where the work was patented in 1876. Contextual clues suggest that the tool was made by someone who wasn’t a type designer, and was possibly not in dialogue with the type community of his time. Much of what is now known about the device is included in Eric Kindel’s 2007 “Typography papers” article, “The ‘Plaque Découpée Universelle’: a geometric sanserif in 1870s Paris.”
    Much of what is now known about the device is included in Eric Kindel’s 2007 Typography papers article, “The ‘Plaque Découpée Universelle’: a geometric sanserif in 1870s Paris.”

  4. Sela! Even in in Eric Kindel’s 2007 “Typography papers” article, “The ‘Plaque Découpée Universelle’: a geometric sanserif in 1870s Paris” there is nothinhg about Joseph A. David. I have that text as PDF; if somebody needs it, please let me know. Given the mail address I can send it to him / her.

  5. ja, genau. habe ich auch alles. hätte also nicht gefragt, hätte ich vorhin nicht gecheckt. 😉 aber da ist doch noch eine winzige quelle. herausfordernd also. 😉 ich warte noch.

    pozdrawiam
    wiadomo kto 😉

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