Die Kraft der Bilder, der gemalten und der gesehenen

Monika Wrzosek-Müller

Vor ein paar Tagen bin ich ins Museum Barberini gegangen; das Wetter war schon wieder sommerlich, alles aber nach den sintflutartigen Regenfällen grün, sauber, frisch, blühend, lebensbejahend. Die Gegend um das Barberini ähnelt inzwischen der Kulisse aus einem Film, der Anfang des 19. Jh. spielt und wo alles picobello aussieht; doch eigentlich gefällt mir das, die Patina und das Alltägliche werden sich noch schnell genug einnisten, der Grauschleier auf den Fassaden ausbreiten.

Im Museum auch keine Massen, obwohl die Ausstellung: „Mit offenem Blick. Der Impressionist Pissarro“ bald zu Ende geht. Es gibt auf der Homepage des Museums eine sehr gute Einführung. Deswegen will ich mich nur auf meine persönlichen Empfindungen und Beobachtungen konzentrieren.

Es werden sehr viele Bilder von Pissarro ausgestellt (um die 100) und sie stammen aus ganz vielen Museen, Galerien, Privatsammlungen (Wahnsinn, dass man solche Werke privat besitzen kann …). Ich fand es unheimlich, dass er in einer jüdischen Familie geboren wurde, die eine Zeitlang in Dänisch-Westindien, auf der Insel St. Thomas lebte. Daher waren auch die ersten Bilder in der Pissarro-Ausstellung mit vielen Palmen und viel Licht, zu sehen. Ich denke, in diesen Breitengraden hat er die Bedeutung von Licht erkannt, oder besser schätzen gelernt. Die Szenen sind durchaus realistisch gehalten, das einfache Landleben überwiegt als Motiv.

Er war auch offensichtlich viel unterwegs in seinem Leben, im Internat bei Paris, dann in Venezuela; später übersiedelte er ganz nach Frankreich, nach Paris. Eigentlich, soviel ich verstanden habe, hat er keine Kunstakademie besucht, sondern Privatunterricht bei verschiedenen Künstlern genommen. Er probierte vieles für sich aus und war unheimlich sensibel im Umgang mit den Farben und dem Licht. Manche von seinen Bildern sind einfach vom Licht überwältigt, die Farben werden nur in pastosen, hellen, stimmungsvollen Pinselstrichen aufgetragen. Die Reisen gingen weiter; während des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 übersiedelte er nach London, dort wohnte er eine Zeitlang. Nach der Dreyfus-Affäre floh er aus Frankreich nach Belgien, kehrte aber später nach Paris zurück. Die meiste Zeit wohnte er in Louveciennes und Pontoise und natürlich Paris.

Seine Bilder zeigen eher gewöhnliche Menschen, es fehlen die Porträts der reichen Damen in prächtigen Kleidern, die sog. reiche Kundschaft. Diejenigen, die er porträtiert hat, waren seine Kinder oder seine Frau. Meistens malte er einfach die Bauernbevölkerung bei der Arbeit oder eben Landschaftsbilder, oft in verschiedenen Jahreszeiten, unter verschiedenen Wetterphänomenen mal im Regen, mal im Sonnenschein, fast dieselben Ausschnitte. Sie zeigen auch keine Prachtgärten, keine besonders angelegten Rabatten mit tausenden von Blumen, sondern eher den Gemüseanbau, Kohl- oder Salatköpfe, und die Frauen bei der Arbeit im Feld. Aus den Bildern spricht uns eine Ruhe, Behaglichkeit und Harmonie an, die nur jemand wiedergeben kann, der sie selbst erlebt hat; vielleicht steht dahinter eine besondere Naturverbundenheit, auf jeden Fall großes Talent. In England fing er an auch Stadtansichten zu malen; hat zum ersten Mal Lokomotiven gemalt und sich auch den Häfen gewidmet; die drei für mich schönsten Bilder sind die von der Brücke in Rouen in verschiedenen Wetterlagen, sie wurden in der Ausstellung auch wunderbar zusammen arrangiert, damit man sie besser vergleichen kann.

Man spürt bei ihm wirklich, dass er seine Kunst lebte und dass sie ihm viel bedeutet hat. In ihrem letzten Buch schrieb Ewa von der Freiheit von (der negativen) und der Freiheit zu (der positiven). Vielleicht dank des Talents, das er unstrittig besaß, hat er sich in seiner Entwicklung der positiven Freiheit genähert, bewusst seine Themen gewählt, bewusst manche ausgespart. Er experimentierte mit verschiedenen Stilen, auch mit dem Pointilismus, doch seine Stärke und für mich größte Errungenschaft lag eindeutig in den impressionistischen, uns erhellenden Bildern sowohl von Landschaften als auch von Städten.

Eine weitere Empfehlung gilt hier besonders in dieser Jahreszeit der Freundschaftsinsel, die auf dem Weg von der S-Bahn-Station zum Museum rechts zwischen den Havelarmen liegt und wirklich ein Kleinod der Gartenkunst mit Tausenden von Stauden ist (sie sind alle nach dem Plan des Staudenzüchters Karl Foerster gepflanzt). In jeder Jahreszeit blühen sie in anderen Farben und neben vielen exotischen Gehölzen, Bäumen und Sträuchern gehören auch seltene Rosenarten dazu. Vielleicht ist in gerade dieses Jahr durch den heftigen Regen alles zu so besonderer Pracht angewachsen, jedenfalls verschlägt es einem fast die Sprache, wenn man das Grün der Rasenflächen und die in vielen Farben angelegten und gepflegten Rabatten sieht.

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