Ihr Parlament. Ihre Erinnerungen.

Bei einem Besuch im Bundestag, gerade vor einer Woche, fand ich eine Postkarte mit dem folgendem Text:

Die Bundesrepublik wird 75 – und das Parlament feiert mit.
1949 trat in Bonn der erste Deutsche Bundestag zusammen. In einem geteilten Land. 1999, zehn Jahre nach der
Friedlichen Revolution in der DDR, zog das gesamtdeutsche Parlament nach Berlin – vor 25 Jahren.
Der Deutsche Bundestag und das Haus der Geschichte in Bonn laden Sie ein:
Bereichern Sie das Parlamentsjubiläum mit Ihren Erinnerungen!
Sie haben ein Foto der Klassenreise nach Berlin, eine Einlasskarte auf die Tribüne der Volkskammer 1990,
ausrangiertes Geschirr aus dem Bundeshaus in Bonn – oder einen anderen Gegenstand, mit dem sich Ihre
persönliche Erinnerung an das Parlament verbindet?
Erzählen Sie uns davon: Parlamentsgeschichte@hdg.de

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Ich dachte, dass ich eine Geschichte zu erzählen hätte und schrieb einen Text, den man gleich unten findet. Den Link dazu habe ich an die o.g. Mailadresse gesendet. Es kam eine nette Antwort, dass die ganze Aktion schon längst vorbei ist. Und ich frage mich, wenn so, warum lagen die Postkarten immer noch in den Bundestag?

Der Text aber bleibt bestehen. Ich werde an ihn nicht basteln.

So!
Es gibt Aufruf zu einer Geschichte mit dem Bundestag verbunden, bei der man einen Gegenstand vorzeigen kann. Ist die eine Erinnerungsgeschichte gegenstandslos, wenn man keinen Gegenstand hat, der sie illustriert? Ach, egal.

So ist meine Geschichte. Eine kleine unwichtige Tafel auf einem Stückchen einfacher Ziegelmauer.


Eigentlich gibt es auf dieser Stückchen Mauer zwei Tafeln, eine zentral platzierte, elegante, bronzene, aber schwer lesbare und eine (die oben abgebildete, rechts darunter platzierte) weiße, auf der der Text sehr gut lesbar ist; die Mauer und beide Tafeln befinden sich auf der hinteren Reichstagswand. Es war die Idee der damaligen Marschall des Sejms, dh. des polnischen Parlaments, Bronisław Komorowski, dieses Stückchen Mauer als ein Geschenk an den Deutschen Bundestag zu übergeben. Die Enthüllung fand am 17. Juni 2009 statt, 56. Jahrestag des Volksaufstands der Berliner in der DDR gegen den kommunistischen Obrigkeiten. Es war das Jahr 1953 und somit war es der erste Aufstand im Ostblock, noch vor dem sog. polnischen Oktober und ungarischen Aufstand, die beiden 1956 stattfanden (was in Polen sehr oft vergessen wurde; nicht nur, was klar ist bi den Obrigkeiten, aber auch sowohl bei der Opposition, als auch schon in freien Polen; daher war der Termin der Enthüllung eine Neuigkeit in der deutsch-polnischen Beziehungen). Bei der Enthüllung waren Angela Merkel, Präsident des Bundestags Norbert Lammert und Bronisław Komorowski anwesend.


Ein paar Jahre vergingen, gar nicht so viele. 2014 “hat sich” die bronzene Tafel patiniert, auf der weißen haben sich die Buchstaben zum Teil aufgelöst. Somit waren beide unlesbar geworden, die weiße darüber hinaus noch schlampig aussehend. Auf dem polnischen Teil des FB begann im Sommer eine heftige Diskussion mit dem Ton, dass es ein Skandal ist, dass es so schlecht aussieht, dass sich die Botschaft der Republik Polen, das polnische Institut oder andere Institutionen und Honoratioren darum kümmern sollen. Ich las es mit einem gewissen Staunen, weil mir diese heftige Suche nach den Verantwortlichen lächerlich vorkam. Ich schrieb, dass OK, die Dinge schlecht aussehen und ich werde mich darum kümmern, wenn ich nach meinem Urlaub zurück in Berlin bin. Es sind einige Tagen vergangen. Ich kam zurück und ging die besagten Tafeln selber zu sehen. Es sah tatsächlich schlecht aus. Ich knipste eine paar Fotos und ging ein paar Meter weiter ins Reichstag Facility-Büro. Also zu Hausmeistern. Ich sagte, dass die Tafel schlecht aussehen, die bronzene kann man ein Bißl polieren, die weiße braucht Reparatur oder Erneuerung. Man hat mir gesagt, dass man nicht dafür verantwortlich ist, darum muss sich das richtige Reichstagsbüro kümmern. Ich bekam die Adresse, ein paar Straßen weiter, ging hin, erzählte wieder meine Story und zeigte Fotos. Die Leute im Büro sagten “Oje, tatsächlich, sieht schlecht aus, wir kümmern uns darum. In ein paar Tagen rufen wir sie an.” Und bitte, ein paar Tage später hat man mir ein Foto zugeschickt. Die Tafel war schön, weiß, lesbar. Ich fuhr wieder hin, fotografierte sie und schrieb am Facebook, dass es erledigt ist und dass es vielleicht manchmal Sinn hat, einfach etwas zu machen, statt zu meckern und Schuldige zu suchen.

Ja, eine einfache Geschichte, die jedoch einen zweiten Boden hat, einen der mit dem Deutschen Bundestag schon gar nicht zu tun hat, viel jedoch mit dem menschlichen (polnischen?) Charakter. Auf dem FB bekam ich ein paar anerkennenden Daumen oder Herzchen und ein Kommentar von einer wichtigen Persönlichkeit aus dem deutsch-polnischen Kontext, die sich offensichtlich persönlich angegriffen fühlte. Ach, Frau Slaska, schieb dieser Mensch, das war sicherlich ein Zufall und nicht Sie haben es erreicht, sondern irgendeine wichtige Institution, solche Sachen benötigen viel Zeit und Aufwand seitens wichtiger Personen.

Ha! Du bist zu klein, Frau Slaska, unwichtig. Und wichtige Sachen erreichen nur wir, wichtige Persönlichkeiten.

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