Monika Wrzosek-Müller
Der Traum und die Wirklichkeit
Das allem sichere Kriterium zur Unterscheidung des Traumes und der Wirklichkeit ist … das ganz empirische des Erwachens, durch welches der Kausalzusammenhang zwischen den geträumten Begebenheiten des wachen Lebens fühlbar abgebrochen wird.
Arthur Schopenhauer
In der Nacht von Montag auf Dienstag letzter Woche kam der Traum, oder besser der Albtraum: eine riesige Tsunamiwelle raste, dunkel, meterhoch auf mich zu. Ich wusste, dass es keinen Ausweg, keine Rettung gibt; der Weg zu dem Kloster oben war durch einen Stau blockiert, zu weit entfernt, auch war die Welle schon zu nah, doch diese Gedanken hatte ich noch im Kopf. Ich wusste, gleich ist die Welle über mir, gleich werde ich unter den Wassermassen verschwinden, werde nicht mehr existieren. Alles rundherum wird schwer, unheimlich, schwer, unüberwindbar… doch ich spürte eigentlich eher Entspannung… In dem Moment wachte ich auf, draußen regnete es stark; ich war verschwitzt, erschrocken und orientierungslos. Im Zimmer war es ziemlich dunkel, immer wenn ich die Augen wieder zu schließen versuchte, kam der Traum, die Welle, mit einer Wucht und Stärke zurück, vor der ich Angst bekam. Also machte ich das Licht an, setzte mich im Bett auf und trank ein Schluck Wasser. Draußen dämmerte es, der Regen fiel gleichmäßig, aber doch nicht allzu stark. Gut, dachte ich, die Natur hat´s nötig, obwohl es eigentlich in der letzten Zeit immer wieder geregnet hat. Den ganzen Dienstag regnete es gleichmäßig, so dass man kaum rauskam. Wir packten unsere Sachen, räumten alles in den Urzustand zurück, putzten die Küche, das Bad und wollten doch noch einmal unsere Bar in Orbetello besuchen, auch den letzten Müll wegbringen. Wir warteten auf eine kleine Regenpause, die kam aber nicht…
Am Mittwoch war der Tag unserer Abreise; wir stellten das Auto direkt vor die Pforte, um unsere Koffer möglichst wenig im Regen schleppen zu müssen. Es regnete weiter, wie auch die ganze Nacht vorher, jetzt auch stärker. Wir ließen die Rollläden herunter und die Fenster einen Spalt geöffnet, so wie wir das abgesprochen hatten. Schlugen die Tür zu und fuhren Richtung Lagune; schon unterwegs kam uns der Himmel unheimlich düster, dunkel vor. Er hing direkt über dem Kopf, es gab kaum Platz zwischen Erde, Wasser und dem Himmel, irgendwie bedrohlich. Das Wasser in der Lagune war auf dem Höchststand. Wir wollten noch einen letzten Kaffee trinken, trafen viele Leute, aufgeregt an den wenigen Tischen unter den riesigen Sonnenschirmen redend, die jetzt als Regenschirme dienten, drinnen waren alle Plätze besetzt. Alle beobachteten das Wasser in der Lagune, wieviel Zentimeter noch, wann, was macht man dann. Wir mussten weiter, nach Rom, das Auto abgeben, ins Flugzeug steigen. Unterwegs wurde das Wetter immer schlechter, der Regen peitschte über die Scheiben, manchmal musste ich ganz langsam fahren, denn es sammelten sich riesige Pfützen in den Löchern oder Senken in der Fahrbahn. Es gab aber wenig Verkehr. Die vereinzelten Autos fuhren auch eher langsam und vorsichtig, nur selten hinterließen sie dennoch Wasserfontänen auf beiden Seiten. Erst an der Peripherie von Rom kam, wie man auf Italienisch sagt, eine bomba d´aqua runter. Mich erinnerte das eher an eine Wassermauer, einen Wasserfall, man musste sehr langsam fahren, doch es war nicht mehr weit. Bei der Abgabe unseres Autos wurden wir aber doch nass, ein großer Parkplatz ohne jegliche Unterstellmöglichkeit. Zur Abflughalle kamen wir jedoch ohne Probleme, auch das Flugzeug startete auf der nassen Startbahn ohne große Verspätung.
In Berlin begrüßte uns ganz tolles Wetter, mit Sonnenschein und mit einer Trockenheit, die wir lange nicht gespürt haben.
Am Donnerstag schauten wir natürlich nach dem Wetter in der Maremma, in Orbetello; es regnete weiter. Die Schulen wurden geschlossen, die Menschen sollten aus den unteren Stockwerken in die oberen gehen und sich nicht auf die Straße begeben. Am Freitag wurden mehrere Straßen geschlossen; der Weg von uns zur Schnellstraße nach Rom war jetzt auch unpassierbar. Unsere Freundin konnte erst am Sonntag zu dem Haus vordringen, sie fand 20 cm Wasser im Wohnzimmer vor. Die Terrasse oben muss undicht geworden sein und das Wasser ist eingedrungen. Inzwischen scheint auch wieder etwas die Sonne, bald wird es wieder wunderschönes Wetter geben. Doch manchmal wälzt eine Tsunamiwelle auch über die Toskana.
