Monika Wrzosek-Müller
Eine Fotoausstellung
In der Zeit zwischen den Jahren, wenn „alles schläft“, habe ich mir eine sehr gute, inspirierende Fotoausstellung in C/O Berlin angeschaut. Auf den Gedanken „alles schläft“ bin ich gekommen, weil wir praktisch fast die einzigen Besucher der großen Retrospektive von Mary Ellen Mark waren. Dabei erinnere ich mich an die Menschenmassen in der Ausstellung Genesis von Sebastiao Salgado von 2015 in derselben Institution, wo man warten musste, um jeweils an die nächste Fotografie herankommen zu können, an die riesigen, wahnsinnig schönen Fotografien, die sich damals angeblich auch zu unheimlichen Preisen verkauften. Die inszenierte Natur auf diesen Fotos war so perfekt, die Naturvölker darin so in Szene gesetzt, dass sie fast unnatürlich wirkten; doch die Fotos an sich waren wirklich unglaublich, überirdisch schön. Warum fällt mir die alte Ausstellung jetzt plötzlich ein? Vielleicht weil sie eine ganz andere fotografische Vorgehens- und Arbeitsweise zeigt, die im krassen Gegensatz zu der jetzigen Retrospektive steht.
Ellen Marks Bilder sind „gewöhnlich“, sie zeichnen sich nicht durch ein besonderes Format oder durch die Schönheit der aufgenommenen Objekte aus, sie behandeln eher Probleme, sie begleiten bestimmte Prozesse. Mark fotografiert nicht, um eine schöne Inszenierungen festzuhalten oder ein schönes Gesicht in Szene zu setzen, ihre Art des Fotografierens ist die Beobachtung und die Begleitung. Viele ihrer Fotografien wirken wie spontan festgehaltene Momente aus dem Leben der Menschen, denen sie aber auch nahesteht. Sie lernt ihre Objekte kennen, sie lebt mit ihnen und die einzelnen Bilder scheinen zufällig, spontan zu sein, doch die Projekte sind durchdacht und langwierig. Sie arbeitet eindeutig als Fotoreporterin, es sind Reportagen, die sie mit ihren Serien erzählt und sie sind sozialkritisch und engagiert.
Ein Bild am Anfang der Ausstellung fällt mir auf: ein müder Weihnachtsmannsitzt nach getaner Arbeit am Tisch in einem ´abgewrackten´ Café, er hat seinen Kaffee getrunken, jetzt raucht er eine Zigarette. Der Rauch der Zigarette schwebt Richtung Deckenlicht, man sieht die Rauchschwaden, die alles leichter wirken lassen. Ist es eine Arbeitspause? Geht er noch einmal los? Seine andere Hand umfasst eine Glocke, mit der er wahrscheinlich die Leute zum Einkaufen animiert, auf sich aufmerksam macht. Fast alle anderen Cafétische sind leer, nur an einem, am Bildrand, sitzt ein Schwarzer. Es ist eine schwarz-weiß Fotografie und doch changiert sie mit so vielen Grautönen, dass sie zwar trist, melancholisch und bedrückend wirkt, doch fast wie eine Farbfotografie anmutet, und man könnte in diese Fotografie die ganze vorweihnachtliche Stimmung hineininterpretieren und dabei von Weihnachten erzählen.
Ganz viele Projekte realisiert Mary Ellen Mark in schwarz-weiß, nur wenige, präzise ausgewählt sind bunte Fotoserien. Wie könnte man Indien denn anders als bunt fotografieren? Da ist die Fotoserie der Sexarbeiterinnen in Mumbai in der Falkland Road am auffälligsten. Sie brauchte lange, um ihre Lebensumstände so unverhüllt und aber doch würdevoll zeigen zu können. Auf der Straße lernte sie die Frauen, eher Mädchen kennen, die ihr am Anfang sehr abgeneigt waren, sie mit Müll bewarfen und anschrien. Doch sie lebte wochenlang beharrlich an ihrer Seite, bis die Personen wussten, dass ihr Interesse an ihnen echt war. Eines der Bilder schaffte später auf die Titelseite des „Spiegel“. Auch die Serie über eine reisende Zirkusfamilie, Indian Circus, ist wunderbar bunt, ebenso wie das Leben dieser Familien. Die Fotos von Mutter Theresa und ihrer Mission of Charity sind schon wieder sehr sparsam mit der Farbe, auch wenn das berühmte Foto von Mutter Theresa in hohem Alter eindeutig die beiden blauen Streifen an ihrem Kopftuch erkennen lässt. Dieses Foto habe ich während meines Aufenthalts in Indien in einigen Ashrams gesehen.
Um Geld zu verdienen, aber auch aus eigenem Interesse begleitete sie viele Filme am Set (ihr Mann war der Dokumentarregisseur und Filmemacher Martin Bell) und schoss die entsprechenden Fotos, die dann in den Zeitungen kursierten. Berühmt wurde sie durch die Arbeiten zu dem Film Einer flog übers Kuckucksnest. Sie blieb noch lang nach Beendigung der Dreharbeiten im Oregon State Hospital, oder genauer: sie kehrte ein Jahr dorthin zurück, um im psychiatrischen Hochsicherheitstrakt für Frauen das Leben dieser Frauen zu dokumentieren; die Arbeiten zogen sich monatelang hin, sie wohnte auch dort. Oft entstanden aus diesen Fotoserien auch Bücher, richtig umfangreiche, interessante und eindringliche Fotoalben.
Immer wieder legte sie den Finger in die Wunden der Gesellschaft: in einer der reichsten Städte der USA, in Seattle, begleitete sie über Jahre Kinder, später dann Jugendliche, die auf der Pike Street lebten. Sie musste erst ihr Vertrauen gewinnen, wochen- und monatelang beobachtete sie beharrlich ihre Objekte, bevor sie ein Fototermin hinbekam. Danach aber entstanden feste Beziehungen, die über das Projekt hinaus bestand hatten. Eins von diesen Kindern begleitete sie dann bis ins höhere Alter: Erin Blackwell, genannt „Tiny“, hat sie mit ihren Fotografien ein Denkmal gesetzt. Das Foto von Tiny, Halloween, Seattle 1982, bleibt für mich das schönste Foto der ganzen Ausstellung. Da ist die Heldin schön und doch ganz erfasst von ihrer Ablehnung und Negativität. Die schwarz-weiße Fotografie zeigt sie fast wie ein Supermodel in einem schwarzen schönen Kleid und einem Hut mit Schleier, sie trägt schwarze Handschuhe und umarmt sich selbst. Die junge Frau sieht darin ganz zerbrechlich und auf sich selbst gestellt, aber zugleich sehr cool und schön aus.
Wir sehen auch ihre Arbeiten zu der Porträtfotografie, Versuche, einige Prominente abzubilden (darunter den ganz jungen Woody Allen mit seiner Frau Mia Farrow), oder das Projekt über Zwillinge, die sie auch länger begleitete, oder über Paare beim Schulabschlussball. Doch irgendwie spürt man, dass sie das nicht anzog. Sie war bemüht, durch ihre Arbeiten finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen; natürlich waren die Reisen und längeren Aufenthalte, Hintergrundrecherchen kostspielig. Oft bekam sie für die Projekte Stipendien, wollte aber dann über ihre Arbeiten selbst verfügen und band sich lange Zeit nicht an eine bestimmte Zeitung und ein Magazin. Sie vergab ungern ihre Rechte und verkaufte lange Zeit ihre Arbeiten selbst. Sie war aus der Bewegung der Feministinnen (die sie auch mit Fotos begleitet hatte) hervorgegangen und nahm ihren Kampf um die Unabhängigkeit ernst.
Nach dem sehr positiven Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der ihren Arbeiten einen zutiefst humanistischen Blick auf die Welt zuschreibt, wird sie hoffentlich Besucherscharen generieren.

Don Quijote for ever!
Taming-of-the-Shrew-Gillray – Frieden von Jassy – Wikipedia
Drogi Tiborze,
dziekuję za wpis i ciekawą rycinę. ale: “Co ma frak do kamizelki? Stach pod kurtką nosił szelki, bo kapelusz miał za wielki. Sens z tego taki wynika: co ma wiatrak do piernika”. Może zechcesz mnie ościecić!
ma,ma… szanowna pani
Kim Kardashian: Im 32. Semester Kimologie – taz.de
inaczej byłby świat do bani!