Wir und Elfriede Jelinek

Anne Schmidt & Ewa Maria Slaska

AS:

Ich setze auf einem bevorzugten Platz im Deutschen Theater und könnte mich ohrfeigen:  Ich habe meine Hörgeräte vergessen. Mir wird schnell bewusst, dass ich den Monolog der jungen Schauspielerin nur zu einem Bruchteil verstehen werde, obwohl ich vorn sitze und sie – ganz offensichtlich, aber nicht sichtbar – ein Mikrofon trägt.

Wortspiele, so wird mir trotz meiner Schwerhörigkeit schnell klar, sind auch ein bevorzugtes Stilmittel von Elfriede Jelinek, deren Stück  Angabe der Person  ich gerade konsumiere, ohne ihre Festplatte geklaut zu haben.

Um den Diebstahl von Texten, die Knechtschaft der Steuern, das Entziehen von Geld  und die Präzisierung der eigenen Person, geht es in dem ersten Dialog. Ich halte mich krampfhaft an Schlüsselbegriffen fest, um so viel wie möglich zu verstehen.  Der 2. Auftritt wird von Fritzie Haberland bestritten, die so virtuos spielt, dass ich das Klagen über die toten Familienmitglieder und die Anklage der Nazi-Verbrecher wie Schirach als wichtigste Aussage hinnehme, nur noch mit der Zusatzinformation, dass die Nachkommen des Nazi-Schirach Anwälte und Autoren sind, die sich auf dem angehäuften Reichtum der Ahnen ausruhen können.

Der dritte Monolog wird so grandios von Susanne Wolf entwickelt, dass meine gespitzten Ohren etwas zugunsten meiner Augen ausruhen können. Sie bringt die Person Elfriede Jelinek in den Vordergrund und die aktuellen Probleme der Deutschen, besonders der Bayern,  die diese mit Flüchtlingen und faschistischen Tendenzen haben.

Die Toten der Vergangenheit möchte sie vergessen, aber sie verfolgen sie, wie auch die ungeliebte Mutter.

Ein einziger Mann im Hintergrund der Bühne, der wahrscheinlich mit seiner Elektronik das elektronische Klavier zwischen den Monologen und vor dem Monolog von Susanne Wolf zum Klingen gebracht hat, entpuppt sich letztendlich als Gott, bei dem die Frauen zwischendurch Trost und Hilfe gesucht haben.

Zum Abschluss gab es rauschenden Applaus für die darstellerische Kunst der drei jungen Frauen, ohne deren Vortragskunst das Stück sehr schwer zu verdauen gewesen wäre, auch für eine Schwerhörige. 

Pressefoto / Arno Declair

EMS:

Hart. Sie ist hart. Sie scheint mir immer hart. Von dem ersten Buch von ihr, bis zu diesem Stück  Angabe der Person, das jetzt im Deutschen Theater wiederaufgenohmen ist. Zum Buch schrieb man damals (2022): Die «Lebensbilanz» der Literatur-Nobelpreisträgerin – und eine große Geschichte über Schuld und Schulden.
Ja schon, sie rechnet hart mit der Geschichte, mit dem Schicksal, damit, dass man die Täter höher schätzt als die Opfer, aber auch wenn man denkt, sie ist von ihrem Hauptthema weggegangen, stellt sich heraus, dass es nicht so ist. Am Ende rechnet sie, wie immer, hart mit ihrer Mutter und mit sich selbst ab, aber mit der Mutter härter. Sie ist in meinem Alter, na ja, ein Stückchen älter, aber nicht wesentlich. Ein Nachkriegskind. Ich konnte immer wieder verstehen, wie und weshalb sie mit ihrer Mutter hadern musste. Ich hatte es auch gemusst. Und trotzdem, nicht so, nein, ich hoffe sehr, nicht so… nicht so hart. So ohne Liebe.

Und daran können wunderbare Schauspielerinnen wenig ändern.

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