Monika Wrzosek-Müller
„Die tägliche Kränkung, dass es nicht mehr das Land ist, in dem zwar nicht die Zitronen blühen und das Wetter nicht so toll ist, aber wenigstens alles funktioniert – insbesondere, wenn du die Bahn benutzt. Das ist kein schöner Befund.“ (Giovanni Di Lorenzo)
Es kommt ein neues Jahr und wir schauen doch mit Hoffnung auf das Neue und wünschen uns, dass es nur besser und optimistischer wird, werden muss. Ich sprach mit einer jungen Frau und fragte sie, wie sie die Entwicklungen denn sehen würde, denn wir Alten würden vielleicht alles in zu schwarzen Farben malen. Sie erklärte mir, die „near future“ wäre inzwischen schon ein Begriff in der neuen Literatur und es würde viel darüber geschrieben, viele Horrorvisionen. Da erwähnte ich Ian McEwan, worauf sie meinte, es sei aber eben nicht nur er und nicht nur wir Alten… Also war ich natürlich nicht beruhigt und trotzdem oder gerade deswegen sollen wir nicht in Ratlosigkeit und Tristesse verfallen, denn darauf kann man nicht aufbauen, und ich wünsche mir, dass wir unsere Fähigkeit zur Leichtigkeit, Harmonie und Zuversicht behalten; das wünsche ich uns allen und besonders im neuen Jahr.
Vielleicht starten wir hier im Blog ein winzig kleines Projekt, einen Versuch; jeder von uns Schreibenden beschreibt oder malt oder fotografiert etwas Schönes, Einmaliges aus dem vergangenen Jahr.
Während unseres Aufenthalts in Syrakus, ging ich jeden Morgen in der Altstadt an der Promenade spazieren und schaute weit aufs Meer hinaus; ja, das muss ich gestehen: ich suchte den Horizont nach den Delfinen ab. Ich stellte sie mir nämlich genau vor, wie sie in hohen Bögen, verspielt aus dem Wasser springen. Ich sprach auch mit den alten Anglern, die am Rand der steinernen Mole saßen, fast immer und in großer Zahl, mit schöner Ausbeute in ihren Eimern, die neben ihnen standen. Sie versicherten, dass zu ihren Lebzeiten nie ein solches Wunder passiert und Delfine in diese tiefe Bucht gekommen wären. Eines Morgens sah ich das riesige englische Kreuzfahrtschiff Queen Anne an der Hafenmole, tief in der Bucht liegen. Es war größer als alle den Hafen umstehenden Gebäude, es schien wirklich alles zu verdecken und ich wunderte mich, wie ein solcher Schiff so weit hereinkommen kann und ob es dann zurückfindet, d.h. wenden kann. Ich setzte mich auf eine Bank und beobachtete das Treiben der Menschen auf dem obersten Deck des Schiffs; es sah alles so surreal aus. Plötzlich flitzte etwas vor meinen Augen, aber eher in der Mitte der Bucht und im Wasser. Es waren zwei dunkle, fast schwarze Fische, ja Delphine, die mitten in der Bucht sprangen. Der eine war größer und daneben ein kleiner. Ein Fischer lief zu mir und schrie: „Haben sie das gesehen?“ Ich bestätigte und glaubte kaum meinen Augen, aber doch da waren sie wieder – so mühelos, verspielt fantastisch leicht und dynamisch, die zwei Delphine suchten nach dem Ausgang aus der Bucht. Inzwischen kamen mehr Menschen und alle versuchten sie zu fotografieren, manche drehten Videos, das Kreuzfahrtschiff war vergessen. Wir alle standen fasziniert und beobachteten, wie die beiden im ruhigen Wasser in perfekten Schwüngen sich ins offene Meer entfernten. Ein Mann sagte dann: „Vielleicht sind sie dem Schiff gefolgt, denn eigentlich sieht man sie hier nie.“
Um Sizilien herum haben es die Fischer, die Menschen geschafft, viele Arten von Fischen wieder heimisch zu machen, die abgefischt und ganz verschwunden waren, z.B. die Thunfische, an die nur die Ruinen der alten Thunfischfabriken, der „Tonnare“, erinnert haben.
