Frauenblick: Kunst

Monika Wrzosek-Müller

Warschau – Überlegungen zu einer Ausstellung

In Warschau war es so warm, eigentlich heiß, schwül, und es gab so viel zu tun, dass ich diesmal sehr wenig von der Stadt mitbekommen habe. Geplant war, abends mit der kleinen kostenlosen Fähre vom Saska Kepa-Strand auf die andere Seite überzusetzen und dort dem Nachtleben der jungen Leute zuzuschauen, doch daraus ist nichts geworden – zu müde, zu weit, zu viel noch zu erledigen; ich habe sogar meine alte Freundin versetzt.

Doch an einem Nachmittag bin ich dem nicht enden wollenden Aufräumen und Aufteilen entwischt und habe mir im Zentrum für zeitgenössische Kunst, im Ujazdowski-Schloss, eine Ausstellung (eigentlich mehrere kleinere) angesehen. Schon lange habe ich keine so irritierend politisch aufgeladene Malerei gesehen; es handelt sich um die Ausstellung von den Werken des Künstlers Ignacy Czwartos mit dem Titel Polnische Übungen zur Tragik der Welt. Zwischen Deutschland und Russland.

Ich muss gleich anmerken: Ich kam total unvorbereitet in die Ausstellungen – einfach reingehen, etwas anschauen und hoffentlich bereichert rauskommen. Eigentlich suche ich in Kunstwerken immer nach Schönheit, nach Trost spendender Schönheit; diese Ausstellung aber hat mich wirklich erschreckt. Das Thema Tod, Krieg, Tod im Krieg, die Konflikte, der Hass und die Unmöglichkeit einer Verständigung haben mich sprachlos gemacht. Die Gemälde sind riesig, meistens über 2 X 2 m. Ein Bild mit dem Titel Nord Stream 2 zeigt die jüngere Angela Merkel in ihrem obligatorischen Jackett und der Rauten-Geste, auf der anderen Seite den Herrn Putin, zwischen ihnen gekreuzte, vielleicht gerissene Pipelines und zwei Totenschädel. Die ausgestreckte Hand Putins, sein Arm ist in Richtung eines abgerissenen Arms gerichtet. Oder das noch schrecklichere Bild Deutsche Qualität (Gunther von Hagen, Josef Mengele), oder noch eins: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Ich sah junge englischsprechende Menschen an diesem Nachmittag im Ujazdowski-Schloss, wie sie nur die Köpfe schüttelten; das ist zu direkt, zu plakativ und zu brutal.

Diese Werke sollten bei der diesjährigen Biennale in Venedig den polnischen Pavillon schmücken, gut, dass es anders gekommen ist. Doch es gab eine inoffizielle Ausstellung der Werke in einer privaten Wohnung, nicht weit vom polnischen Pavillons in Venedig. Unheimlich, dass die Kunst immer noch von der Politik abhängig ist.

Ich verstehe auch sehr gut den Unmut der Polen, wenn es um Anerkennung der deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges geht, doch für mich hetzt diese Malerei, putscht die Gefühle auf, arbeitet falsch mit Emotionen – in Richtung Konfrontation, Richtung Hass, nicht in Richtung Aufklärung, Aufarbeitung. Auch wenn manche Ideen nicht schlecht sind, wirkt diese Art zu malen wirklich abstoßend auf mich. Ich bin auch nicht dagegen, dass die Kunst um Überzeugungen kämpft, doch ich will dabei auch den Hauch eines Gefühls von Schönheit, der Befreiung, einer Idee spüren. Bei diesen Werken konnte ich wirklich nur an Hass, an unbewältigte Konflikte, an historische Traumata denken. Es wirkt so, als ob wir uns kein Stückchen weiterbewegt hätten, jetzt, fast 80 Jahre nach dem Krieg und das stimmt so nicht. Es ist wirklich viel passiert und einiges wurde aufgearbeitet, nicht genug, aber immerhin, auf jeden Fall ist vieles gesagt worden, ob verstanden und verinnerlicht, ist andere Frage. Die Gemälde erinnern mich an die sozrealistische Kunst und deren stilisierte, realistische Malerei, großformatig, bedrückend, ideologiegeladen. Ignacy Czwartos sieht sich selbst in der Tradition von Meistern wie Malewitsch, Rothko!!!?, Wróblewski, auch hat er sich angeblich durch Epitaphien der altpolnischen Sarmaten inspirieren lassen. Dafür würden die Farbgebung und die Flächigkeit der Gestalten sprechen.

Jemand schreibt, Herr Czwartos hat eigenen Stil gefunden. Stimmt: alle Bilder, die ich in der Ausstellung gesehen habe, ähneln sich in der Thematik, in der Farbgebung, in den Formaten. Gut, dass die Ausstellung jetzt unter dem Titel Polonia Uncensored [Polonia ohne Zensur] seine Bilder gemeinsam mit denen anderer Künstler zeigt, das entspannt vielleicht die Sicht, zeigt, wie in unserer Zeit, in demokratischen, freien Ländern mit Zensur umgegangen wird. Man kann über alles reden, doch nicht alles muss man mögen.

One thought on “Frauenblick: Kunst

  1. Ja, ich stimme zu, dass wir nicht alles, was uns Kulturschaffende (allgemein) servieren, mögen müssen/wollen; sie haben das Bedürfniss sich zu äußern, wir als Konsumenten haben nur eine Wahl: das verinnerlichen, oder ausspucken.
    Und ist es SO mit allem, auch gerade mit dem was wir hier schreiben und kommentieren.
    Danke für Ihre für mich sehr wertvollen Beiträge…
    T. Ru

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