Frauenblick auf Antalaya (2)

Monika Wrzosek-Müller

Umgebung

Der ungeheure Reichtum der Natur um Antalya zieht nicht erst heute geballten Tourismus und große Menschenmassen an. Das Taurusgebirge, eine Bergkette mit Gipfeln über 4.000 Meter, und bei Antalya, auf dem „Lykischen Weg“, mit mehreren 3.000ern, bildet ein riesiges Wasserreservoir für die Region. Zwar schmelzen die Schneemassen immer schneller und der künstlich geschaffene Skiort Saklikent (1.850-2.547 m) ist wenig frequentiert und nicht schneesicher. Doch in den Flüssen und Seen gibt es reichlich Wasser; in der ganzen Ebene mangelt es daran auch in den heißen, trockenen Sommermonaten nicht, auch nicht für den Massentourismus in den Hotelburgen, auch nicht für die zahlreichen Treibhäuser mit Gemüse, Obst und Blumen. Dieses Paradies haben schon die verschiedensten Völker in entlegensten Zeiten zu schätzen gewusst.

Plötzlich fällt mir auf: der Name Taurus (lat. Stier, Bulle) ist für uns heutzutage eher mit dem Marschflugkörper Taurus [Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System] verbunden, was mit dem Gebirge natürlich nichts zu tun hat, und doch wünschte ich mir, dass Deutschland und sein Kanzler damit aufhören würden, ständig andere „rote Linien“ zu ziehen und Verzögerung zu betreiben; man darf dem Gegner das Feld nicht schon von vornherein überlassen; wie Emmanuel Macron treffend gesagt hat: „Wenn wir jeden Tag darlegen, wo unsere Grenzen sind, gegenüber jemandem, der keinerlei Grenzen kennt und diesen Krieg begonnen hat, dann kann ich Ihnen jetzt schon sagen, dass der Geist der Niederlage uns auflauert…“ Es handelt sich um einen Krieg und wegen dieser Verzögerungstaktik sind unzählige Menschen gestorben und sterben weiter. Also das Wort Taurus hat eigentlich im Moment eine schlechte Konnotation.

Doch schon in der Antike bildete diese Bergkette einen Schutz und auch das Wasserreservoir für viele Völker, die hierherzogen; die Quellen nennen Lykier, Lydier, Hethiter, Perser, Griechen (obwohl hier eher die Namen der einzelnen Städte wie Pergamon genannt wurden), Römer, Byzantiner (wieder Griechen), Seldschuken, osmanische Türken. Interessant, wirklich interessant wäre, zu wissen, wie alle diese Völker zusammengelebt haben, wer wen unterdrückte, ausbeutete, wie verkehrten sie miteinander, wie kam es zu Übergängen von einer Kultur zur anderen. Das ist noch, soviel ich gesehen habe, in dem archäologischen Museum in Antalya nicht das Hauptthema; klar, viel wichtiger und bedeutender sind die Exponate und Schätze selbst, die dort ausgestellt werden, hauptsächlich aus Perge und aus Side; doch ich denke, nach und nach wird diese Geschichte auch aufgearbeitet werden.

Antalya wird als junge Stadt beschrieben und doch ist die Altstadt, das Viertel Kalaici mit dem Hadrianstor, den alten Mauern und dem Hafen, den Griechen und Römern zu verdanken. Die Stadt hieß zu der Zeit Attaleia und wurde schon in der hellenistischen Periode erwähnt. Sie besaß ein ganz wichtiges Attribut: ihr Zugang zum Meer war von hohen Felsen umrahmt, die sich steil erheben. Auf einer Terrasse über dem Meer sitzend, dachte ich, dass auch ein Tsunami der Stadt Antalya wohl kaum größeren Schaden zufügen könnte, so hoch sind die Klippen, auf denen sie errichtet ist. Die natürliche Lage schützte Attaleia auch vor den Feinden. Wesentlich älter und durch verschiedene Völker bewohnt, waren die anderen antiken Stätdte, die rundherum nur so sprießten. Ich zähle hier nur einige auf, besucht haben wir sie nicht alle: Perge, Aspendos, Side, Patara, Phaselis, Myra, Antiphellos, Termessos, Ariassos, Selge, Olympos.

Als erste der archäologischen Stätten besuchten wir Perge, eine große antike Stadt, die jetzt im Stadtteil Aksu liegt und bequem und preiswert mit der Tram, den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Es war eine sehr große Stadt und eine der reichsten in der Gegend; sie prägte ihre eigenen Münzen und trieb Handel mit anderen Regionen. Sie soll schon in hethitischer Zeit existiert haben, doch ihr goldenes Zeitalter erlebte sie unter den Römern. Wegen der vielen Wasserläufe, des breiten, mit kleinen Brücken versehenen Kanals und des großen Springbrunnens am Ende wird sie auch die „Wasserstadt“ genannt. Die Bewässerungssysteme und deren technische Infrastruktur waren in allen diesen Städten unglaublich raffiniert und effizient. Die Stadt hatte eine riesige Ausdehnung, zwei breite, von Säulen gesäumte Hauptstraßen kreuzen sich, man erkennt auch die Spurrillen, die die Wagen im Marmor hinterlassen haben. Früher haben mich antike Ruinen eigentlich nicht besonders angesprochen, doch hier – vielleicht wegen der Größe und des erstaunlich guten Erhaltungszustands, der erahnen lässt, wie das Leben wirklich vonstattenging, wie die Menschen dort tatsächlich lebten – fand ich es unheimlich interessant, sich das alles vorzustellen. Es gab entlang der Hauptstraße Läden mit kleinen Vorratsräumen, weiter hinten befanden sich dann die Wohnhäuser. Prachtvoll waren die Thermen, Bäder und die Tempel, etwas abseits kann man noch die Bauten von einer Palestra sehen, Teil eines größeren Komplexes des Gymnasion. Die Mauern waren gigantisch, es gab zwei Ringe, die die Stadt umgaben, an einer Stelle gab es zwei riesige runde Wehrtürme; es existieren auch noch zwei große Eingangstore. Man sieht eine rechteckig angelegte Agora mit einem Rundtempel. Hinter den Thermen befand sich die Nekropole. Außerhalb der Mauern gab es ein riesiges Stadion mit ca. 12 bis 15.000 Sitzplätzen, eine ovale, unheimlich gut erhaltene Anlage; unter den hohen Sitzrängen, dem Tonnengewölbe, waren Läden und so was wie Imbissbuden untergebracht. Etwas weiter entfernt befindet sich ein vollständig erhaltenes Theater mit 23 Reihen, Rängen, die steil nach oben gingen. Von den obersten Reihen hatte man einen weiten Blick auf die ganze Stadt, die unten ausgebreitet lag. Vorne gab es eine Bühne mit einem hohen Bühnengebäude, das sich mit mehreren Öffnungen zur Hinterbühne öffnete. Auf dem Fries des Bühnengebäudes sieht man noch verschiedene Szenen von Opferzeremonien. Doch die meisten Skulpturen, Friese, Sarkophage, Mosaiken, alles was abgetragen werden konnte, auch Keramik, Münzen, Schmuck befinden sich im archäologischen Museum in Antalya, in einer Fülle, die man sich kaum vorstellen kann. Der wunderbare Zustand der meisten Objekte verdankt die Stadt der Tatsache, dass ihr Niedergang durch ein Erdbeben und eine Schlammlawine verursacht worden war und die ganzen Schätze unter der Erde auf die Archäologen gewartet hatten. Einer von ihnen war auch der polnische Graf Karol Lanckoroński. Die meiste Arbeit aber haben die Archäologen der Universität Istanbul, auch in Zusammenarbeit mit der Universität Gießen, geleistet.

Interessant ist, dass die Stadt sich zwar Alexander dem Großen ergeben hat, aber davon keinen Schaden erlitt und weiter ihren Handel trieb und ihre Beziehungen unterhielt; aus der späteren Zeit, d.h. der Zeit des Christentums, gibt es Zeugnisse, dass die Aposteln Paulus und Barnabas zwei Mal in der Stadt eingekehrt sein sollen.

Leider hatte ich Angst, selbst in Antalya Auto zu fahren, und so waren wir auf die Dienste von Taxifahrern angewiesen. Die erwiesen sich als hervorragend und man lernte noch etwas dazu. Der Taxifahrer, der uns nach Thermessos brachte, behauptete zwar fünf Jahre in Sydney gewohnt zu haben, doch die Verständigung erfolgte eigentlich mit den Händen und der Mimik; das einzige Wort das ich verstanden habe, war: perfekt! Er zeigte uns aber ausgedehnte Parkanlagen, außerhalb der Stadt in Richtung Berge, in denen die Menschen sehr gut organisierte Picknick-Zonen vorfinden, mit riesigen Parkplätzen. Später sahen wir auch solche Anlagen bei der Seilbahn am Ende des Strandes Konyaalti. Es handelt sich um wirklich ungeheuer gut vorbereitete Plätze mit einem Tisch, Bänken und einer Feuerstelle, einem Ofen zum Grillen, oft auch überdacht. Das alles befindet sich in Kiefernwäldern, die sehr sauber gehalten werden, mit vielen Müllcontainern und Müllkörben und mehreren WCs. Natürlich ist Februar vielleicht nicht die Hauptsaison für diese Art der Freizeitgestaltung, doch bei milderen Temperaturen kamen schon jetzt ganze Familien zusammen, schafften viel Essen und Trinken heran und verbrachten den ganzen Tag an der frischen Luft. Eine wunderbare Idee, Zeit mit Großfamilie zu verbringen. Einiges erledigen die omnipräsenten Katzen, die alle Reste überall verzehren.

Auf eine nächste Station Tour nach Thermessos, hoch in den Bergen über Antalya, auf 1.150 Metern gelegen, nehme ich uns das nächste Mal mit.

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