Ewa Maria Slaska
Hella Moja (16. Januar 1892 in Königsberg; † 15. Januar 1937 in Berlin) war eine deutsche Schauspielerin, Filmproduzentin und Drehbuchautorin polnischer Abstammung.
Geheimnisse
Sie ist eine geheimnisvolle Persönlichkeit gewesen, von der, obwohl zeitlang sehr berühmt, nichts sicher ist. Sowohl ihr Geburtsort, -datum und -name als vor allem ihr Todesdatum varieren in verschiedenen Quellen.
Deutsche Wikipedia übersieht gänzlich jegliche Polen-Beziehungen dieser gebürtigen Polin, sagt nur, dass sie bei der Geburt Helene Gertrud Mojzesczyck hieß. Der Name hat mehrere Fehler. So wie es hier geschrieben ist, hiess Niemand. Nach der Polnischen Wikipedia hieß sie Helena Mojżeszczyk (Mojżyszczyk), Helena Morawska oder Helena Schwerdtfeger. In polnischer Version wurde sie am 2. Februar 1890 in Cienino Zaborne nicht weit von Słupca geboren (es ist eine Stadt in Großpolen) und im Dezember 1951 in Kiel gestorben. Polnische(r) Autor(in) schreibt auch, dass Helena eine deutsche Schauspielerin, Drehbuchautorin und Film-Produzentin polnischer Abstammung war (niemiecka aktorka, scenarzystka i producentka filmowa polskiego pochodzenia). Aber es gibt eine polnische Quelle (filmweb.pl), die schreibt, dass sie eine russische Schauspielerin war, was nur so weit stimmt, dass wenn sie in Königsberg geboren wäre, da war die Stadt zwar damals Deutsch, heute aber heißt sie Kalliningrad (pol: Królewiec) und ist Russisch.
Der wichtigste Unterschied betrifft jedoch den Tod von Hella Moja. Die Polen und zum Teil auch die Engländer wollen wissen, dass sie Selbstmord begangen ist und vor allem, dass sie nicht vor dem II WK, sondern danach gestorben ist. Bei den Deutschen lebte sie bis 15. Januar 1935, bei den Polen, Französen, Italiener und Engländer bis Dezember 1951. Auch in Volapük, wo sie zwar Deutsch ist, lebt sie bis 1951.
Sie hieß Mojżeszczyk. Der Name sugerriert auch jüdische Abstammung (von Moses abstammend), was sich in den Jahren 1933-1945 bestätigte, da Helena keinen Ariernachweis vorlegen konnte. Abgesehen davon, war der Name vor allem für die deutsche Zunge unmöglich auszusprechen. Kein wunder also, dass Helena ihn später änderte: Mojżeszczyk ist Modrzewska oder Morawska geworden, dann Modjeska und endlich Moja. Es gibt auch andere Geburts- und Todesdaten und andere Namen.
Quellen der Unterschiede:
Polnische Version Deutsche Version Englische Version
Biografie
Helena wuchs in polnisch-jüdischer Familie, verlor jedoch früh ihre Eltern und arbeitete als Übersetzerin und Autorin für die Deutsche Presse-Korrespondenz in Hannover und in den Ullstein- und den Scherl-Verlag. Sie zog nach Berlin um, wo sie Schauspielunterricht bei Emmanuel Reicher und Frieda Richard nahm. Beide waren besonders wichtig für ihre spätere Karriere, Reicher, weil er sie in Theaterschauspielerei einführte und Richard, ihrer Zeit meistgesuchte Nebendarstellerin des Stummfilms, in den Film. Sie debütierte 1913 in Berlin am Lessingtheater, wo sie dann mehrere Jahre arbeitete.
Ab 1914 stand sie das erste Mal als Stummfilmdarstellerin vor der Kamera. Im Laufe ihrer beruflichen Karriere spezialisierte sich in weiblichen Melodram-Rollen. Sie trat häufig als eine unglückliche und vom Schicksal erfahrene Adlige, oft als “polska szlachcianka” (polnische Kleinadelige). Während des Ersten Weltkrieges und in der Zeit danach gehörte Hella Moja zu den bekanntesten deutschen Filmschauspielerinnen. Besonders prägnant war ihre Darstellung von Cherubin in Figaros Hochzeit (1920). Ihre fantastische Karriere als Stummfilm-Darstellerin ging leider schnell zu Ende, als die Stummfilme nicht mehr “in” waren. Auch im Theater galt seit Mitte der zwanziger Jahre ihr eben zu theatralischer Stil als nicht mehr modern.
Hella Moja widmete sich dann der Film- und Drehbuch-Produktion. 1918 gründete sie die „Hella Moja Film-Gesellschaft m.b.H.“ und 1922 die „Hella Moja Film AG“ (1922–1927).
Während der Zeit des Nationalsozialismus bekam sie zusätzliche Probleme, da sie keinen Ariernachweis erbringen konnte.
Nach langer Krankheit verstarb Hella Moja in der Nacht vor ihrem 45. Geburtstag an einer Lungenentzündung. / Oder lebte sie noch sechs Jahre, überlebte den Krieg und verübte Selbstmord.
So oder so. Sie starb in schrecklichen Armut.
Sie wurde auf dem Berliner Friedhof Heerstraße im heutigen Ortsteil Westend beerdigt.
Die Grabstätte existiert nicht mehr, da sich (schon nach dem Zweiten Weltkrieg!) niemand fand, der für diese ehemalige Berühmtheit der deutschen Kultur die Friedhofsgebühren übernahm.
Persönliches
2008 begann ich, mich ernsthaft für die polnischen Gräber in Berlin zu interessieren. Zuerst war es im Auftrag des Zentrums für Historische Forschung in Berlin, das 2009 die Ausstellung Wir, Berliner / My, belińczycy im Ephraim Palast organisierte. Dann folgte eine Reihe der Vorträge, danach die Ausstellung Ich bin nicht tot, polnische Gräber in Berlin und deutsche in Szczecin (Berlin und Szczecin 2013) und danach noch ein Buch dazu (2016). Bei meinen Recherchen traf ich auch das erste Mal auf den Namen Hella Moja. Meine Aufmerksamkeit weckte ihr Nachnamen. Das Wort “Moja” bedeutet auf Polnisch “meine”. Die Suche der polnischen Gräber in Berlin ist ein schwieriges Untenfangen, der Sucher braucht viel Glück und noch mehr Intuition, um auf den 270 Friedhöfe in Berlin, dies zu finden, was man nicht weißt, was es ist, bis es endlich gefunden wird. Wie Hella Moja.
Ich hatte recht, sie war eine Polin und noch dazu eine Jüdin, ein schönes, begabtes Mädchen, das spielen wollte. Der Weg aus Słupca (deutsch Slupca, 1943–1945 Grenzhausen (Wartheland)) fuhr direkt nach Berlin. Ins Theater. Und dann fast sofort auch ins Kino. Sie spielte, und spielte, und spielte, immer melodramatisch, mit der großen Gestik und den Augen, die in Stummfilmen so viel sagen mussten. Über 20 Filme in 10 Jahren! Zwei, manchmal gar drei Filme im Jahr. Ewig schöne polnische Gräfin.
Aber sie war ein Grashupfer, der nur spielen wollte. Sie sammelte nichts, sie legte nicht auf die hohe Kante. Wenn der Stummfilm starb, verlor sie ihre Rollen. Der Winter war gekommen, es war kalt und es gab nichts zu Essen. Es begann der lange, steinige Weg der Verarmung. Zeitlang konnte sie Drehbücher schreiben oder bei den Filmen als Drehbuchautorin mitwirken. 1933 war auch damit Schluß. Sie hate keinen Arierausweis und ihre polnische Schönheit entpupte sich als die jüdische.
Es ist nicht klar, wie sie eigentlich diese Zeit überhaupt überlebte. Vielleicht deshalb hat ihr die deutsche Wikipedia schon 1935 wegen Lungenentzündung sterben lassen, und der filmportal.de im Jahre 1937 in (Berlin) Charlottenburg.
Die Polen sind jedoch hartnäckiger. In polnischer Wikipedia mußte Hella den Krieg überleben. Halfen ihr die Ameisen? Wohl schon.
Sie war auch nach dem Krieg arm. Arm und immer ärmer. Irgendwann, als sie schon nichts zu Essen hatte und ausgemagert war, wie die Lagerinsassen, lud sie die Journalisten zu sich ein und zeigte ihnen ihren alten, mageren Körper. Fotografiere mich, sollte sie gesagt haben, zeigt euren Leser, was mit einem Menschen passieren kann, wenn die Gesellschaft sich nich kümmert.
Danach hat sie sich umgebracht.
Wer hat ihr Begräbnis finanziert? Immerhin hat jemand sie aus Hamburg nach Berlin bringen lassen und auf einem schönem Friedhof beerdigen.

Grab von Hella Moja, Foto: Anna Kuzio
Bei der Suche erfuhr ich, dass sich ihr Grab auf dem Friedhof Heerstraße, in der Nähe von Olympia Stadion befindet. Mit meiner Freundin Anna Kuzio-Weber gingen wir dorthin. Wir hatten die Quartal-Nummer. Es war ein Stückchen Friedhof, von fünf oder sechs Reihen mit jeweils ca. 20 Gräber. Wir gingen und gingen, und gingen. Links und rechts, und wieder links. Es war ein schöner sonniger Herbsttag, aber letztlich war es doch kalt. Es war jämmerlich. Wir wussten, es könnte nicht woanders sein, wir waren richtig. Auf der Liste, die wir aus Internet hatten, lag Moja hier, in der Wirklichkeit war sie aber nicht da. Natürlich war es Sonntag und das Friedhofsbüro war zu. Ich rief am Montag an.
– Wo ist das Grab? fragte ich.
– Es wurde geebnet, antwortete die Stimme im Telefon.
– Wieso? schrie ich.
– Die Gebühren waren fällig.
– Aber sie war doch so berühmt!
– Das ist nicht meine Sache.
Ihr Tod und ihr Grab vereinten sich in Armut und Vergessenheit. Hatte sie ein schlechtes Karma, oder war es ein unterbewusster Antipolonismus, dass hier im Spiel waren, oder übertreibe ich und es war nur andere Erinnerungskultur, womit ich meine, dass wir Polen uns anders and die Vergangenheit erinnern als Deutschen?
***
Filme mit und von Hella Moja:
- 1916: Der Weg der Tränen
- 1916: Komtesse Hella
- 1916: Streichhölzer, kauft Streichhölzer!
- 1917: Wenn die Lawinen stürzen
- 1917: Die Fremde
- 1917: Die Tochter der Gräfin Stachowska
- 1917: Die Königstochter von Travankore
- 1917: Die gute Partie
- 1917: Das Mädel von nebenan
- 1918: Heide-Gretel
- 1918: Das verwunschene Schloss
- 1918: Inge
- 1918: Nur ein Schmetterling
- 1920: Figaros Hochzeit
- 1920: Gräfin Walewska
- 1920: Der Vampyr
- 1921: Die Flucht aus dem goldenen Kerker
- 1922: Felicitas Grolandin (auch Produktion)
- 1923: Das schöne Mädel
- 1925: Des Lebens Würfelspiel
- 1926: Die Straße des Vergessens
- 1926: Die Warenhausprinzessin
- 1927: U 9 Weddigen
- 1927: Der falsche Prinz (nur Drehbuch)
- 1929: Drei Tage auf Leben und Tod (nur Drehbuch) / Trzy dni na śmierć i życie (scenariusz)
- 1932: Marschall Vorwärts (nur Drehbuch) / Marszałek “Naprzód” (scenariusz)
- 1934: Die vier Musketiere (nur Drehbuch) / Czterej muszkieterowie (scenariusz)

