Monika Wrzosek-Müller
Auf den Spuren der Polen in Italien
Dass 2023 das Jahr von Szymborska ist, hat uns Ewa irgendwann schon vermittelt. Der hundertste Geburtstag der Lyrikerin fiel auf den 2.06.2023; das weiß ich ganz genau, denn das war ein Freitag und da kaufen wir in Italien immer „La Repubblica“. In dieser Ausgabe gab es einen langen Artikel über „La grande Szymborska“, eine Auswahl schön übersetzter Gedichte und die Ankündigung eines Gedichtbandes, der aus diesem Anlass erschienen ist. Angeblich werden Szymborskas Gedichte vor allem von ganz jungen Menschen in Italien gelesen, sie erscheinen in den sozialen Netzwerken, werden kopiert und weitergeleitet. Klar sie sind leicht, zeitlos, oft kurz und komprimiert, eignen sich sehr gut für die digitalen Stammbücher.
In Genua wird am 15.06.2023 zu diesem Anlass eine Ausstellung zu Leben und Werk von Szymborska eröffnet. Es sollen Manuskripte und vor allem ihre Collagen gezeigt werden. Anhand von vielen Fotos und Videos wird auch das Leben der Dichterin und ihrer Freunde illustriert. Szymborska liebte Objekte, die wenig nützlich waren; die sammelte sie und produzierte dann immer und immer wieder kleine Karten mit aufgeklebten Fragmenten der Gedichte, Wörtern, getrockneter Blumen usw. In Italien heißt es, sie sammelte allerlei Firlefanz und machte daraus dann ihre Collagen, die sie wiederum oft an Freunde weiterverschenkte.
Ein Freund aus Turin auf die Frage, ob er denn die Ausgabe von Reppublica gekauft hätte: Er schickte mir gleich unzählige Fotos von verschiedenen Bücher von Szymborska, die er besitze. Erstaunlich, wieviel Aufmerksamkeit sie hier bekommt.
Einen anderen Polen, der mich immer wieder in Italien begleitet, habe ich zufällig in Capodimonte am Lago di Bolsena für mich entdeckt. Inzwischen befürchte ich fast, dass er sich als Prototyp eines russischen Oligarchen eignen würde. Gemeint sind Fürst Stanislaw Poniatowski und dessen Familie, offensichtlich wusste er ganz genau, dass es besser ist, im Ausland zu investieren in schöne Immobilien, als im damaligen Polen; buon gusto hatte er auch. Die Zahl der Villen und Palästen, die er erworben hat, scheint mir unendlich oder ich stoße immer wieder darauf bei meinen Erkundungen in Italien.
Schon in Florenz, nicht weit von der Porta al Prato, habe ich das Stadtpalais Poniatowski für mich entdeckt, darin befindet sich jetzt der Sitz der Stadtpolizei. Einige Jahre später sah ich, südlich von Rom, in San Felice Circeo, einen Palazzo Poniatowski, mit einer schön angebrachten Erklärungstafel, worum es sich handelt. In Rom selbst gibt es zwei Poniatowski-Baudenkmäler: einen sehr schönen, mittelalterlichen Palazzo, in dem sich jetzt das Archäologisches Museum befindet und das Poniatowski als Ruine gekauft hatte und restaurieren ließ. Außerdem ließ er für sich in der Via della Croce von Giuseppe Valadier ein Stadtpalais bauen. Das sind nur die Gebäude, auf die ich aufmerksam geworden bin; wahrscheinlich existieren noch andere.
Die Entdeckung des Poniatowski-Palais in Capodimonte ist insofern kurios, als die Informationstafel zur Geschichte des Gebäudes gerade einmal eine Woche vor meinem Besuch angebracht worden ist; angeblich mit großem Pomp, in Anwesenheit der polnischen Botschafterin und lokalen Größen und Prominenz aus Rom sowie aus der Region wurde die Tafel enthüllt.
Zum Schluss muss ich noch meine geliebte Pizzeria-Rosticceria „Il Fornetto“ erwähnen, die ich immer in Orbetello frequentiere, sobald wir hier ankommen. Sie wird von Polen geführt. Es handelt sich eigentlich um einen Schnellimbiss, aber von hoher Qualität, der eine Pizza bianca con patate serviert, bei deren Name mir gleich Wasser im Mund zusammenläuft. Das winzige Lokal ist sehr preiswert, unheimlich sympathisch und hat immer dieselbe Palette von Gerichten; Trauben von Menschen stehen davor. Die Polin hat an den überkommenen Rezepten nichts geändert und serviert das alte seit Generationen erprobte Essen; für mich ist es umso sympathischer, dass ich auch auf Polnisch bestellen kann.
