Frauenblick 14

Monika Wrzosek-Müller

Arbeit mit Flüchtlingen (nein, jetzt sagt man eher Geflüchteten oder Migranten)

Ich habe immer wieder über die Arbeit mit Flüchtlingen geschrieben und es ist nicht so, dass sie (die Arbeit) und ich aufgehört hätten. Ehrlich gesagt, wird es immer mehr und immer schwieriger. Denn am Anfang waren alle noch voll Begeisterung und Hoffnung gewesen und dann verwandelten sich diese positiven Gefühle schrittweise in Ungeduld und manchmal auch Traurigkeit, doch es gab immer wieder einen Hoffnungsschimmer und herzerwärmende Beispiele des guten Vorankommens in der Integration, und was dahinter steht auch: Beispiele für einen gelungenen und glücklicheren Lebensweg für die geflüchteten Menschen.

Auf jeden Fall bin ich dabei geblieben und unterrichte Kinder und Jugendliche in den Schulen, die Nachhilfe in Deutsch brauchen. Dabei habe ich verschiedene Modelle beobachtet, von Willkommens- über Brückenklassen bis zu Kindern, die in „normale“ Klassen gehen und eben dann nach der Schule betreut werden. Urteilen will ich darüber nicht; es wäre außerordentlich schwer zu begründen, dass das ein Modell besser sei als das andere, denn alles hänge von dem Kind ab, sehr viel vom Lehrer und von der einzelnen Schule. Auf jeden Fall haben alle ihre Schwierigkeiten und die kommen meistens erst nach einiger Zeit klarer zum Vorschein, auch wenn sich beide Seiten sehr anstrengen. Eine ungeheuer positive Tatsache ist, dass alle Kinder in die Schule gehen; auch diejenigen, in deren Ländern das gar nicht so offensichtlich und der Normalfall war.

Ich habe Kinder betreut, die sich wahnsinnig anstrengen, pauken und üben und erklären, sofort „gute Deutsche“ sein zu wollen; aber es gibt auch andere, denen alles ziemlich egal ist, solange sie etwas Geld für Kleidung (sehr wichtig!) haben. Ich habe erlebt, was es für die großen Familien mit acht, neun Mitgliedern bedeutet, in zwei Zimmern zu hocken, mit einem ständig weinenden Baby und einem pubertierenden Jugendlichen, der unbedingt laut Musik hören will. Andererseits ist das vielleicht ein gutes Training für die Zukunft, sie müssen sich durchkämpfen und Geduld aufbringen, auch Techniken der Entspannung und des zur Ruhe-Kommens entwickeln.

Inzwischen bekomme ich ganz viele Anfragen von Bündnissen und Willkommensorganisationen, ob ich nicht da und dort ehrenamtlich arbeiten könnte. Ich lese zwischen den Zeilen, dass es zunehmend schwierig wird, Leute zu finden, die diese sehr strapaziöse und doch erfüllende Arbeit machen könnten. Ist auch verständlich, es müssten eigentlich inzwischen Strukturen greifen, die die einen mit den anderen zusammenbringen, auch auf bezahlter Basis. Es müsste auch eigentlich jetzt weiter gehen und die Familien müssten in großen oder kleinen in Wohnungen (notfalls auch in kleineren Wohnungen) untergebracht werden. Mein Sohn behauptet zwar immer wieder, es sei doch gut, dass sie überhaupt Unterschlupf gefunden haben. Dagegen bin ich anspruchsvoller, ich sehe ja auch direkt vor meiner eigenen Nase sozusagen, dass es nicht ausreicht so herumzuhängen. Sie müssten arbeiten gehen können, in einer normalen Wohnung wohnen und sich halbwegs mit den anderen, den Einheimischen unterhalten können. In einigen Fällen klappt das auch, aber das sind wirklich die Ausnahmen, der normale Flüchtling sitzt immer noch in seinem Heim, geht in einen Deutschkurs, spricht aber immer nur in der Muttersprache, befindet sich in einem Vakuum, wie auf dem Mond. Versucht sich mit dem Essen und dem Zusammensein mit seinen Landsleuten zu trösten; geht öfters zum Arzt, macht wenn es gut geht etwas Sport.

Natürlich haben es die Kinder leichter und doch möchte ich betonen, dass auch die Kinder unter enormem Druck seitens der Familie stehen, die alle ihre Hoffnungen in sie setzen. Aber auch der Staat übt Druck aus, dass sie sich bitte gleich, sofort integrieren und wie deutsche Muttersprachler funktionieren. Und sie setzen sich selbst unter Druck mit ihren Ambitionen, dem Ehrgeiz voranzukommen und in der neuen Gesellschaft zu bestehen. Ich hoffe, viele werden durchhalten und ihre Träume verwirklichen, doch es ist ein steiler Weg und man müsste ihnen eigentlich noch mehr helfen.

Gerade hielt ich den Spiegel in der Hand mit dem Titel „die Lage der Nation. Wie wir leben, wie wir denken“, ein Heft über Deutschland. Das Flüchtlingsthema gehört mit dazu; es gibt ein rührendes „Porträt einer syrischen Flüchtlingsfamilie, die deutscher sein möchte (und manchmal auch ist) als viele Deutsche“. Wie schaffen es diese Menschen mit unglaublicher Geduld, alle Schikanen durchzustehen und weiter an gelungene Integration zu glauben, obwohl sie sich gar nicht integriert haben, niemand sie zu sich einlädt, niemand sich für sie interessiert. Trotzdem versuchen sie in allem gute Seiten zu sehen, den Rasen vor ihrer Wohnung besser als die meisten Nachbarn zu pflegen, ihre Kinder sehr diszipliniert zu erziehen: eine bewundernswerte Kombination von Geduld, Liebe, Ergebenheit und Demut. Ich hoffe, sie kommen damit durch und ihre Kinder werden ihre Träume verwirklichen können.

Es gibt in dem Heft auch ein Interview mit Gastwirten der älteren Generation aus der Türkei, aus Italien und aus Griechenland, die in 60 Jahren nach Deutschland gekommen waren. Sie haben gut gehende Restaurants, die sie schon länger betreiben, sie sind zu Wohlstand gekommen. Ihre Kinder, die jetzt die Restaurants übernehmen, können vieles anders machen, sich überlegen, wie sie leben wollen. Sie selbst sind mit dem Leben zufrieden, haben aber sehr hart dafür gearbeitet. Ihre Integration ist durch die Küche, durch das Essen gelungen. Erstaunlicherweise aber denken sie, dass die Neuankömmlinge, also Syrier oder Afghanen, sich eher schwer tun werden mit der Arbeit in der Gastronomie, weil die eben schon durch Griechen, Italiener, Türken usw. okkupiert ist. Sie selbst sind nicht besonders neugierig auf die neuen Migranten und ihre Essgewohnheiten und ihren Geschmack. Vielleicht fürchten sie doch heimlich Konkurrenz oder finden ihre Küchen zu exotisch. Sie betonen aber immer wieder, dass sie nicht vor dem Krieg geflüchtet waren, sie kamen wegen der Arbeit. Was das für ihre Beziehung zu den Flüchtlingen bedeutet, erfahren wir nicht. Eigentlich müssten sie die Neuankömmlinge besser verstehen und ihnen helfen wollen.

Eines hat sich sicherlich sehr stark verändert, seitdem ich 1984 nach Deutschland (BRD) gekommen bin. Es wird jetzt viel mehr darüber gesprochen, diskutiert und überlegt, wie was und wo man mit den neuen Mitmenschen tun und mit ihnen umgehen soll. Ob das den Geflüchteten besonders hilft, weiß ich nicht, doch sie sind meistens in der Öffentlichkeit präsent; und das ist gut so.

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